Lyrischer Dialog

Hier ist Raum für gemeinsame unkommentierte Textfolgen
Nifl
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Beitragvon Nifl » 11.08.2006, 17:59

Liebe Schreibfanatiker,

ich möchte hier in diesem vitalen Forum einen "lyrischen Dialog" beginnen. Lyrische Dialoge sind kooperatives Schreiben, Gedichte, die (auf-)einander aufbauen. Das können inhaltliche Bezüge sein, oder es werden Worte des "Vorschreibers" aufgegriffen, oder man übernimmt einfach nur die Stimmung.
Hierdurch entstehen unkommentierte Gedichtfolgen. Die Form bleibt dem Autoren überlassen (zB. ob gereimt oder ungereimt ...)
Würde mich über rege Beteiligung freuen!

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Zuletzt geändert von Nifl am 30.08.2006, 19:10, insgesamt 2-mal geändert.

Max

Beitragvon Max » 22.09.2008, 23:24

Die Zeitformen des Wir

Sagst Du 'wir waren'
meinst du mich

Sagst Du 'wir sind'
meinst du ihn

Wir
wurden viel zu leicht gebeugt

Mucki
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Beitragvon Mucki » 27.09.2008, 00:07

leicht lässt du dich beugen
wie ein halm im wind
der sanft dir gänsehaut schenkt
die ein stahlmensch
niemals spüren wird

Nifl
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Beitragvon Nifl » 04.10.2008, 22:12

Nahfeldbeugung
mitten im Herbstlaub
Wellenvektor mal Abstand
geküsst hat sie mich
und beschenkt im Betragsquadranten
mit einem kleinen Omega

Nimmt Zeit genug
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

Mucki
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Beitragvon Mucki » 05.10.2008, 01:13

Es ist dieser Augenblick,
der dir geschenkt wird,
es ist dieser Moment,
in dem es dir so vertraut ist,
dass es dir fremd wird,
in dem es es keinen Namen mehr trägt,
kein Alpha, kein Omega mehr sein kann.
Es war.

Max

Beitragvon Max » 13.10.2008, 21:05

Wie dünn die Zeit wird
wenn man heranrückt
Die Mutter
nach 35 Jahren noch einmal aus der Nähe betrachtet
verschwimmt

Die Zeit körnt
Ihr Blick wird unscharf

Gehst du noch dichter
ist sie verschwunden

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 14.10.2008, 14:58

Die Dünne der Zeit
Spinne für Spinne
brechen die Netze
brechen die Himmel
spritzt der Schleim unter den Flügeln der stürzenden Vögel

hinauf, hinauf!
Sei uns wieder gut, Sonne. Sonne!
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Max

Beitragvon Max » 15.10.2008, 21:57

Die Angst kommt auf Spinnenbeinen

Du hörst sie nicht
schläfst
wenn du erwachst steht sie neben deinem Bett
klebrig verharrt sie

Manchmal hilft der Gedanke an einen Wolf
(der Detektiv sein will)
manchmal bleibst du die Nacht allein

Mucki
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Beitragvon Mucki » 15.10.2008, 22:24

lieber hundert nächte allein
als eine einzige
mit nur einem
achtbeinigen winzigen begleiter

gedankenkraft
wandelt zwerge in riesen
doch niemals
riesen in zwerge

ecb

Beitragvon ecb » 19.10.2008, 19:51

wir sind uns
alle rätsel

warum nicht auch
spinnen?

Max

Beitragvon Max » 24.10.2008, 20:58

Eine Frau klopft nachts
sie steht vor dir im Nachthemd
Eine Spinne sei in ihrem Zimmer
und ob du nicht helfen könntest

Du gehst hinüber
tatsächlich seilt sich da eine Spinne ab
keinen Meter vom warmen Bett entfernt

Du fängst sie mit der bloßen Hand
und lässt sie durchs Fenster ins Freie

Die Frau bedankt sich
das Gesicht noch voll Ekel

Und du hattest dir schon Hoffnungen gemacht

ecb

Beitragvon ecb » 25.10.2008, 18:44

ja, man kann so weit kommen
zu hoffen, jemand spinne -
ein übles zeichen für die zeiten jedenfalls
wenn hilfeleistung, männliche, nur noch der behebung
arachnophobischer anwandlungen ...
ach, was solls?

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 28.10.2008, 23:11

man kann so weit kommen / ohne einen einzigen schritt


Mein ding da in der brust ist eine kuh mit sieben mägen
die malmt die tage ohne leben
zu grünem brei und benetzt die gräser mit allerlei

tränen und fladen
möcht sie jemand haben? ich glaube kaum


... und so vergeht das gute tier am wiesensaum ...


manchmal spürt sie den wind im gehorn
manchmal sind der wind nur die fliegen
manchmal erhebt er das korn

in der ferne
in die wärme

ach. ihr hängt was schweres am hals
das kann läuten wie die kirche

versteht ihr, weshalb sie es so liebt?
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 29.10.2008, 00:23

man kann so weit zurückgehen
mit tausend schritten nach vorn

vermeintlich vermeintlich vermeintlich
tock tock tock
wen höre ich
wen sehe ich
wen gehe ich
tock tock tock
tausend mal tock
tausend mal vermeintlich
kein denken an zurück
kein wollen ins zurück
nach vorn
immer nach vorn

alles unsinn
tausend mal warum
warum soll ich gehen
wohin
woher
wozu
wann

ich gehe

nur so
ohne zurück
ohne nach vorn
ohne vermeintlich
ohne tock
ohne fragen

es ist so einfach
los

Max

Beitragvon Max » 01.11.2008, 22:52

Der tag stockt
erblindet drücke ich die tasten
kein zauberwort lautet
mein herz tappt im dunkeln


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