Lyrischer Dialog

Hier ist Raum für gemeinsame unkommentierte Textfolgen
Nifl
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Beitragvon Nifl » 11.08.2006, 17:59

Liebe Schreibfanatiker,

ich möchte hier in diesem vitalen Forum einen "lyrischen Dialog" beginnen. Lyrische Dialoge sind kooperatives Schreiben, Gedichte, die (auf-)einander aufbauen. Das können inhaltliche Bezüge sein, oder es werden Worte des "Vorschreibers" aufgegriffen, oder man übernimmt einfach nur die Stimmung.
Hierdurch entstehen unkommentierte Gedichtfolgen. Die Form bleibt dem Autoren überlassen (zB. ob gereimt oder ungereimt ...)
Würde mich über rege Beteiligung freuen!

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Zuletzt geändert von Nifl am 30.08.2006, 19:10, insgesamt 2-mal geändert.

Max

Beitragvon Max » 14.03.2010, 19:54


Etüde in Celan Moll


Verwinterst mich
speist mich nächtens mit Schnee

Mein Aug
nicht erd- nicht himmelwärts

Die Leere nagt
denn
(da irrt Paul sich)
auch der Maulbeerbaum schweigt
auch im Sommer

Niko

Beitragvon Niko » 15.03.2010, 21:50

celaniko (introitus)

muschelwärts entmischt
in der herzwege schluchten
ein aschenpfad wir
auseinander ineinander
zusammen
gefallen

im antworttau
blieb mein schlaf sieglos

und dann du
hervorgeschattet aus dem nachdunkeln
des mundes
und mein sehnen
meine sehnen ziehen ein rundes
um unsere lichtleichte

scarlett

Beitragvon scarlett » 15.03.2010, 22:14

lichtgleich
dringst du in mein verschattetes

dein tausendschönblick
rötet schamlos verlipptes

und wir denken uns vor
die zeichen

stehen auf sturm

Mucki
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Beitragvon Mucki » 16.03.2010, 00:22

flieg, flieg Lichtbringer
flüster ihm schillernd Zeichen
flatter rasch zu mir

Herby

Beitragvon Herby » 16.03.2010, 01:02

Dein Flügelschlag
hat die Lüfte verwirbelt,
Nester zerstört.

Die Federn,
die du lassen musstest,
erschlugen deine Brut.

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 18.03.2010, 17:12


köpfe sie vor dem schlüpfen, or you'll get carried away


schau es nicht an
das nest, als wäre es leer
immer schon gewesen

etwas entschlüpfte mir
aus schalen splittern - das klebrige
zwischen den zweigen - fauliges gelb
hatte ich uns das nicht prophezeit
dieses enden unter den händen

aber dann, aber dann
tirilierte es mir wieder ein, dass man dunkle zeilen
nicht schwindeln darf, denn wäre es nicht soul und sonnig zu nennen
wie deine stimme über meine schulter streicht

sie sind mir aufgeflogen!
das will ich dir sicher sagen
und in die weite weisen
die sich um uns schreibt


Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

FawzZalum

Beitragvon FawzZalum » 19.03.2010, 15:42

Dann, aber dann umatmest du
das Wenige von uns
als wär es dir niemals uneigen
was nur so bedeutsam an meinem Nacken
Mohnempfundenes
und das eigenartige Lachen
bei einer schummerigeren Tasse Tee

Mucki
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Beitragvon Mucki » 19.03.2010, 23:24

Zeitloser Tee

Kumas Spuren
führen Japan nach Frankfurt
verbinden Rituale
18. Jahrhundert und Moderne
doch
wer hat heute noch Zeit
für die Zeremonie

Niko

Beitragvon Niko » 20.03.2010, 08:10

wieviel darf´s denn heute sein
an mettwurst und leben

der fleischer frug: "wie geht´s"
"es muss ja. man lebt"
die antwort
des längst verblichenen

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leonie
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Beitragvon leonie » 20.03.2010, 19:06

du alterst nicht
deine brille wirkt
seltsam unmodern
auf dem verblichenen bild

aber die wärme
deiner hände
pulst noch immer
in meinen

und deine augen
leuchten mir entgegen
wenn ich mein kind anschaue
so wie du mich

damals

Klara
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Beitragvon Klara » 21.03.2010, 07:45

So viele Worte eingesogen
In der Jugend
drängen jetzt heraus
In meiner Mittelzeit
Machen sich auf den Weg
Zum Schluss

So viele Sätze in die Zukunft hallen lassen
Damals, von klein auf
Werden groß nun
In der Gegenwart

All die Geschichten die betäubten und bedrückten
All diese Bücher, all das fremde Leid und Glück
Das mich zur Geisel, bei der Hand nahm
Lösen sich auf wie Brausepulver

Ich stoße auf
Ich les nicht mehr
Ich schreib nur noch
Ein Wort
Und immer eins und noch ein Wort.
Sie brauchen das.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 21.03.2010, 15:02

Wahre Worte

geschrieben, nur geschrieben
könnten sie doch wirklich sein
wirklich wirklich
ohne Spiegel
ohne Gedankenkorsett
wahr
pures Ich

geschrieben, nur geschrieben
wie auch diese

scarlett

Beitragvon scarlett » 21.03.2010, 23:14

Wahre Worte
schreiben sich nicht

sie stöhnen sich hin
zur Nacht

zu einem fernen Gegenüber
das davon nicht mal erwacht

Papier ist geduldig
die Binsenweisheit bekannt

nur davon wird nichts wahrer
es sei denn man glaubt

ans große Fantasialand

Niko

Beitragvon Niko » 22.03.2010, 19:41

worte sind binsenweisheiten
gesprochen zu zählt nicht
gesprochen aus schon eher
geschrieben für ist unwichtig
geschrieben von schon eher

was aber sind worte wenn sie
bei uns beiden bleiben
bei sich und bei mir

doch ohne worte
findet keine hoffnung
einen weg zur tat
keine sehnsucht zur liebe
kein wohnen in heimat


.


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