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Lyrischer Dialog
Verfasst: 11.08.2006, 17:59
von Nifl
Liebe Schreibfanatiker,
ich möchte hier in diesem vitalen Forum einen "lyrischen Dialog" beginnen. Lyrische Dialoge sind kooperatives Schreiben, Gedichte, die (auf-)einander aufbauen. Das können inhaltliche Bezüge sein, oder es werden Worte des "Vorschreibers" aufgegriffen, oder man übernimmt einfach nur die Stimmung.
Hierdurch entstehen
unkommentierte Gedichtfolgen. Die Form bleibt dem Autoren überlassen (zB. ob gereimt oder ungereimt ...)
Würde mich über rege Beteiligung freuen!
Verfasst: 09.04.2010, 13:57
von Niko
mein spiegel
bringt mich um
er kennt jede bewegung
kennt mein lachen
und weiß mit mir
besser umzugehen als ich
mein spiegel spürt
das nichts mich mehr
entwaffnet als
mir den spiegel
vorzuhalten
Verfasst: 09.04.2010, 18:32
von Zakkinen
Heut hab ich - endlich - zugeschlagen,
ich sehe Rot, es bricht die Wut
sich eine Bahn, mir platzt der Kragen,
auf Splitter, Scherben tropft mein Blut.
Verfasst: 09.04.2010, 19:15
von Renée Lomris
Minnesang von splittern und schlagen
Kopf, Hemd und Kragen, nie sollst du verzagen.
Es warnet dich Spiegelrot, singet von frühem Tod.
Von Zwitter und Scherben, von Träumen und Sterben.
Von Ritter- und Frauenwut, von heißer und kalter Glut!
Denn Licht und Gras, wie leicht bricht das!
Verfasst: 10.04.2010, 11:19
von Niko
So frühlingsblau
Es singt im Gras so frühlingsblau
ein Vogel früh im Morgentau.
Und mit gezieltem Schnabelhieb
fängt er sich einen Regenwurm.
Dann fliegt er zu dem nächsten Baum
und brüstet sich - man glaubt es kaum-
ob seiner Mordlustkünste.
Vor lauter Brüsten sah er nicht,
dass zu ihm hin die Katze schlich,
die mit gezieltem Sprung und Biss
nun ihrerseits den Vogel riss.
Sie machte nicht viel Federlesens
ob des Verzehrs des kleinen Wesens;
verließ den Tatort, schnurrte leise.
Hey.....piept da drüben nicht ´ne Meise?
.
Verfasst: 12.04.2010, 20:26
von Lisa
Einfach ein anderer / Getröstet bis heute
Wenn mein Liebster, mich nicht mehr
– was dann bloß?
Ich hatte die Ameisen immer gern als Kind
und es hätte mich getröstet bis heute,
hätte ich damals gewusst, wie alt sie werden können
(heute, wo ichs gelesen habe, hilft es nimmer mehr,
welcher Großmensch wagt schon den Glauben aufzubringen,
eine Königin kreuzte zweimal seinen Weg)
Die Frage, wer eigentlich den Sargträger zu Grabe trägt,
ist kein hochzuhaltendes Geheimnis,
das man zur Rettung vors Herz klemmt
Es kommt einfach ein anderer
Verfasst: 12.04.2010, 23:57
von Mucki
Es kommt immer eine andere Hoffnung
mal eine Brücke
von Betonpfeilern getragen
ich denk sie mir stark
mal zerbrechliche Strohhalme
Flügel eines Schmetterlings
ich denk sie mir dünn
mal eine feste Umarmung
oder trügerischer Glaube
mal Beginn eines festen Willens
Es kommt immer eine andere Hoffnung
Verfasst: 13.04.2010, 20:21
von Max
Dein Hoffen
ergiebig wie Sand
Schön sagst du
sei Coventry Cathedrale
und die Gedächtniskirche
blau blüht in den Wunden das Licht
Der Stumpf in mir
aber ist hässlich vernarbt
und dein Zimmer steht leer
Verfasst: 13.04.2010, 22:13
von ferdi
.
Nachts, so sagt man, ist's dunkel, und Tag ist, wenn es ganz hell ist -
Oder? Da gab's was, mit Licht, so ein Photonen-Gedöns...
.
Verfasst: 15.04.2010, 18:33
von Lisa
Nachts, da gab's Gedöns
das in den Wunden blühende Licht
macht nämlich ganz schön Lärm
um nichts.
Verfasst: 15.04.2010, 20:45
von Niko
wenn ein licht lärmt
und die wunden schön blühen
ist gegen nacht nichts
ein gedöns
Verfasst: 16.04.2010, 23:55
von Mucki
Schattensonne
dein Sieden
dein Licht
kennst keine Gnade
dringst durch jedes Glas
brennst mir
mein Schaufensterleben
es ist alles
Verfasst: 17.04.2010, 00:20
von Renée Lomris
Nachtschatten
Unter der Dunstglocke der großen Stadt
katzengraues Hitzeblech
kaum eingeschweißte Balustraden
um einen in Nächten brennenden Balkon
und darauf eine Fetthenne sedum.
Ich oft ein Schatten.
Vorher.
Verfasst: 17.04.2010, 21:32
von Lisa
ich oft ein schatten . die essenz des krähens
einen fetthahn wünsch ich mir, so fett,
dass er platt bis zur schattenlosigkeit am boden klebt
ich würde ihm sämtliche flüssigkeit aus dem kamm streicheln
sodann die essenz des krähens gewinnen
und sie mir an die stelle meines hinterkopfes träufeln,
die meinem mund genau gegenüberliegt
und nichts mehr sagen |. streichele die schatten
Verfasst: 18.04.2010, 13:03
von Xanthippe
Die Schatten streicheln
Die Schatten streicheln. Aus ihnen hervorgehen. Ihnen das Licht zurückgeben an dem sie sich verschluckt haben.
Das vermurkste Schweigen. Auch das kann es ja sein. Ein Wort zu viel, ein Imperativ zu wenig. Noch dazu an der falschen Stelle. Und schon ist der Traum zerplatzt, die Geschichte verpatzt, der Traum von der perfekten Geschichte ausgeträumt.
Also Erwachen. Im vermurksten Schweigen, im Schatten, hinter den Spiegeln. Außerhalb des Buchstabenwaldes. Frei, freiwillig. Eingestimmt auf die Vogelstimmen. Vielstimmig wie das Knistern der Äste, die sich vom Leben trennen und vom Laub, vergeblich in die Ferne greifen, ins nirgendwo. Hauptsache unerreichbar.
Und dann haben wir alles zerbrochen. Außer der Trauer.