Lyrischer Dialog

Hier ist Raum für gemeinsame unkommentierte Textfolgen
Nifl
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Beitragvon Nifl » 11.08.2006, 17:59

Liebe Schreibfanatiker,

ich möchte hier in diesem vitalen Forum einen "lyrischen Dialog" beginnen. Lyrische Dialoge sind kooperatives Schreiben, Gedichte, die (auf-)einander aufbauen. Das können inhaltliche Bezüge sein, oder es werden Worte des "Vorschreibers" aufgegriffen, oder man übernimmt einfach nur die Stimmung.
Hierdurch entstehen unkommentierte Gedichtfolgen. Die Form bleibt dem Autoren überlassen (zB. ob gereimt oder ungereimt ...)
Würde mich über rege Beteiligung freuen!

Bild
Zuletzt geändert von Nifl am 30.08.2006, 19:10, insgesamt 2-mal geändert.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 19.02.2011, 12:50

und wenn dann nicht mehr geglaubt wird
was man nie glauben durfte
trug es doch den pelz
gut sehr gut geschneidert

und wenn dann nicht mehr gehört wird
was man zu lang gehört hat
war doch die zunge gespalten
die aussprache klar sehr klar

und wenn dann die quelle sich zeigt
begrabt endlich die stirn im keim

Gerda

Beitragvon Gerda » 21.02.2011, 01:25

verschlossen unter dem deckmantel des schweigens

ruht vieles / aber nicht aus / schläft nur brüchig

verkleidet mit einem besatz aus lüge und arroganz

wehe/wenn/in/wilden mustern/fadenscheinig/ausgedünnt

risse sichtbar werden und wahrheit / entkleidet / durch/bricht

Herby

Beitragvon Herby » 25.02.2011, 21:12

ihre risse
waren tiefer
als ihr make-up
dick

Mucki
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Beitragvon Mucki » 25.02.2011, 23:01

als sie zum hobel griff,
meinte er:
es wird zeit,
dass du dein make-up ab machst

Gerda

Beitragvon Gerda » 27.02.2011, 12:02

Holzspäne fallen herab
- spitze ich den Stift an -
mir zwischen den Hosenbeinen hindurch

Trüge ich einen langen Rock
so würden sie aufgefangen

Worauf ich bloß achte –

Statt neu anzusetzen am Bild
das nur verschwommen noch erkennbar

Welch Unterfangen: Von Vorn
und doch kein Neuanfang ...

Niko

Beitragvon Niko » 27.02.2011, 12:25

als sie ihr make-up machte
meinte er
es wird zeit
das du zum hobel greifst

Mucki
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Beitragvon Mucki » 01.03.2011, 16:28

aufgespießt

sie hat gehobelt
es fielen späne
viele späne
die sie stachen

erneut hobelte sie
die späne zu glätten
es fielen noch mehr späne
bis es nichts mehr
zu hobeln gab

Nifl
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Beitragvon Nifl » 15.03.2011, 21:17

Sie umnähern sich wieder
kramen im großen Korb
wollen einander überlappen (am liebsten)
beinahe wie früher
weil es so gewesen sein könnte

Ein Fetzen Schön
an die Hand geklammert
zur Faust geformt
und sie werden sie niemals öffnen
weil sie grau geworden ist
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 15.03.2011, 22:28

grau-grau
in den farbtöpfen schliert
grauer lack
als fetzen getrocknet
unter pfützen gerührt
sein Geruch ist so laut

Mucki
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Beitragvon Mucki » 16.03.2011, 00:47

gerührt verschliert verziert
die mit linnen bespannte
so glatt der lack
spiegel aus blei
blei der spiegel
bleispiegelei

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 16.03.2011, 09:04


in deiner fäustegalerie – regenerierende energie

sie wachsen dir nach, sagst du. sammelst die abgestoßenen
(da spukt schon ein neues gesicht in den frischen
fingerspitzen, so fällt es dir leicht) und du reihst sie
auf den sichtbalken, den graulasierten, unter der decke

wenn jemand danach fragt, sagst du nur: "ach, die"
und winkst (manchmal zuckt dein abgewandtes
auge) und eine bildet sich ein, in dieser minute
eine hand legte sich um ihr herz und es schlug

irgendwann brauchst du sie, weißt nicht wie (brichst
die starre, die knochen, die haut blättert
flüchtig wie blattgold) du
baust auf ihre notizen, die dich wiegen, die dich lieben
aufs wort - und du liest zitternd den zettel
den sie hielt - weil sie dir abstirbt vor der zeit
und du noch keinen neuen namen weißt

Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

Nifl
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Beitragvon Nifl » 18.03.2011, 19:21

Die Großwildnamenjagd (Innenballistik)

Wenn Momente verschwitzen
Balken (weiß lasiert!) aus Köpfen wachsen
Täubchen unterm Dach gurren
fallen Schüsse (die Lehre von geworfenen Körpern)

steckt er sich blutige Federn ins Haar (pfeifend)
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

Gerda

Beitragvon Gerda » 19.03.2011, 14:20

Vampir

Feuchtes Gemäuer
geräuschvoll fallende Wassertropfen
Echo von Felswänden
Steinige Wege in geheimnisvolles Dunkel

Zarte Spinnweben kleben an Wänden
Ziehen Fäden kaum sichtbar
Zitternd wehen sie im Lufthauch

Fledermäuse jagen, machen fette Beute
Fern vom gedeckten Tisch und dem heimischen Herd
Flackert unwirklich unser Feuer färbt blutrot den Wein:
Es ist angerichtet.


©GJ2003/2009

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 19.03.2011, 23:39


wie südländisch nerven simulieren


halten wir eine wasserwaage an luftlinien
und betrachten die schwankende see
bis wir ineinanderliegen wie survival-besteck
(das messer werf ich zur seite)

schau nur: der mond ist nah wie nie, in diesem haus
zieht das lot nur in eine richtung - immer hin
(wasseradern, sagen sie, kein wunder
du kannst nicht schlafen) körnchen für wörtchen
ins richtige gefäß sortiert, müde, so müde

und ich denke an größenunterschiede
köpfe, zwei, und zeternde tauben
als schrot das dach durchsiebte (laternensterne)
- ein streifschuss – du leckst die wunde
my dear, I can still hear the flattering
in the sunny outdoor shower

riechst du die wilden zitronen?

Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)


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