Lyrischer Dialog

Hier ist Raum für gemeinsame unkommentierte Textfolgen
Nifl
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Beitragvon Nifl » 11.08.2006, 17:59

Liebe Schreibfanatiker,

ich möchte hier in diesem vitalen Forum einen "lyrischen Dialog" beginnen. Lyrische Dialoge sind kooperatives Schreiben, Gedichte, die (auf-)einander aufbauen. Das können inhaltliche Bezüge sein, oder es werden Worte des "Vorschreibers" aufgegriffen, oder man übernimmt einfach nur die Stimmung.
Hierdurch entstehen unkommentierte Gedichtfolgen. Die Form bleibt dem Autoren überlassen (zB. ob gereimt oder ungereimt ...)
Würde mich über rege Beteiligung freuen!

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Zuletzt geändert von Nifl am 30.08.2006, 19:10, insgesamt 2-mal geändert.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 10.08.2012, 16:29


wäre das leben
eine große welle
die sich auftürmt
und nicht bricht

stellte ich mich mitten hinein
schaute nach oben
schlundblick uuuuuuh
berührte die runden
wasserspitzen
holte tief luft und riefe
halt mal kurz

prägte mir ein
die gierigen wasseraugen
gäb ich ihnen futter
oder ergriffe ich die flucht

wilde tollwütige gedanken
türmten sich in mir auf
und ließen
die welle brechen

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birke
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Beitragvon birke » 10.08.2012, 17:35

.


bricht sich die welle
im zorn
trotz ich dem sturm
und schweige mich
über die haut
zu händen
durch die wildnis
spricht sich ein kuss

in stille
getaucht


.
tu etwas mond an das, was du schreibst. (jules renard)

https://versspruenge.wordpress.com/

Mucki
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Beitragvon Mucki » 10.08.2012, 23:11


ebbe und flut

bäumt sie sich vor zorn
trotzt er ihrem sturm
durch seine stille
lässt er sie verebben
und aus der haut fahren

Niko

Beitragvon Niko » 10.08.2012, 23:24

wer wagt sich an´s keimen
wer fragt nach dem weg
wer erkennt in der arbeit den lohn

selbstverständlich ist der kaffee to go
der neuwagen der eltern
man weiß nicht, man hat apps
die einsamkeit kommt durch die hintertür

es ändert sich nichts
es ist nur alles anders

damals wurde im krieg schnell vernichtet
heute richtet uns das klima konstant
was wiegt schwerer?

Gerda

Beitragvon Gerda » 10.08.2012, 23:24

gezeiten

gefühle kommen
gleich der flut
reißen an mir

springflut
sturmflut
überflutung
unterspülung

dammbruch -

ein bisschen ebbe
sonst wäre
es nicht auszuhalten

©GJ200404

Nifl
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Beitragvon Nifl » 12.08.2012, 19:45

Graue Zellen sind Pusteschlösser

Ich liege in der Wanne (weil sie von dir ist)
auf der Wiese (die Algen glitschen)
der Himmel starrt mich an (wie die Schwarzbunten)
schickt Wolkenherzen vorbei

Behalt' deinen Kitsch rufe ich
denke für mich in Blasen weiter
lege dir Luftworte hinein
(ja, das würdest du sagen)

dann bist du lebendig
und wir befeuern die Ballons
mit Meer und Blick
du und ich und ich und du (Poisel)
bis wir abheben
uhhhh sagst du
und ich keine Angst wir sind nicht
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

Mucki
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Beitragvon Mucki » 13.08.2012, 12:35


schau ich in die wolken
seh ich löcher
geisteraugen
herzig sind sie nicht
bewege ich wolken
mit meinen gedanken
oh ja das kann ich
schließe ich löcher
bis mich schäfchen
wolliglieb anschauen

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 15.08.2012, 14:40




und über den holunderblüten sind wir für uns wundertüten

beim letzten vorhergesagten sternenregen
(immer diese kleinen selbstbetrügereien
sicherheiten) spielte ich das wennspiel
und gewann (ein trostpflaster mit ogerohren
du murmeltierschnuppe alles erinnert mich
an dich) ich stand aufs treppchen (wackelig
dass es einer richten kann) an seiner kante
wuchert der holunder (über den stiegen wir auf
ja) und aus den fugen darunter roter mohn
der sich im wind nur verschwommen
fotografieren lässt - du
als hättest du gewartet um die vorsätze
(eingefahrenes heu) als winterfutter
den schwarzbunten hinunterzuwerfen
sie kauten sie für uns wieder und wir
reisten mitten in die geschichte ein
deine hand auf meinem rücken deine lippen
tauchen durch mich hindurch
als wäre ich luft oder du
kein wunder unter den füßen
steine und wolken am himmel
ein rascheln


Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

Mucki
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Beitragvon Mucki » 15.08.2012, 14:51


sternschnuppenwahrheiten

sie sagten sie voraus
hunderte sollten es werden
und ich sah eine einzige
sie huschte blitzschnell
von rechts nach links
(mein geolehrer würde mir
die ohren langziehen)
von rechts nach links
das ist ein zeichen
wünsch wünsch wünsch
halte mich fest daran
warte auf erfüllung
sternschnuppenwahrheiten
sind versprechen

Gerda

Beitragvon Gerda » 16.08.2012, 07:50

Sternschnuppen

Die Nacht ist lau, lädt ein um zu verweilen,
der Himmel hat ein Feuerwerk entfacht,
ein Silberregen fließt - ist’s Amor der da lacht?
Zum Greifen nah - entfernt Millionen Meilen?

Kein Auge hab ich bisher zugemacht,
will mit dem Brief an dich mich jetzt beeilen,
deswegen gibt es auch nur ein paar Zeilen,
möglich, dass du gerade bist erwacht ...

... dann sieh hinaus, was diese Sterne treiben,
fast bühnenreif ihr Auftritt mir erscheint,
wie sich die Schnuppen aneinander reiben.

Ja, schwelgen muss ich und darüber schreiben,
gerade haben zwei sich regelrecht vereint
um nach dem Flug am Boden zu verbleiben.

©GJ2004/2012

Mucki
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Beitragvon Mucki » 16.08.2012, 14:38


schnuppe

bin ich robbe
oder seehund
robbe mich durch den tag
wälze steine vor mir her
denken nicht daran
sich zu verkrümeln
ist doch schnuppe
vielleicht
bin ich morgen seehund

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Eule
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Beitragvon Eule » 18.08.2012, 10:16

Seehundsuhle im
Beifang der langen
Dünung hier

weht unser Wind
zum Hellespont

vergiss nicht den
Zaubersand der Freiheit
in all den Wunden
Ein Klang zum Sprachspiel.

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 21.08.2012, 08:09

wunderung

in all den wunden
suche ich mich
und finde - natürlich -
nur meine wunde

die menschen sind dort
verschwunden
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Xanthippe
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Beitragvon Xanthippe » 21.08.2012, 09:30

Die verwundete Stille rauscht vorbei
meine Weigerung nachzudenken vernarbt
(eine Narbe ist eine zu schnell
zusammengewachsene Wunde)
Eine Wunde ist die Öffnung
in der ich mich suche
bevor die Zeit alles heilt
und nur Narben hinterlässt


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