Lyrischer Dialog

Hier ist Raum für gemeinsame unkommentierte Textfolgen
Nifl
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Beitragvon Nifl » 11.08.2006, 17:59

Liebe Schreibfanatiker,

ich möchte hier in diesem vitalen Forum einen "lyrischen Dialog" beginnen. Lyrische Dialoge sind kooperatives Schreiben, Gedichte, die (auf-)einander aufbauen. Das können inhaltliche Bezüge sein, oder es werden Worte des "Vorschreibers" aufgegriffen, oder man übernimmt einfach nur die Stimmung.
Hierdurch entstehen unkommentierte Gedichtfolgen. Die Form bleibt dem Autoren überlassen (zB. ob gereimt oder ungereimt ...)
Würde mich über rege Beteiligung freuen!

Bild
Zuletzt geändert von Nifl am 30.08.2006, 19:10, insgesamt 2-mal geändert.

Gerda

Beitragvon Gerda » 21.08.2012, 09:34

verwundet

mich sicher wähnen
im vergessen ist illusion

brichst du wunderwas
jählings in meinen Tag
ist nichts überwunden

©GJ20100603

ecb

Beitragvon ecb » 21.08.2012, 11:56

so lange schon nachleben.
und immer noch heut –

niemand muß wissen,
daß wer nicht da ist.

nichts sagen. alles wird sich von selbst
ergeben. sie werden nichts vermissen.

Niko

Beitragvon Niko » 21.08.2012, 15:32

das nachleben ist neonfrei
und porentief
an anderen stellen
gräbt sich aus
was unterirdisch
konserviert in winterstarre harrte

nachleben
ein nachbeben ohne nachtleben

Mucki
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Beitragvon Mucki » 21.08.2012, 17:25


manchmal muss ich barfuß gehen

fahre ich zärtlich über alte narben
sprechen sie leise zu mir
erzählen vom früheren reißen
weiße zickzackstriemen
über meinen adern
machen mir bewusst
wie hart wunden sich schließen
manchmal muss ich barfuß gehen
das reißen noch einmal leben
im inneren noch einmal wühlen
mich noch einmal verlaufen
den striemenweg fühlen
ins gestern wagen
um heute zu sehen

Gerda

Beitragvon Gerda » 28.08.2012, 02:49

Der Schmerz ist steinalt
gleich Kieseln im Meer.
Wenn Wellen nahen,
Wasser Narben aufreißt,
Salz in frische Wunden spült,
wird Erinnern zum Schmerz.

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 28.08.2012, 22:21


von abgelaufenen mullbinden
und anderen dummheiten



grannen wandern unter der haut
oder war es der gedanke an ein frauenhaar
dasswas sich daran alles entzünden kann
sie schüttelt den kopf
erst zaghaft dann heiser
schlägt sie von seite zu seite
die heliumgefüllten herzen
(ach du dummding du
das ist ein jämmerlicher
versuch einer besänftigung
sei sicher: sie atmen
und sehen es!
davon könntest du
mit ihm zwischen den sternen
schwimmen) dummding sagt: du
und keineiner lacht
über ihre mausige stimme
oder ihren schiefen kleinen finger
warum schöpft sie sich nur
was sie nicht essen kann
das lächeln eines leguans
ihr laufen die augen über
zu einer szene aus einem ihrer liebsten
romane sie beißt sich zusammen
bis sie die erinnerung
an den haustürschlüssel
ihrer kindheit schmeckt
betaisadonna!
hilft es das honigwort
zu schreiben nein
man müsste es
in die kniekehlen
flüstern

Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

Mucki
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Beitragvon Mucki » 02.09.2012, 23:30


bis sie es laut sagen darf

jeden tag betet sie
das honigwort
beschwört das gute
herbei herbei herbei

immer zu sich selbst
nur in gedanken gedanken
die bösen zu zähmen
laut würde sie
die wütenden wecken

jeden tag streichelt sie
ihre zungen fort
stutzt ihre zähne stumpf

immer zu sich selbst
das honigwort
das honigwort
bis sie es laut sagen darf

Gerda

Beitragvon Gerda » 03.09.2012, 03:22

Vielleicht sind wir Zeit-Akrobaten?
Jonglieren, mit den Jahren, in denen
wir, gemeinsam nicht zu Hause waren,
werden wir indes nicht. Es zählt das Jetzt.

Der Sommerwind zart, voller Milde,
wechselt, nun deutlich kühler schon.
Doch mischen wir den Herbst mit
unsren frischen Farben trotzig auf.

©GJ20120901

Das Kunstwerk Ernst Ludwig Kirchners:Akrobatenpaar hat mich inspiriert.

http://www.google.de/imgres?imgurl=http ... A&dur=1068

pjesma

Beitragvon pjesma » 03.09.2012, 16:42

römische nase

hach
wir basteln uns mal eine romantische liebe
um die römische nase herum
was heißt wir
ich
ich male mir nach zahlen
aus purer langeweile
heute nachmittag
morgen nach dem frühstück, vielleicht
wie unter oben
genannter nase
nur richtiges gesäusel
in mein ohr
strömt
wir basteln uns eine gänsehaut
ein gezittere
was heißt wir
ich,
dumme pute

Mucki
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Beitragvon Mucki » 03.09.2012, 19:36


gänsehautmoment

ich sitze am tisch
und denke
du kannst ihn jetzt anmachen
er sagt
ich komme

Niko

Beitragvon Niko » 03.09.2012, 22:41

auf deinen apfellippen
liegt kein segen
hinter all der röte
liegt ein kern
den du nicht preisgibst

Gerda

Beitragvon Gerda » 04.09.2012, 06:15

Um keinen Preis der Welt

Soll ich bei jedem schwarzen Auto weiterhin erbeben?
Die Leidenschaft der Küsse immer neu erleben?
Mich an dich klammern obwohl nichts mich hält?
Nein! Und noch Mal: Nein!, um keinen Preis der Welt.

… gleichwohl, es liegt dein Zauber
wie ein Schleier über meinem Denken,
kämst du zurück –
ich wäre jederzeit bereit doch einzulenken…
©GJ2002/2006

ecb

Beitragvon ecb » 04.09.2012, 20:55

und fordere den zauber ein
den jungen, unverstellten blick
auf liegendes, auf wachsendes land
geh den gläsernen berg hinan
in dem, nach katastrophalem geschehn
unser bild für immer eingeschlossen liegt

Mucki
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Beitragvon Mucki » 05.09.2012, 17:15


manchmal liegt ein zauberchen

im frisch geschnittenen haar
das seidig glänzt und duftet
im wohl gefüllten bauch
mit erdbeerbiscuitschnitte

manchmal liegt ein zauberchen
in dem was ich mir gönne


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