Prosalog

Hier ist Raum für gemeinsame unkommentierte Textfolgen
Nifl
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Beitragvon Nifl » 23.07.2007, 18:09

Bild
Foto A.P. Sandor et moi


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Hier handelt es sich um einen Faden, in dem ihr euch prosaisch zurücklehnen könnt. Lasst euren Gedanken freien Lauf. Erzählt von euren Träumen, eurem Ärger, euren Problemen, euren Sehnsüchten, euren Beobachtungen, euren Wünschen, euren Phantasien, euren Ideen, eurem Kummer, eurer Wut, eurem Tag, euren Spinnereien … "Die Wahrheit" spielt dabei selbstverständlich keine Rolle.
Fühlt euch frei.

Lasst euch von bereits verfassten Texten inspirieren, greift das Thema auf, oder schreibt einfach "frei Schnauze"… alles ist erlaubt.

Ich bin gespannt!




Kleingedrucktes:

Damit eure Kostbarkeiten behütet bleiben, müssen folgende Regeln beachtet werden:

Bitte keine Kommentare
Keine direkten Antworten (zB. Gratulationen, Beileidsbekundungen, Nachfragen etc.)
Keine Diskussionen
Kein Smalltalk oder Talk überhaupt

Geht immer davon aus, dass alle Texte Fiktion sind.



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Zuletzt geändert von Nifl am 04.08.2007, 09:08, insgesamt 1-mal geändert.
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

Nicole

Beitragvon Nicole » 19.03.2008, 12:54

Der Luft wird schon weicher. Mein Frühling kommt. Unweigerlich. Unaufhaltsam. So unaufhaltsam, wie Dein Winter sich schlafen legen wird.
Manchmal, wenn ich die Augen schließe, bin ich ganz in Deiner Nähe. Sitze im Schutz einer Düne, die Zehen tief in den Sand gegraben. Bin sicher. Du wirst mich nicht bemerken. Ich sehe die Spuren, die Du im Sand hinterlässt, auch wenn die nächste Welle sie bereits wegwischt.
Weißt Du, Sunshine, manche Wunden brauchen lange. Vor allem, wenn man immer wieder zulässt, das jemand den Schorf abzieht. Und es wieder anfängt zu bluten. Diese Art Wunden hinterlassen eine Narbe. Aber auch diese Wunden heilen. Ganz sicher. Sie brauchen nur eine Weile.
Und ich bleib hier sitzen und geb’ acht. Warte auf das Lächeln, das dort beginnen wird, wo jetzt noch der Schmerz ist.

lagunkel

Beitragvon lagunkel » 19.03.2008, 22:20

Ich vertrage keinen Alkohol. Was mir bleibt, um mich zu betäuben, sind bittere Blumen, in den schönsten Farben, schmecken grauenvoll. Ich habe mal deine Worte gekaut, so lange, bis meine Speichelenzyme es schafften sie in Zucker umzuwandeln. Die unaufbereitbaren Reste habe ich einfach ausgespuckt. Wenn du jetzt was sagst fällt es mir direkt in den Magen und wird verdaut, ungekaut, ich habe genug Säure - die bitteren Blumen haben mich so resistent gemacht. Morgen vertrage ich auch wieder Alkohol.

Klara
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Beitragvon Klara » 20.03.2008, 01:19

meine toten

wenn du ehrlich bist, ist es egal, ob du sex hast. „im grunde“, wie man so schön sagt. tiefsinnig flachschürfend, wunden präsentierend, als wären es kriegsverletzungen. in wirklichkeit sind es nicht mal reize, ritze in die haut, die man gar nicht spürt, wenn man ehrlich ist. (ich habe vergessen, wie das ist ohne das hinterherdenken. oder wusste ich es nie. was wäre besser. oder schlimmer.) in wirklichkeit ist es nicht egal, aber später schon.

lachen und weinen zu jeglicher stunde ach liebchen, ach lieb.

meine toten ruhen nicht, auf keinem grund.

die tasche, die ich nicht öffnen. das leben, das ich nicht führen, die bücher die ich nicht schreiben werde.
die mutter, die ich nicht geben kann.
die zeit, die nicht kommt.

der moment zählt immer erst danach, und dann rechnet man zu viel, um gerecht zu sein, ein leben lang.

die kinder, die ich nicht geboren habe, liegen wach und schreien nach mir.

Louisa

Beitragvon Louisa » 20.03.2008, 08:50

Meine Toten sterben nicht, solange ich lebe - und wenn es nur der Hauch eines Satzes ist, zum Beispiel: "Hier hat deine Tante früher gewohnt." ...

Sie wollen einfach nicht sterben! Sie spuken beständig in mein Leben hinein, als hielten sie noch ein paar Fäden in der Hand, die meine Füße auf den nächsten Tag stellen.

Ich frage mich welche Dinge die Nachlebenden später von uns mitnehmen werden. Unseren Wohnort, unser Lieblingsessen, unsere Wutausbrüche, unsere Lieblingsfernsehserien...

...und umso länger ich darüber nachdenke, desto einleuchtender erscheint mir, dass sie das mitnehmen werden, was nur uns gehörte, besonders die Verrücktheiten. Die Verrücktheiten sind dominant.

Meine Oma hat vor ihrem Tod jeden Besucher im Krankenhaus mit ihrer Krücke verprügelt.
Meine Tante hat sich in Sibirien ein einsames Haus im Schnee gekauft und sich zu Tode gesoffen.
Mein Opa hat drei Monate geschwiegen, weil eine Verbindungstür offen stand.
Meine Mutter hat alle drei Wochen damit gedroht mit Tellern zu werfen und es alle sechs Wochen getan.
Meine Großtante hat mir auf Grund von Schwerhörigkeit und Alzheimer immer wieder dieselbe Geschichte ins Ohr gebrüllt: "Der Horst hat die Zwetschgen aus dem Kuchen geklaut und dann hatten wir einen Ztwetschgenkuchen ohne Zwetschgen! OHNE ZWETSCHGEN!"
Mein zweiter Opa hatte zwei Familien, die sich nicht kannten und war gleichzeitig Pfarrer. Als er eines Tages im Zug umbegracht wurde, schrieb die BILD auf die Titelseite: "Toter Pfarrer rast durch Berlin"

Das ist ein Bruchteil aller Verrücktheiten, die einfach nicht sterben wollen. Sie leben immer weiter und spuken in meine Gegenwart, in meinen Alltag, in meine Zukunft hinein.

Was hilft mir das? Ich überlegte mir, dass es also raffiniert wäre selbst übermäßig viele Verrücktheiten zu begehen und anzusammeln, damit sie allesamt fortleben können. Es wäre doch schade, wenn wir sie unterdrücken...

Mucki
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Beitragvon Mucki » 22.03.2008, 23:36

H.H.
Warum lässt mich dieser Film über ihn nicht los. Er, der so schonungslos geblitzwittert wurde, selbst durch die zerbrochenen Scherben lief, unsicher, teuflische Angst in den Augen, kurz davor, jeden Augenblick zusammenzubrechen, und doch immer wieder aufstand, hat doch rein gar nichts mit mir zu tun. Ein Genius, ein Fanatiker und Fantast, reich und doch unsagbar arm. Allein inmitten Tausender. Getrieben von Gespinsten, gequält durch Zwänge, umjubelt, geächtet, umjubelt von aller Welt. Immer wieder Rückzug, sein einziger Weg heraus aus dem Übel. Auch im Refugium umzingelt vom Wahn seines Geistes, riss ihn seine Leidenschaft heraus, um in ihr schlussendlich zu sterben. Was also ist es, das mich nicht loslässt. Die Tragödie eines von Anfang an zum Leiden verurteilten Lebens, das dennoch 71 Jahre währte? Seine Hilflosigkeit, sein ewiger Kampf, ganz oben, ganz unten, ganz oben, zu weit oben. Diese erschreckende Schwarz-Weiß-Welt, die er selbst kreierte und ihr gerade deshalb zum Opfer fiel? Ja, ich glaube, das ist der Grund.

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 25.03.2008, 10:40

Vorhaben, das die Umgebung durchdringt / Kein Ort für die Tat übrig

Heute im Traum, der die Schuldfrage klären sollte, stand ich am Fenster und warf ein altes Stück Brot in die Büsche. Es war mit Geschenkband umbunden, ich fühlte mich schlecht dafür, dass ich es dort in die Büsche geworfen hatte und fürchtete daher, mich könnte jemand dabei gesehen haben.
Beim raschelnden Aufprall stiegen fünf Wespen in die Höhe und ich ahnte: ich hatte das Brot in ein Wespennest geworfen. ich konnte die Fensterflügel gerade noch schließen, bevor eine von ihnen durchs Fenster drang, die anderen standen in der Luft und hatten noch nicht ausgemacht, wer der Feind war.
Da dachte ich, dass es für Leute gefährlich würde, die auf dem Weg die Büsche passierten und da stiegen noch mehr Wespen auf und da kamen auch Leute, eine Menge Leute und die Wespen hatten ausgemacht, wer der Feind war und stürzten sich in ihr Haar, das brannte von den Wespen wie der letzte Sonnenuntergang. Die Gesichter der Leute, ich weiß nicht, ob sie mich sahen, aber sie schauten mich durch das Fenster und ich nahm mir vor, das einzig richtige konnte nun sein, dass ich zugab, dass ich es war, die das Brot in die Büsche geworfen hatte und so die Wespen aufgeschreckt hatte, dass sie die anderen verletzten. Dass ich das allen erzählen wollte.

Doch bevor ich losgehen konnte, kamen Kinder zu Besuch, die keine mehr waren, und die wussten schon, dass ich das mit dem Brot gewesen war.

(Sie kamen herein.
Ich sagte: Das war ich, mit dem Brot."
"Wir wissen, dass du es warst", sagten sie)
Zuletzt geändert von Lisa am 05.04.2008, 13:54, insgesamt 1-mal geändert.
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Max

Beitragvon Max » 01.04.2008, 19:23

Die ungeträumten Träume verändern den wachen Blick. Die viel zu kurzen Nächte.

Wieder einmal erwache ich früh. Der Wecker zeigt viertel vor fünf. Ich weiß, ich werde nicht mehr schlafen können. Unrasiert begebe ich mir über das Kopfsteinpflaster zur Domplatte. Hier ist um diese Uhrzeit kein Mensch. Keine Laterne brennt. Ich setze mich auf ein Mäuerchen und bemitleide mich.

Eine halbe Stunde später, um halb sechs kommt ein Transporter, dann noch einer. Händler bauen den Markt auf. Es dämmert. In meiner Nähe entsteht ein Blumenstand. Daneben stapelt jemand Blumenkohl. Zwischen einem grünen Haarkranz zeigen die Köpfe ihre schneeweißen Schädel. Sie sehen seltsam appetitlich aus. Ich mag keinen Blumenkohl.

Ich wünschte, ich würde rauchen. Am anderen Ende des Marktes öffnet der erste Kaffeestand. Ich gebe einen Münze über die Theke und erhalte einen Plastikbecher. Der Kaffee dampft und ich kann den Becher kaum halten. Das Getränk verbrennt mir die Zunge. Ich blase. Am Rande des Doms schimmert die erste Sonne rot.

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 01.04.2008, 22:48

Es ist so traurig, wenn der Kloß am nächsten Morgen beim Aufwachen noch in der Kehle steckt. Wie eine Flut schwappt alles wieder in den Tag hinein; da war kein Traum, der das aufgesogen hat in seine Dunkelheit, ins Nichts.

Und nichts bleibt übrig, als den Tag zu begehen. Am Küchenfenster singt die erste Amsel, der Kaffee ist schwarz und stark, die Magnolie zeigt fette Blütenballen. Zum Reinbeißen schön. Es wird weitergehen. Trotz aller Verletzung.
Schreiben ist atmen

Mucki
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Beitragvon Mucki » 02.04.2008, 16:03

Einen Schritt weiter

Die Wand fühlt sich glitschig an und heiß. Das hatte ich vergessen. Schnell nehme ich meine Hand wieder weg. Doch wo soll ich mich festhalten? Der Boden ist uneben. Ich stolpere über runde Schatten mit dunklen, kleinen Höhlen darin, höre es knacken bei jedem Schritt, als liefe ich über Scherben, doch es sind keine Scherben. Ich wage den Blick nach unten nicht, weil ich weiß, was sich da unter meinen Füßen befindet. Ja, guckt nur, ihr erschreckt mich nicht. Jedenfalls nicht mehr, aber ansehen will ich euch auch nicht. Barfuß gehe ich vorsichtig weiter. Dieses Mal bezwinge ich dich, und wenn es mich noch so viel Kraft kostet. Ich kann nicht immer wieder an dieser Stelle umkehren oder schlimmer, stillstehen. Nein, diesmal nicht. Nach einer Ewigkeit, war es eine Ewigkeit oder eine Sekunde, stehe ich erneut vor dieser Tür. Ich klopfe nicht, zögere nicht. Mit einem quietschenden Ruck reiße ich sie auf und sehe, was ich wohl endlich sehen muss ...

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 07.04.2008, 10:56

[align=right]Der Zauberer verrät nur deshalb nicht seine Kunststücke, weil er so nicht wissen muss, dass du weißt, dass es nur ein Kunststück ist. (So wie wir es mit unseren Träumen machen, mit unseren Tagen). Ich weiß nicht, ob man sich aussuchen kann, ob man ein Mensch oder ein Zauberer ist, aber es wird wohl auch keinen Unterschied machen[/align]

Ich kam ins Zimmer des sterbenden Professors, als ich ihm ins Gesicht sah, sah ich ihn eben damit sterben. Die unteren Lider waren erschlafft und man sah Rotes wie bei Bluthunden, dann färbte sich das Gesicht so weiß wie das bemalte Gesicht einer Pantomime und so langsam (angstversetzt), wie ein Fisch errötet, wenn er im Schwarm erschrickt und wendet. Seine Frau bereitete in der Küche das Essen zu und sagte unentwegt nur 'Ja, so ist es'. Warum ich das hören konnte? Manchmal war ich auch bei ihr in der Küche, ich glaube, wenn ich durch das Fenster im Zimmer des Professors nach draußen sah, war es möglich. Mit einem goldenen Kugelschreiber schrieb der Professor noch in die Luft: 'Hiermit erlaube ich, dass mein Geschäftspartner das Unternehmen nach meinem Ableben weiterführt' und setzte seinen Namen darunter. Ich nahm den Stift an mich und legte ihn auf den Sekretär, wo eine gelbe Plastikindianerfigur stand, von der ich wusste, dass sie sich wie Spielzeug in der Nacht in eine andere Haltung gerückt hatte, obwohl ich sie nie zuvor gesehen hatte. Vielleicht konnte sie es, weil sie aus Plastik war und ihr der Pfeil fehlte. Das machte sie flüssig genug und weinen, das blieb ihr ja nicht. Der Traum brachte den Tod des Professors nicht zustande, wie Träume fast alle Tode nicht zustande bringen. Er starb nur und starb und starb und ich sah ihm in sein weißendes Gesicht.
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

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Zefira
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Beitragvon Zefira » 07.04.2008, 12:59

Ich bin dem Hund begegnet. Es war gute drei Wegstunden außerhalb des letzten bewohnten Orts, auf der Höhe der Levada. Ich hatte Sonnenbrand auf der Nase und Schlammspritzer auf der Hose. Der Levadeiro, kenntlich an dem zwei Meter langen eisenbeschlagenen Stock, geht leichtfüßig mit lächelnder Miene voraus; ihm folgt in fünfzehn Meter Abstand der Hund, quälend langsam, mit hängendem Kopf. Er sieht aus wie ein Schäferhund, aber mit blondem Fell. Der Levadeiro lächelt, als ich fragend auf den Hund blicke, und zeigt erst alle zehn, dann sechs gespreizte Finger - sechzehn Jahre alt ist der Hund. Der Hund bleibt vor mir stehen, ohne den Kopf zu heben; er schnuppert nicht an meiner ausgestreckten Hand. Drei Stunden muss er bereits gelaufen sein. Was macht der Mann, wenn ihm der Hund hier, auf dem halbmeterbreiten Levadamäuerchen mit gut dreißig Meter Absturz daneben, schlapp oder tot umsinkt? Trägt er ihn auf den Schultern heimwärts? Oder lässt er ihn in den Abgrund fallen? Der Mann lächelt, als ich mich bücke und dem Hund das dicke blonde Brustfell kraule. "Du schaffst das schon, du schaffst das", flüstere ich dem Hund zu, ohne zu wissen was.
Vor der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.

(Ikkyu Sojun)

Mucki
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Beitragvon Mucki » 08.04.2008, 17:44

Ein Schritt rückwärts = ein Schritt vorwärts.

Hört sich das paradox an? Nicht für mich. Lasse ich mein Leben revue passieren, wird mir klar, dass dies meiner Wahrheit entspricht.
Vor allem, wenn es um die 'vermeintlich' besonders großen Schritte nach vorn geht: die Sprünge über meinen eigenen Schatten, wider dem Bauchgefühl, aber der Vernunft folgend (und vieler guter Ratschläge anderer). Alle erwiesen sich als derbe Rückschläge und warfen mich um Meilen zurück. Ich wünschte, die Zeit zurückdrehen und bei sämtlichen Schattensprung-Schritten den Rückwärtsgang einlegen zu können. Dann, und nur dann, wäre ich tatsächlich vorwärts gegangen.

Max

Beitragvon Max » 08.04.2008, 20:32

Er war kein Mittelstreckenläufer. Die Selbtüberwindung, das Weiterlaufen, wenn das Seitenstechen einsetzt, lag ihm nicht.

Klar wurde ihm das, nachdem er einem kompletten Jahrgang das Sportabzeichen verdorben hatte. Souverän hatte er sich an die Spitze des 1000-Meterlaufes gesetzt. Die anderen waren im Vertauen auf sein Tempogefühl hinter ihm hergetrottet. Als der Sportlehrer nach knapp mehr als einer Runde brüllte: "Beeilt Euch, Ihr seid schon drei Minuten unterwegs!" war es schon zu spät. Niemandem war es gelungen die verbleibenden 500 Meter in weniger als 90 Sekunden zu laufen. In dem Jahr fiel die Verteilung der Sportabzeichen für den Leichtathletikkurs aus.

Nicole

Beitragvon Nicole » 10.04.2008, 17:35

Keinen Schritt will sie tun. Nicht groß, nicht klein, weder vor, noch zurück. Auch keinen kleinen Trippeler zur Seite. Losgelöst auf einer kleinen Plattform, schwebend. Was jenseits der Plattform ist, kann sie nicht erkennen. Ist es ein Abgrund, eine bodenlose Schlucht? Oder ist irgendwo doch ein Drahtseil für glückliche Walzerschritte? Rufe von den Seiten "hierher, hier ist es richtig!" "komm hier herüber, hier ist der Weg!" Sie rührt sich nicht, orientierungslos steht sie, wie aus Sand gemeißelt. Auch wenn sie die Augen schließt, ist nichts zu erkennen, keine Wegweiser, keine Sicherungsleine, keine tragende Hand. Der Instinkt schweigt, wabert in spöttische Wellen um sie herum. Schließlich beginnt sie, sich um die eigene Achse zu drehen. Langsam zunächst, dann immer schneller. Irgendwann wird sie das Gleichgewicht verlieren, wird straucheln und fallen. Fast wünscht sie sich den Abgrund, schwebender Fall, einmal noch fliegen. Und dann zerschellen in tausend Teile.


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