Lyrischer Dialog

Hier ist Raum für gemeinsame unkommentierte Textfolgen
Nifl
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Beitragvon Nifl » 11.08.2006, 17:59

Liebe Schreibfanatiker,

ich möchte hier in diesem vitalen Forum einen "lyrischen Dialog" beginnen. Lyrische Dialoge sind kooperatives Schreiben, Gedichte, die (auf-)einander aufbauen. Das können inhaltliche Bezüge sein, oder es werden Worte des "Vorschreibers" aufgegriffen, oder man übernimmt einfach nur die Stimmung.
Hierdurch entstehen unkommentierte Gedichtfolgen. Die Form bleibt dem Autoren überlassen (zB. ob gereimt oder ungereimt ...)
Würde mich über rege Beteiligung freuen!

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Zuletzt geändert von Nifl am 30.08.2006, 19:10, insgesamt 2-mal geändert.

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 16.12.2012, 10:28



gott murmelt
die löcher sind weiß

früher hatte er ein Zauberwort dafür, aber es fiel ihm nicht mehr ein

er war sich gar nicht mehr so sicher, wer wessen Gefangener war


du findest die zeilen wieder und schluckst
(da stehen wir nun
spinnweben vor den augen
und sehen das gleiche an
und alles was ich denken kann:
langsam schiebt sich meine hand
in deine) bis die lichter sich dimmen nur
damit das drehen aufhört
die tiere sich beruhigen
sinken wir auf den boden
die wand im rücken (spürst du
unter unseren fingern die scherben
der steine und zuckst nicht zurück
und pulst sie nicht heraus) (wozu auch) (immer
diese fragezeichen) es ist wie es ist einfach (gott weiß
was das bedeutet) an der verwunderung zu leben lass uns
das wasser trinken (schnapszahlen flüstern
als wären es rettungsringe)
wenn du dich schneidest
dann am schillern

Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

Xanthippe
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Beitragvon Xanthippe » 18.12.2012, 14:28

wir sind die gefangenen unserer beruhigung
eine hand in einer hand
ein zauberwort auf den lippen
und der mut es nicht auszusprechen
den glauben im rücken
und trotzdem vorwärts gehen
irgendwohin als wäre das ein ziel
flüsternd den blick in die weißen löcher bohren
den schnee suchen
und etwas längst vergessenes finden

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nera
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Beitragvon nera » 19.12.2012, 01:08

wir fangen uns selbst
sehnen uns nach ruhe
von unserem sehnen
reden uns gut

nein, heute rolle ich mir
den schnee zum teppich
kleide mich
mit nadeln
-oh tannenbaum-
ganz in grün
kugeln an den ohren und um
den hals
eine krone aus leds
(das nest für deine krähe)
dass deine augen sich nicht veriirren
in dem eleganten pappelsilber
eichenocker
dann tanze ich dir
ein ständchen
bis die kugeln klirren
und die krähe flieht
(sie kommt wieder, wie gut)
die sterne lachen

wir schieben die sätze zwischen
unsere zweifel
jonglieren mit dogmen
lachenden sternen

ganz nüchtern
(Und wann immmer ich meinen Namen in Ihren Mund schreibe, begreife ich den Ausdruck " treffendes Wort")
grossman lesen


wenn du nicht da bist
zeichne ich die eisblumen
im treibhaus nach
signiere sie
mit deinem namen
säe

Mucki
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Beitragvon Mucki » 19.12.2012, 16:08


manchmal rede ich
mir die welt schön
und manchmal bin ich ein kügelchen
das sich vom wind rollen lässt

Xanthippe
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Beitragvon Xanthippe » 22.12.2012, 16:30

gut und schön geredet
(waidwunde lippen)
fesseln wir das wort
und fliehen in die stille

Mucki
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Beitragvon Mucki » 24.12.2012, 16:53


auf der flucht

täglich vor ihnen fliehen
neun an der zahl
doch die sucht
die verfluchte sucht
findet immer den blick
den versehrt verzerrten
zerschlagen! alle neun
und fliehen

selten schleichen sich
wahre augen hinein
und sehen
was sie nicht sehen wollen
und fliehen sich zurück
ins versehrt verzerrte

Xanthippe
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Beitragvon Xanthippe » 24.12.2012, 20:49

es ist einfach sich anzusehen
mit geschlossenen augen
(die augen der schlüssel sagt man)
alles wird sichtbar
was dem blick entflieht
(das offene im geschlossenen)

als ich das erste mal
mein gesicht im spiegel erkannte
das war mein erster tod
die vertreibung aus dem paradies
und trotzdem habe ich mich wieder erkannt
(immer wieder)
und suche mein verlorenes ich
hinter geschlossenen augen

Nifl
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Beitragvon Nifl » 27.12.2012, 10:38

Irgendwann blieb der Graben einfach (das weißt du gar nicht mehr)
(er trennt mich)
Mein Big Jim Rennboot verfing sich an einem toten Reh (in der Aue)
(das war meine Kindheit)
Ein Spiegel schweigt bis man ihn zertrümmert (Maßregelungsschweigen)
dahinter auch nur Bleistiftkreuze (mit Glück ein Rand)
Ich würde so gerne auf verschneiten Dielen laufen
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

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Eule
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Beitragvon Eule » 28.12.2012, 14:00

Rauhnacht


Von den Bergen kommen
- ich kann sie hören -

polternd die Wolkenwand
und den Sattel hinab

quer über die Wege manchmal
mit Steigeisen und eiserner Lunge
den Eisrechen schwingend

drei Tage noch dann
lockern sie auf.
Ein Klang zum Sprachspiel.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 28.12.2012, 16:29


was da schwingt im wind
in meinen ohren singt
das ist so wahres
sich im glauben wiegen
hexen geister elfen leben
kehren ein
nicht nur zwölf nächte lang

Xanthippe
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Beitragvon Xanthippe » 28.12.2012, 17:45

zwölf nächte lang schweigt der wind
die wahrheit ist ein kartenhaus
das dem gestundeten wissen standhält
eine zeitlang
wenn der wind schweigt
im glauben
an eine zukunft
deren bausteine bunt bedruckt sind
mit zahlen und bildern
die keiner zu deuten weiß

ecb

Beitragvon ecb » 29.12.2012, 22:10

wer stellte dich an diese dunkle see,
die eintönig schlägt und und übergeht
in aufgetürmte himmel.

dort stehst du am rand auf irrlichtem strand,
der nichts von dem ahnt, was er widergibt,
und schaust hinaus ... abgewandt.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 30.12.2012, 17:13


nie fragte ich dich

großvater, sag
bist du der grund
des dunklen sees

sehe dich
mit deinem weiß wallenden haar
grübelnd über den blättern
deine miene spricht
deine finger zögern
blätter rascheln zu boden
knüllberge und dein fluchen

sitze hinter dir
möchte dich fragen
deine stirn faltet sich
ich schweige
verlasse den ort der quelle

hätte ich dich doch gefragt

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 03.01.2013, 14:55



wenn du es nicht warst (knüllberge)

die spuren im verschneiten flur sprechen
(papperlapapp) für unsere füße du wirbelst
die ersten flocken des neuen jahres
in meine hände (schmelzen) das ist erwachsensein
klammern und indizien (knüllberge) wenn wir das haus verlassen
schlagen wir die krägen hoch und tragen das grün der tür
als gecko in unseren manteltaschen (manchmal flitzt er uns
mitten am tag über die lippen als wollte er in den falten
jagen) wer furchte den graben (der vater die geliebten die jahre)
und mit welchem wort beatmest du das reh (junge ... es ist tot)

zeichne ein gesicht aus der erinnerung
bleistiftkreuze als augen (spiegelfechtereien)
ein mund muss rot sein und lachen sagt das kind
du reduzierst auf das wesentliche
schraffierst keine schatten

Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)


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