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Lyrischer Dialog
Verfasst: 11.08.2006, 17:59
von Nifl
Liebe Schreibfanatiker,
ich möchte hier in diesem vitalen Forum einen "lyrischen Dialog" beginnen. Lyrische Dialoge sind kooperatives Schreiben, Gedichte, die (auf-)einander aufbauen. Das können inhaltliche Bezüge sein, oder es werden Worte des "Vorschreibers" aufgegriffen, oder man übernimmt einfach nur die Stimmung.
Hierdurch entstehen
unkommentierte Gedichtfolgen. Die Form bleibt dem Autoren überlassen (zB. ob gereimt oder ungereimt ...)
Würde mich über rege Beteiligung freuen!
![Bild](http://www.niflheim.stabo.org/Pics/Fort-Schritt.jpg)
Verfasst: 02.10.2013, 19:48
von Nifl
Randvermerke
auf beiden Seiten des Blattes
ausgefranste Ecken
dazwischen das weite Feld
Immer kann man sagen nur für sich zu lächeln
Die Blumen verpassen den Herbst
als Immerblüten
Sie mögen Abschnitte nicht (wie ich)
Schienen mitten im Garten (tuuuuttuuut)
die unbekannte Weiße winkt
Sie wuchs auf mir weil ich mich begraben hatte
Verfasst: 03.10.2013, 13:13
von pjesma
es bebte.
da tauchte plötzlich
diese eine insel auf
aus dem meer.
nackt, ertappt
steht sie jetzt da
mitten in der großen badewanne
das leben läutet an der tür .
aber sie tropft noch,
unentschlossen.
Verfasst: 03.10.2013, 13:57
von Klara
Die Worte unter der Dusche weichen
dem Herbstlicht, der Sonne, dem kühlen Gold
bevor sie in Regen umkippen
wie die Tage
sich verheddern in Tüchern
und Texten, die laufen
aus meiner verkrampften Hand
zu feuchten Versen
denen nichts als ein E
fehlt
für ein Versehen
Mit dem Handtuch um den Bauch
suche ich den Schreibblock: Die Worte
sind fort!
kann doch nicht alles auf einmal –
das schlechte Gewissen
wird buchstäblich
Jeder Gedanke Verpflichtung
notiert zu werden
glänzend abgelenkt
von all den Dingen, die zu tun sind
Olivenöl, beispielsweise
mit dem die Haut getränkt
gehört
zwischen Sätzen
die zu schreiben wären
„Schreiben heißt sich selber lesen“
verfügte,
immer wieder gern zitiert,
der psychoweise Max Frisch
Und wenn man verstummt?
Wird man blind?
Oder sieht man dann anders
und Anderes
besser?
Erst draußen
als ich das Altpapier
während der Kaffee auf Trinkwärme kommt
(denn jede Sekunde schreit unüberhörbar nach Sinn,
und immer
bin ich zu langsam
zu schnell
unleserlich
und habe den falschen Stift)
zu den Mülltonnen trage
fällt es mir auf: dass.
Aber was?
Weg.
Einfallen ist ein gutes Wort
für Worte, die entfallen sind.
Ich glaube, es waren nur zwei.
Ein Zwei-Wort-Satz.
War er denn überhaupt gut?
Lohnt das Bedauern? die Qual:
nie aufhören dürfen zu denken
Den Körper nur schlechten Gewissens erhörend
stückweise
Bedürfnisse schiebend, weg drängend
die Lust
beschränkend auf Bewegung
mit der ich fortlaufe
vorm Schreiben fliehe
vor dem Hunger auch, und
vor der Angst
die eins ist
mit dem fehlenden Wort
Verfasst: 03.10.2013, 15:28
von Nifl
An allen Enden ziehen sie
bis die Haut ganz dünn wird
darunter Flüsse und Blutdruck
und dann das Alter
erzähl mir doch nichts
manchmal blinzele ich nicht
bis alles verschwimmt
einfach weiter
im Regen stehen
ohne Brille wird die Nacht ganz weich
und unsere Gedanken stoßen zusammen
oh Verzeihung
gern geschehen
Verfasst: 03.10.2013, 16:08
von Klara
verlegen wende ich mich
an alle Ecken und Enden
bis die Haut ganz dünn wird
auf Prosa in Versen darunter
die Flüsse
erzählen vom Meer
und vom Buchdruck
im Alter
und dass es nie
aufhört
egal, was sie sagen
egal, wer „sie“ sind
oder Sie
es ist nie
zu spät
bleibe ich
einfach weiter
im Regen stehen
und unsere Gedanken
erzähln mir nichts
sie schwimmen mitsamt meiner
Brille vorbei
dass sie weich werden
uups
schon geschehen
Verfasst: 03.10.2013, 17:08
von Nifl
Wir könnten Kontur sein
deine angelehnten Worte
sitzen auf meiner Schräge
ich sollte pusten (prosaisch)
oder meine Augen schließen und auf die Lider drücken
weißt du? fragen sie immer
als wäre die Vorstellung wahrer
als die Schrägstellung
oder die Habachtstellung
und wenn man sich zusammen erschöpft
sich ineinander verscrabblet
dann kommt meistens die Großschreibung
und die will doch keiner
diese laute
man sollte sich zuknöpfen
bis über beide Ohren
versiebt
Verfasst: 04.10.2013, 19:10
von ecb
mein schatten legt sich
wo ich mich erhebe
die wirklichen blumen
fallen aus dem rahmen
wenn ich dich suche
suche ich mich unmöglich
weil es dabei
nicht bleibt
Verfasst: 04.10.2013, 19:56
von Mucki
mit spitzen fingern (wie auch sonst)
lifte ich die schattierungen
meiner schatten
eine nach der anderen
nicht so glatt wie zwiebelhäute
aber zum heulen
ist es dennoch
wolligdunkelweich fühlen sie sich an
ich zupfe ziehe reiße
schneiden ist unter die haut gehen
mit vollen händen (jetzt)
lass ich meine schatten
da sein
Verfasst: 04.10.2013, 22:56
von nera
wir könnten
weich sein
wie wasser oder hart
und am rande der schatten
farben sehn
wir könnten reintauchen in die schatten
wir tauchen
wir tauchen ab zwischen zwiebelhäuten und wasser
erkennen uns als inseln
wir stellen uns vor
"ich bin einsiedlerkrebs von geburt"
"oh, angenehm, ich bin hornschnecke, grase in seichten gewässern, wir sind verwandt"
"das ist ein anfang!"
"ein anfang!"
Verfasst: 04.10.2013, 23:38
von Mucki
tauchte er ein
in ihre schatten
wäre dies ein anfang
ließe sie es zu
sähe sie vielleicht
mit seinen augen
das licht
Verfasst: 05.10.2013, 11:56
von Klara
vielleicht bräuchte es
trockenen auges
tabuworte
damit das spiel ernst wird
immer wieder neu
SCHATTEN zum beispiel
und LICHT
und VIELLEICHT
oder so verweint wiederholte
angelegenheiten wie ZWIEBELHÄUTE
auf dass keine träne mehr
im allzu gesagten versiegt
doch welcher mund könnte
ein gedicht schreiben über den REGEN
ohne zu heulen
Verfasst: 05.10.2013, 14:46
von Nifl
Wir könnten unsere Landseite zusammenlegen
und einen Gnadenhof eröffnen
Die Zottelschatten und Streiflichter
bekämen nur Zwiebelhäute und Vielleichts (ihre Lieblingsspeisen)
Ach das ist Kitsch
Der Regen fällt mir auf
Verfasst: 05.10.2013, 15:11
von Niko
wir könnten
aus verwundungen häuser bauen
und aufnehmen
alle die der sturm
obdachlos macht
doch unsere dächer
setzen moos an
kein platz für verloren gegangene
alle zimmer sind vollgestopft
nur mit uns
wir sind so
alleine
gelassen
Verfasst: 06.10.2013, 19:56
von Amanita
... alle zimmer sind vollgestopft
nur mit uns!
mondgesichter an der gardine
füße im boden verschraubt
augen bedienen die nähmaschine
während die nase leise verstaubt