Lyrischer Dialog

Hier ist Raum für gemeinsame unkommentierte Textfolgen
Nifl
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Beitragvon Nifl » 11.08.2006, 17:59

Liebe Schreibfanatiker,

ich möchte hier in diesem vitalen Forum einen "lyrischen Dialog" beginnen. Lyrische Dialoge sind kooperatives Schreiben, Gedichte, die (auf-)einander aufbauen. Das können inhaltliche Bezüge sein, oder es werden Worte des "Vorschreibers" aufgegriffen, oder man übernimmt einfach nur die Stimmung.
Hierdurch entstehen unkommentierte Gedichtfolgen. Die Form bleibt dem Autoren überlassen (zB. ob gereimt oder ungereimt ...)
Würde mich über rege Beteiligung freuen!

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Zuletzt geändert von Nifl am 30.08.2006, 19:10, insgesamt 2-mal geändert.

FawzZalum

Beitragvon FawzZalum » 05.05.2015, 07:30

Wir heimeln uns
an dieses Schweigen Berlins
kurz bevor
der Maimorgen losbricht
dann
hört man nur
das Flattern
unserer Wimpern

nicht jeder Moment
wird zum Wort
manchmal
sind wir
einfach
unaussprechlich

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birke
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Beitragvon birke » 05.05.2015, 09:39

eine lichtung, noch im dunkel
dieser eine moment
dieser wimpernschlag
der den atem anhält
die stille aushält
die lauschige nachtdecke
hält, an einem zipfel,
bevor sie entgleitet
/wie hell dein mund am morgen/
tu etwas mond an das, was du schreibst. (jules renard)

https://versspruenge.wordpress.com/

FawzZalum

Beitragvon FawzZalum » 06.05.2015, 00:37

Wie hell dein Mund am Morgen
so denk ich ihn mir als Gefäß,
in das ich meine Gedanken gieße

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 06.05.2015, 09:11



wie hell dein mond am morgen
so denk ich ihn als ort
an dem wir licht geborgen


Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

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birke
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Beitragvon birke » 06.05.2015, 14:49

an deinem mund
bin ich geborgen
wieder geboren
aus der nacht
streich ich ein mondwort
an dir
wird niemand
mehr sterben
tu etwas mond an das, was du schreibst. (jules renard)

https://versspruenge.wordpress.com/

Mucki
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Beitragvon Mucki » 06.05.2015, 21:57

bin ich zornig
vermag ich keine mondworte zu sprechen
meine augen dunkeln nach
zu schmalen schlitzen
und nichts wird geboren
doch vieles gesät

Niko

Beitragvon Niko » 08.05.2015, 11:15

Zorn ist die Mutter der Veränderung
Laut und leise
Versteckt und unverhohlen
Überdruckventil der Eingeschränktheit
Der abgelassene Dampf
Zeigt die Richtungsschilder
Neuer Möglichkeiten

Mucki
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Beitragvon Mucki » 08.05.2015, 18:19

unbändiger zorn ist eine
düst're enge einbahnstraße
gemauert aus tausend schwarzen ziegeln
denen keine sanftmut entspringt

FawzZalum

Beitragvon FawzZalum » 09.05.2015, 23:41

Manchmal
zürne ich den Stunden,
weil sie zu schnell vergehen
mit dir
fehlt mir jegliches Zeitgefühl

so lasse ich mich
dahintreiben
von einer Ähnlichkeit
in die nächste
von Intimität zu Intimität

wir sind uns
so
seltsam nah
anregend nah
unheilvoll nah

wir reden uns
die Tage
länger als sie sind
wir reden uns
in eine Zweisamkeit,
die nicht sein kann
die nicht sein darf
denn eigentlich
verschmähst du
mein Geschlecht 

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birke
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Beitragvon birke » 10.05.2015, 00:09

mein geschlecht
ist kein ort und zorn
ein einsamer gesang
der in eine straße mündet
die jeden ton verschluckt
stille einöde bleibt und ein gedanke
an verlorene zeit
tu etwas mond an das, was du schreibst. (jules renard)

https://versspruenge.wordpress.com/

Niko

Beitragvon Niko » 10.05.2015, 00:30

dieses verbrannte land
legt eine saat
die es selbst nicht will

da keimt die enttäuschung
umwuchert von angst
dem alles erwürgenden

doch zwischen all dem
keimt eine wilde rose
die zu ersticken droht

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nera
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Beitragvon nera » 10.05.2015, 01:32

in diesem verbrannten land keimt erneut
alles ins grüne
wuchert die blühzeit
bläht sich der sommerherbstwinter
schon in der frucht die sich aus dunklen erden
rankt-
kletten zwischen habichtskraut
pestwurz
mondviolen nachtviolen
vogelmiere
erobert schon den asphalt
und birken
keimen auf dächern
zu wäldern

in dem gestrüpp von gestern
(mein erinnern ans blühen)
wohnt eine ringelnatter kurzzeitig
langzeitig engerlinge
die steine tragen mooskleider

es regnet
Zuletzt geändert von nera am 10.05.2015, 03:48, insgesamt 1-mal geändert.

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nera
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Beitragvon nera » 10.05.2015, 01:36

der zorn
ein beschlagener spiegel
"gestern"
schreibt mein ohr
und
sieht zu
wie mein auge
dem spiegel das echo
untersagt

Niko

Beitragvon Niko » 10.05.2015, 08:57

es ist vorbei
niemand hat die absicht
und doch geschieht es
und eine mauer
ist nur eine mauer
die jahre in ihrem lauf
verändern mit ochs und esel
pflügen wir
jede gelegte saat

wir sind
helden unserer zeit
ohne auszeichnung
und haben gelernt
von uns

nie wieder
im gedächtnis
brennt die erinnerung
die sich selbst
schon morgen
überlebt hat
was uns die erfahrung lehrt
Zuletzt geändert von Niko am 10.05.2015, 17:41, insgesamt 1-mal geändert.


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