Lyrischer Dialog

Hier ist Raum für gemeinsame unkommentierte Textfolgen
Nifl
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Beitragvon Nifl » 11.08.2006, 17:59

Liebe Schreibfanatiker,

ich möchte hier in diesem vitalen Forum einen "lyrischen Dialog" beginnen. Lyrische Dialoge sind kooperatives Schreiben, Gedichte, die (auf-)einander aufbauen. Das können inhaltliche Bezüge sein, oder es werden Worte des "Vorschreibers" aufgegriffen, oder man übernimmt einfach nur die Stimmung.
Hierdurch entstehen unkommentierte Gedichtfolgen. Die Form bleibt dem Autoren überlassen (zB. ob gereimt oder ungereimt ...)
Würde mich über rege Beteiligung freuen!

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Zuletzt geändert von Nifl am 30.08.2006, 19:10, insgesamt 2-mal geändert.

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birke
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Beitragvon birke » 06.08.2015, 10:43

das aschewort
verbrannt
und wir mit ihm
bleibt uns kein atem
innerhalb und außerhalb
der zeilen
nur dazwischen
zuweilen
ein hauch
tu etwas mond an das, was du schreibst. (jules renard)

https://versspruenge.wordpress.com/

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nera
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Beitragvon nera » 06.08.2015, 23:17

das aschewort eingebrannt
in jedes wir

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birke
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Beitragvon birke » 07.08.2015, 00:20

unsere worte
immer neue worte
aus asche geboren
werden wieder zu asche
und wie sie glühen
tu etwas mond an das, was du schreibst. (jules renard)

https://versspruenge.wordpress.com/

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nera
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Beitragvon nera » 07.08.2015, 02:05

wir atmen und schweigen unser
WIR
es singt in unseren blicken
dunkles glühen zwischen den zeilen
flatterzeichen
und tintenfassdschinns
(gefangen seit tausend jahren)

öffne es nicht
unsere welt könnte im rausch versinken
ÖFFNE ES
wir können ertrinken
und fliegen
mit der asche
dem dschinn
könnten wir
entkämen wir
der wolke
der pyroklastischen
in ein
wir


https://www.youtube.com/watch?v=mBvBvtZ7EuE

Mucki
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Beitragvon Mucki » 07.08.2015, 09:03

verbrenne feierlich im wald bei nacht
worte zu asche
um sie niemals wieder zu sprechen
geschweige denn zu denken

befreiungsritual

FawzZalum

Beitragvon FawzZalum » 07.08.2015, 11:58

Zehn Jahre lang
dachte ich
ein wir,
das nicht war
schrieb ich
ein wir,
das irrte
und täuschte

im letzten Rot des Septembers
verbrannte ich
im Stillschweigen eines Nachtwaldes
ein Zusammensein,
das keines war,
zu Asche,
um es niemals wieder
als wir zu denken

Befreiungsritual

so sind es nur die Jahre,
die ich bin,
die sich mit meinen Worten schreiben
kreuz und quer

Niko

Beitragvon Niko » 08.08.2015, 03:07

In Wien aß ich
Marillenmarmelade.
Sie war etwas ganz besonderes.
Das Beste, dass ich je gegessen hatte.

Jetzt bin ich wieder zurück
und habe festgestellt,
dass Marillen auch nur Aprikosen sind.

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 08.08.2015, 11:09



aus dem schlaf


du wirst fahren und nichts zurücklassen
was du in dir trägst (nenn es nicht gedanken
nenn es nicht

da bleiben klammern offen
da zieht es wieder (sieh nur
die strandläufer

ein lächeln zwei lächeln und irgendwo
lassen wir den schmerz
brennen kontrolliert

du sitzt zufrieden
an einem tisch und fühlst
die maserung der worte

weißt du was du erzählst
das braucht keine stimme
das ist

und einer hat gesagt es sei
ein himalaya


Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

Klara
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Beitragvon Klara » 08.08.2015, 11:25

Ich höre
die Geisterphrasen
Stimmen der Kindheit
hallen

mit Hämmern der Häme
längst versenkte Nägel
in die Latten meiner Höhle schlagen

Ich spüre
an den Wänden, die mich drückend bergen
eingeritzte Sätze und dass
ich nicht alles glauben sollte
was in mir geschrieben steht

Ich lese
jedes Wort auf goldfeinen Waagen und lerne
mich gehen zu lassen

laufen

Mucki
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Beitragvon Mucki » 08.08.2015, 12:59

kindheitsworte

fast alles ist verloren
im nebel des vergessens
doch ein satz
gesprochen als fünfjährige
brannte sich ein
ließ mich nie los
wurde zur goldwaage
kindheitsworte
die mir lebensfluch sind

Nifl
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Beitragvon Nifl » 08.08.2015, 13:47

Irgendwer schrieb von Schiffen
und von Frauen von Seefrauen
und von Männern von winkenden Männern
und von Flüchtlingen von ertrinkenden Flüchtlingen
und von der Schwimmweltmeisterschaft
und von Nägeln durch Hände und von Nägeln durch Füße
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

Niko

Beitragvon Niko » 09.08.2015, 01:10

niemand schrieb von der farbe des windes
über die schwerkraft der leichtigkeit
und warum ein schrei oft hilfreich ist

manches ist unbeschreiblich:

deine hand in meiner
dein blick in meinem

FawzZalum

Beitragvon FawzZalum » 09.08.2015, 14:17

Augusthitze
salzte deine Haut
und meine
Mitternacht trieb uns
in eine Nähe,
so eindringlich,
dass niemand je schreiben könnte
von der Schwere
dieser leichten Berührungen

Mucki
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Beitragvon Mucki » 09.08.2015, 17:09

diese leichten berührungen
sie sind mir zuwider
sie wollen
sie deuten an
es ist dieses grobe subtile
dass sie so schwer macht
ich will sie nicht


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