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Lyrischer Dialog

Verfasst: 11.08.2006, 17:59
von Nifl
Liebe Schreibfanatiker,

ich möchte hier in diesem vitalen Forum einen "lyrischen Dialog" beginnen. Lyrische Dialoge sind kooperatives Schreiben, Gedichte, die (auf-)einander aufbauen. Das können inhaltliche Bezüge sein, oder es werden Worte des "Vorschreibers" aufgegriffen, oder man übernimmt einfach nur die Stimmung.
Hierdurch entstehen unkommentierte Gedichtfolgen. Die Form bleibt dem Autoren überlassen (zB. ob gereimt oder ungereimt ...)
Würde mich über rege Beteiligung freuen!

Bild

Verfasst: 06.08.2015, 10:43
von birke
das aschewort
verbrannt
und wir mit ihm
bleibt uns kein atem
innerhalb und außerhalb
der zeilen
nur dazwischen
zuweilen
ein hauch

Verfasst: 06.08.2015, 23:17
von nera
das aschewort eingebrannt
in jedes wir

Verfasst: 07.08.2015, 00:20
von birke
unsere worte
immer neue worte
aus asche geboren
werden wieder zu asche
und wie sie glühen

Verfasst: 07.08.2015, 02:05
von nera
wir atmen und schweigen unser
WIR
es singt in unseren blicken
dunkles glühen zwischen den zeilen
flatterzeichen
und tintenfassdschinns
(gefangen seit tausend jahren)

öffne es nicht
unsere welt könnte im rausch versinken
ÖFFNE ES
wir können ertrinken
und fliegen
mit der asche
dem dschinn
könnten wir
entkämen wir
der wolke
der pyroklastischen
in ein
wir


https://www.youtube.com/watch?v=mBvBvtZ7EuE

Verfasst: 07.08.2015, 09:03
von Mucki
verbrenne feierlich im wald bei nacht
worte zu asche
um sie niemals wieder zu sprechen
geschweige denn zu denken

befreiungsritual

Verfasst: 07.08.2015, 11:58
von FawzZalum
Zehn Jahre lang
dachte ich
ein wir,
das nicht war
schrieb ich
ein wir,
das irrte
und täuschte

im letzten Rot des Septembers
verbrannte ich
im Stillschweigen eines Nachtwaldes
ein Zusammensein,
das keines war,
zu Asche,
um es niemals wieder
als wir zu denken

Befreiungsritual

so sind es nur die Jahre,
die ich bin,
die sich mit meinen Worten schreiben
kreuz und quer

Verfasst: 08.08.2015, 03:07
von Niko
In Wien aß ich
Marillenmarmelade.
Sie war etwas ganz besonderes.
Das Beste, dass ich je gegessen hatte.

Jetzt bin ich wieder zurück
und habe festgestellt,
dass Marillen auch nur Aprikosen sind.

Verfasst: 08.08.2015, 11:09
von Ylvi


aus dem schlaf


du wirst fahren und nichts zurücklassen
was du in dir trägst (nenn es nicht gedanken
nenn es nicht

da bleiben klammern offen
da zieht es wieder (sieh nur
die strandläufer

ein lächeln zwei lächeln und irgendwo
lassen wir den schmerz
brennen kontrolliert

du sitzt zufrieden
an einem tisch und fühlst
die maserung der worte

weißt du was du erzählst
das braucht keine stimme
das ist

und einer hat gesagt es sei
ein himalaya



Verfasst: 08.08.2015, 11:25
von Klara
Ich höre
die Geisterphrasen
Stimmen der Kindheit
hallen

mit Hämmern der Häme
längst versenkte Nägel
in die Latten meiner Höhle schlagen

Ich spüre
an den Wänden, die mich drückend bergen
eingeritzte Sätze und dass
ich nicht alles glauben sollte
was in mir geschrieben steht

Ich lese
jedes Wort auf goldfeinen Waagen und lerne
mich gehen zu lassen

laufen

Verfasst: 08.08.2015, 12:59
von Mucki
kindheitsworte

fast alles ist verloren
im nebel des vergessens
doch ein satz
gesprochen als fünfjährige
brannte sich ein
ließ mich nie los
wurde zur goldwaage
kindheitsworte
die mir lebensfluch sind

Verfasst: 08.08.2015, 13:47
von Nifl
Irgendwer schrieb von Schiffen
und von Frauen von Seefrauen
und von Männern von winkenden Männern
und von Flüchtlingen von ertrinkenden Flüchtlingen
und von der Schwimmweltmeisterschaft
und von Nägeln durch Hände und von Nägeln durch Füße

Verfasst: 09.08.2015, 01:10
von Niko
niemand schrieb von der farbe des windes
über die schwerkraft der leichtigkeit
und warum ein schrei oft hilfreich ist

manches ist unbeschreiblich:

deine hand in meiner
dein blick in meinem

Verfasst: 09.08.2015, 14:17
von FawzZalum
Augusthitze
salzte deine Haut
und meine
Mitternacht trieb uns
in eine Nähe,
so eindringlich,
dass niemand je schreiben könnte
von der Schwere
dieser leichten Berührungen

Verfasst: 09.08.2015, 17:09
von Mucki
diese leichten berührungen
sie sind mir zuwider
sie wollen
sie deuten an
es ist dieses grobe subtile
dass sie so schwer macht
ich will sie nicht