Prosalog

Hier ist Raum für gemeinsame unkommentierte Textfolgen
Nifl
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Beitragvon Nifl » 23.07.2007, 18:09

Bild
Foto A.P. Sandor et moi


Prosafluss - Geheime Nachrichten - Flüsterpost - Prosapool - ungebunden - verbunden - Prosadialog - Prosakette - Prosa rhei - ungebunden - verbunden - Prosa - Blitzlichter - Prosalog - Wort zu Wort Beatmung - Prosafolge - ungebunden - verbunden


Hier handelt es sich um einen Faden, in dem ihr euch prosaisch zurücklehnen könnt. Lasst euren Gedanken freien Lauf. Erzählt von euren Träumen, eurem Ärger, euren Problemen, euren Sehnsüchten, euren Beobachtungen, euren Wünschen, euren Phantasien, euren Ideen, eurem Kummer, eurer Wut, eurem Tag, euren Spinnereien … "Die Wahrheit" spielt dabei selbstverständlich keine Rolle.
Fühlt euch frei.

Lasst euch von bereits verfassten Texten inspirieren, greift das Thema auf, oder schreibt einfach "frei Schnauze"… alles ist erlaubt.

Ich bin gespannt!




Kleingedrucktes:

Damit eure Kostbarkeiten behütet bleiben, müssen folgende Regeln beachtet werden:

Bitte keine Kommentare
Keine direkten Antworten (zB. Gratulationen, Beileidsbekundungen, Nachfragen etc.)
Keine Diskussionen
Kein Smalltalk oder Talk überhaupt

Geht immer davon aus, dass alle Texte Fiktion sind.



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"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

Peter

Beitragvon Peter » 23.03.2009, 13:13

Tagessenke


Eben der Postbote, der mich aus dieser Tagessenke, zu der die Stunden wurden, herausklingelte; stand unten, überfordert vom Wind oder dem Gewicht der zwei Briefe, fragte mich, welcher der beiden Briefkästen meiner sei, der linke oder rechte? Oder haben Sie für beide Schlüssel? Die Kappe der Türklingel war abgesprungen, ich hielt sie in der Hand, und sagte, er könne sie in beide werfen, wie er nur mag. Der Wind in seinem Haar; der Windstoß in mein Haar. Ich musste die Stimme heben: Wie Sie nur wollen, links oder rechts! - Was ist das nur, dass mich das schreiben macht?

Diese schreckliche Türklingel, die mich, dem Gefühl nach, bis zu den Knochen durchfährt. Ein Schellenlaut, an dem sich die Härchen aufstellen - und doch... wie Atem... Jetzt... jetzt hab ich zu sagen; warum war es nicht zuvor und nicht den Morgen?

Gegenwart, nach der das ganze Leben verlangt, was bist du? Ein Schrecken?

Ich sah dem Postboten noch nach, stand oben am Fenster, sah seinem Weg zu, das Wägelchen an seiner Hand, die, im Wind, auf- und zuklappende Seitentasche, mit den weißen Briefen darin. Sah das scharfe Licht in der Straße, die gelbweiße Hauswand gegenüber, daran, im schmalen Vorgarten, der gestreckte Schatten des Zauns, wie hundert Pfeile.

Was ist es? Welcher Lauf plötzlich war; ich hätte, ich müsste. Als wär mein Denken ausgesetzt gewesen, und da, nach träger Pause mit leerem Bühnendunkel, kam es wieder zusammen. Ich hätte, ich müsste - fast ein Gesang. Ich wollte, ach. Wenn es uns nur gäbe.

Trübselige Dinge, wie sie aufkommen, rollen sie gleich wieder zurück. Du spürst sie am Handgelenk, schubst sie weg; in Wahrheit bleibt alles dasselbe. Was ist es?

Traum, schien mir oft. Dein Traum in der Gegenwart; unendliche Briefe dort oben; die Mulde des Sonnenlichts hier unten, dein Traum - der sich ausschreibt an den Sandrändern; deine Dinge, die vielleicht im Aufwachen noch sind; wenn du aufblickst; deine Schrift, die du wärst; das, was sich dir vermittelt; ich hätte, ich müsste; deines... ein Schriftzug, der leise um dich sinkt; unerkenntliches Du...

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 30.03.2009, 14:08

die freude | der kummer

obwohl es nicht klingelt, öffnet sie die tür. sagt „hallo du“, auch wenn da keiner steht, den man sieht.
sie weiß, einer hört es bestimmt und lächelt scheinbar grundlos. tippt in seinen taschencomputer.
so leicht wird man verrückt. schreibt darüber ein gedicht.
manchmal ist es der blaue hintergrund, der sie verführt.
himmel und himmel. in jeder falte eine zeile versteckt.
etwas hüpft ihr aus dem herz in die hand. sie lüftet sich.
schlägt die augen auf. schnüffelt in die welt hinaus. wie hat sie das vermisst. den frischen regen.
er klingt so vertraut, dass ihr lachen wird. worte plätschern über eingefahrene spuren. spülen sie aus.
es duftet schon nach frühlingsgras und flattern. ein schwarm kommt vorbeigeflogen. er freit sie.
sie schickt ihm zwitschernde küsse. geht mit dem hund spazieren.

wenden wir uns nun

grauer als die getrocknete taubenscheiße auf den dächern gegenüber. diese aussicht! ja, von dort wäre es zu sagen.
aber dort kann man nicht sein und jede vorstellung lässt die lider fallen. ein tusch: „du denkst dir aus, wer du bist.“
ihm fällt nichts ein. es hungert ihn nach gelebten sätzen. drinnen. hinter der tür. sie verschließt sich ihm.
ein taubes gefühl auf der zunge. so also schmeckt die gleichgültigkeit, nach unreifen bananen, denkt sie sich.
während die vögel balzen, starrt er auf den boden, wo sich seit langem brotkrümel und staubflocken vermehren.
ein dingliches abbild, stellt er fest, sieht keinen unterschied.
seine dielen könnte er nachzeichnen im traum oder mit blut tränken, um sie deutlicher zu machen, diese risse.
beides wäre ein seltsamer anfang - nennen wir es einen anflug von zorn.
er ist nur seitenweise. so blättert die zeit ihn um. er wird geboren. schläft ein.
die sonne scheint. sie fürchtet sich. er könnte ihren schatten entdecken. im allgemeinen weist sie von sich.
wie sie da steht.

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 01.04.2009, 22:39

an den seiten

den kopf tief sinken lassen, dass er zu beinen wird und die beine: an den seiten. nicht vorwärtskommen, ist ja nur ein kopf. ein alleinkopf. und das denken anfangen; es bräuchte zwei köpfe, einfach nur zwei von der sorte und dann würde alles gut.

ist es noch die zeit, sich aufs holz zu legen?
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 02.04.2009, 01:05

nur eine linie

kennst du das? du folgst ihr, gibst jeder biegung nach. manchmal entwischt sie dir, manchmal springt sie dich aus dem hinterhalt an. du willst sie beherrschen, ihre richtung lenken, vergeblich. sie ist lästig wie ein wurmfortsatz, doch wenn sie bricht, stirbst du. deshalb keine kirschen essen? nein. es ist nur eine linie.

Nifl
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Beitragvon Nifl » 03.04.2009, 22:52

Da war er, der Grabstein im Garten. Gerade heute gefunden. An einer urigen Stützmauer. Ich bin traurig. Scheiße traurig. Tränentraurig. Schiebe das Geschniefe und Augengeträne auf Heuschnupfen. Es ist ja wohl auch eine Abwehrreaktion. Gegen das Blubbern. Wie bei einem verstopftem Abfluss. Von ganz aus dem Innern. Blub blub. Ich darf nur nicht schluchzen. Da würde mir kein Äquivalent zum Heuschnupfen einfallen. Über Trauer zu schreiben, ist, wie über Liebe zu schreiben (sie gehören ja auch irgendwie zusammen). Es fällt einem nur Kitsch und Pathos ein und nur der Schreiber heult sich die Augen aus dem Kopf oder schwebt irgendwo. Ich bin traurig. Scheiße traurig. Tränentraurig.
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 04.04.2009, 09:14

stehen wir am hang. hand in hand erzählen wir geschichten. aber das war später. (weißt du dort, wo wir den dunklen flieder pflanzen werden. er blüht nach einem jahr. sein duft so schwer, wie der tag) schauen wir hinunter. ließen es zu. wie schnell die wasser steigen. es gibt keine begradigungen. ohne mauern fließt mein fluss gewunden. in deinen. über die ränder ins tal. (siehst du dort, ganz weit hinten, fast unsichtbar, dort lebe ich. auf einem anderen hügel. die sonne im rücken. und denke daran) es ist noch zu früh, um nicht mehr zu zittern. bei aller erwachsenheit sind wir doch liebende. nicht ertaubt. über die vollgeschriebenen jahre. wird es nicht einfacher. verworren die zeiten.
ich wünschte. ich stünde. die hände voll trost.

Nifl
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Beitragvon Nifl » 05.04.2009, 00:30

Gleich heute Morgen habe ich den Grabstein fotografiert. Weil er mich gestern so getröstet hat, als könne ich ihm dadurch danken. Der Schwarzarbeiter ruft vom Balkon: "Bestandsaufnahme, wa?" (höhö)
"Ja, genau".
"Bricht die weg?" (er weiß nicht um den Stein)(Liselotte, geboren 1934, gestorben 1937)
"Nö,nö" (und es bleibt ein Quäntchen Leere hängen)
Ich fühle mich verbunden und willkommen. Werde genau dort seine Asche vergraben.
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Mucki
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Beitragvon Mucki » 05.04.2009, 01:07

Stimme des Regens

Den ganzen Vormittag schien die Sonne. Montag kommen die Fliesenleger. Der Balkon ist fällig. Dicke Moosfäden sprengen schon die Platten. Also nichts wie raus und begonnen, sämtliches Inventar wegzuräumen. Stühle, alte Blumentöpfe, vermoderte Pflanzen, die mal geblüht haben vor langer Zeit. Die Schrauben am zusammklappbaren Tisch sind so verrostet, dass ich statt Schraubenzieher kräftige Fußtritte und Handhiebe nehme, um ihn zu zerlegen. Alles auf den Müll. Die Bambusmatte, die blickdicht längs um den ganzen Balkon verläuft, struppig, zerrupft. Ich möchte sie in einer Rolle abnehmen. Denkste. Um jeden fünften Halm kringelt sich ein Draht. Zangenarbeit. Ich höre es knistern. Ein vertrautes Geräusch. Die Wespen knabbern immer an den Bambusspitzen. Ich kümmer mich nicht drum, rolle wohl so manche Wespe gleich mit ein, merke nur, dass mein Kreislauf anfängt zu spinnen. Nix da, weiter. Rechts ist noch eine Holzwand, die muss auch weg. Doch die ist nicht mit dünnen Drähten befestigt, sondern mit dicken, ummantelten grünen Schlingen. Die Zange streikt. Mir wird schwindelig, will aber trotzdem weiterackern. In diesem Moment fängt es, mitten im Sonnenschein, an zu nieseln. Ich schaue verwundert nach oben. Etwas lenkt mich ab. Ich spüre ein Brennen am Arm. "Ignorieren, weiter", denke ich, doch das Nieseln wird zum Regenguss. Ich muss aufhören, gehe frustriert wieder rein. Da hört es auf zu regnen. Von einer Sekunde auf die andere. Verdutzt will ich wieder raus, als ich eine kleine rote Linie sehe, die meinen rechten Arm bis zur Ellenbeuge hochläuft. Der kleine Finger ist so dick geschwollen, dass kein Millimeter Platz zum Ringfinger bleibt.

Der Arzt meinte, dass Rost im Blut in Verbindung mit einem Wespenstich nicht so gescheit wäre. Manchmal sollte man auf die Stimme des Regens hören.

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 10.04.2009, 21:56

Die Hasenkatze

Heute habe ich von meinem Vater, der aus dem Urlaub kam, von einer Hasenkatze erzählt bekommen. Die Hasenkatze lebt auf einem italienischem Weingut. Sie wurde dort von Unbekannten eines Nachts in dem Hasenstall des Guts ausgesetzt und wuchs dort - zunächst unbemerkt - unter den Hasen auf. Weil sie dort aufwuchs, fühlt sie sich als Hase. Sie isst, was die Hasen essen, hockt mit den Jungen Fell an Fell und sonnt sich in einem Hasenloch liegend. Manchmal, so hat mein Vater beobachtet, geht die Katze außerhalb des Geheges spazieren und besucht die anderen Katzen auf dem Gut, aber diese Ausflüge sind doch recht selten und immer nur von kurzer Dauer.
Leider hat mein Vater, der sonst alles photographiert, kein Bild von der Hasenkatze gemacht, wodurch es sich für mich mit dem Glauben an diese besondere Katze so verhält wie für andere mit den weinenden Madonnen. Denn ich frage mich: Ist der Umstand, dass es kein Zeugnis von ihr gibt, nun als Beweis (wie sollte man solch eine (karge) Heiligkeit auch abbilden können?) anzusehen oder gerade als Grund zum Zweifeln (so ein (karges) Heiliges Wesen muss ich sehen können, so sehr widerspricht es den Zwängen der Welt, und sehe ich es nicht, dann ist dies der Beweis, dass es nicht existiert)?
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
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Beitragvon Mucki » 17.04.2009, 00:19

strich ohne punkt und wenn nur final

was kürzlich die ständig wegflutschende linie war, der man hundezungig hinterher hechelt, ist zum strich geworden und auf den punkt gekommen noch lange nicht, geschweige denn, man nimmt sich den kopf des semikolons zu hilfe, doch das nutzt einem herzlich wenig, wenn man nicht weiß, wie man das verblassen des striches verhindern kann oder den klang seines hässlich-grässlich-schrillen tones, der nur dann aufhört, wenn man tatsächlich im wahrsten sinne des wortes auf den hund gekommen ist und nicht mal mehr seine zunge braucht punkt

Nifl
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Beitragvon Nifl » 20.04.2009, 22:14

Ich stehe auf einer Bergkuppe (steil wie man sie aus Janoschbüchern kennt). Mein Sohn sitzt im Römer. Einen Anhänger haben wir auch noch dran. Ich frage ihn: "Hast du mich eigentlich lieb?"
"Ja klar, warum?"
"Ach, nur, weil man das viel zu selten sagt"
Am Fuße des Berges ist ein Bauhaus. Wir fahren mit dem Fahrrad hinein und bleiben überall hängen. Von einer Gipsplatte bricht eine Ecke ab. Die Gänge sind einfach zu eng.
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

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Zefira
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Beitragvon Zefira » 21.04.2009, 20:11

Maigh I
Schafe haben in Irland keine offizielle Amtssprache. Die meisten sprechen zunächst Deutsch und verständigen sich mit hellem "mäh". Mit zunehmendem Alter wechseln sie zum Englischen und singen ein kräftiges "baaaah"; gleichzeitig verändert sich die Stimmlage vom Sopran zum Tenor. Nach dem Stimmbruch in die Baritonlage wird aus dem Fühlungsruf ein vornehm französisches "beu", oder das Schaf retardiert zum Chav und gibt ein prolliges "böööööh" von sich. Ältere Böcke und alleinerziehende Schafdamen verständigen sich mit einem Laut, für den es weder im Englischen, noch im Französischen eine adäquate Buchstabenfolge gibt; das voll ausgewachsene Schaf beherrscht nur noch den deutschen Vokal Ö. In Gaeltacht-Gebieten ist oft "baigh" oder "maigh" zu hören; aber auch das Gälische wird offenbar im Zuge des Erwachsenwerdens verlernt.


Maigh II
Der Herr von Connemara ist ungefähr einen Meter hoch, hat ein schwarzes Gesicht und Hörner wie ein Höllenfürst. Gehörte er mir, würde ich ihn Zampano oder Beelzebub nennen. Er bewacht die Straße zwischen Anb Teach Dóite und Sraith Salach. Mal steht er an der linken Straßenseite, mal an der rechten, leicht zu erkennen an dem prachtvoll gedrehten Gehörn. Sein Kumpel, ähnlich groß und schwer, hat erheblich kürzere Hörner - sind sind abgesägt. Wahrscheinlich hätten sie sich sonst in den Kopf zurückgedreht.
Keine Staus, keine Polizeikontrollen, keine Blitzkästen, soweit das Auge reicht. Nur Zampano, der stolz das blaumarkierte Hinterteil zeigt, sobald sich eine Kamera auf ihn richtet. Meine erste Annahme, dass er sich nur zum Posieren am Straßenrand aufhält, stimmt jedenfalls nicht.

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Zuletzt geändert von Zefira am 22.04.2009, 22:25, insgesamt 1-mal geändert.
Vor der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.

(Ikkyu Sojun)

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Beitragvon Zefira » 22.04.2009, 01:24

Maigh III
Die Farbmarkierungen an den Schafen sind Gegenstand endloser Spekulationen. Die naheliegendste Vermutung ist, dass der Bauer daran seine Schafe wiedererkennt, denn meistens sind die Herden nicht eingezäunt; das irische Schaf lässt sich mit Zäunen ohnehin nicht bändigen und geht am liebsten mitten auf der Straße spazieren. In Wirklichkeit ist es ohne Bedeutung, ob der Bauer seine Schafe erkennt oder nicht, weil der Hund die Kontrolle über die Herde ausübt, und Hunde sind bekanntlich farbenblind. Der Schäfer steht in Gummistiefeln auf der Straße und ruft "he" oder "hay", in Gaeltacht-Gebieten "hai" oder "haigh", während der Hund, meistens ein schwarzes Exemplar mit Knickohren und intelligentem Gesichtsausdruck, die Schafe zusammenführt und über die Straße verlegt. Ist ein längerer Marsch geplant, kehrt der Hund zu seinem Besitzer zurück und geht neben ihm her, auf der Seite, die der Straße zugekehrt ist (um ihn vor vorbeifahrenden Autos zu schützen), während die Schafe völlig ungehemmt, oft im Zickzack, kreuz und quer über die Fahrbahn wandern.
Zurück zu den Farbmarkierungen. Sie sind meistens in leuchtenden Farben - pink, türkis, lila, manchmal zweifarbig - am Nacken, Rücken oder Hinterteil des Schafs angebracht. Der Bauer geht hin und wieder mit Farbeimer und Pinsel auf die Weide und frischt die Farbe auf. Manche Schäfer setzen ihren Ehrgeiz in idividuelle Pinselführung und malen ihren Schafen Nummern oder an TicTacToe erinnernde Embleme auf. Ich habe schon die Vermutung gehört, dass die Markierung dazu dient, festzuhalten, welche Schafe einer Wurmkur oder Impfung unterzogen wurden und welche nicht. Andere Irlandreisende schlagen die Deutung vor, dass der Autofahrer an der Markierungsrichtung ablesen könne, ob er links oder rechts an dem Schaf vorbeifahren soll. Die abenteuerlichste Vermutung fand ich in einem Forum, in dem es eigentlich um Färö-Schafe ging: Der Bock bekommt ein mit Farbe getränktes Kissen umgeschnallt; an den Abdrücken erkennt der Schäfer, welche Schafdamen er schon beglückt hat. Sollte das richtig sein, wirft es ein äußerst schlechtes Licht auf irische Böcke, denn ich habe schon ganz kleine Lämmer mit Farbpunkten gesehen. Sollte Zampano pädophil sein? (Und nebenbei schwul, da er selbst auch eine Markierung am Hintern hat?) (Und höchst nebenbei, wie schafft Zampano es, den Schafen Nummern oder TicTacToe-Embleme aufzurubbeln?)

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Maigh IV
Eine Freundin aus dem Spinnforum hat ein irisches Vlies gekauft und selbst gewaschen und gekämmt, um sich daraus Wolle für einen Aranpullover zu spinnen. Die Farbmarkierung trotzte jeder Waschlauge; selbst nach zweitägigem Einweichen hatte sich die Faser zwar vom gelben Fett, nicht jedoch von der türkisen Farbe getrennt. Schließlich hat meine Freundin die entsprechende Partie separiert und ein paar türkisfarbene Socken gestrickt.
In den Woollen Mills-Filialen von Foxford, Galway und Glendalough hängen massenhaft weiße Aranpullover, aber kein einziger davon hat pinkfarbene oder lila Flecken. Die Socken und Mützen dagegen sind oft bunt. Wahrscheinlich folgt man dort dem gleichen Prinzip wie meine Spinnfreundin. Oder man verwendet die irischen Vliese als Dämmstoff in den Hausdächern; und Shelagh, Brigid und Eileann stricken ihre Aranpullover aus Neuseelandwolle. Warum sollte die Globalisierung vor dem keltischen Tiger haltmachen.
Wie sich die irischen Schafe dazu stellen, weiß ich nicht. In Glennkill waren die Schafe äußerst frustriert, nachdem sich Schäfer George einen Norwegerpullover hatte schicken lassen.
Zuletzt geändert von Zefira am 22.04.2009, 22:26, insgesamt 1-mal geändert.
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(Ikkyu Sojun)

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 22.04.2009, 08:09

wie vieles sagt man. sich. viel zu selten. weil nicht sicher ist. was man sieht. wie man versteht. wohin
das wort plötzlich geht, wenn man wegschaut und es alleine lässt. ausgebrütet habe ich milane
und marabus. sogar sumpfkrokodile schlüpfen aus weißen eiern. (damals war ich mutiger als heute. nahm
sie in den mund, trug sie zum see, ließ sie schwimmen. konnte vergessen, dass das leben endlich ist
und umgekehrt) zählt das?

wie der wind, der heute morgen über die feinen härchen auf meinen armen strich, während ich an dich dachte
und über die blühende wiese ging. (ein landschaftsschutzgebiet)
und diese weichen stunden am abend. bei einem glas wein. bis es tagt und wieder fragt.
zwischen erwachen und erwachen. verstand ich im traum das wiesel zu zähmen.
nein, wir sind uns wahrlich nie begegnet. aber manchmal war mir so.


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