Beitragvon jondoy » 30.07.2009, 00:23
Impressionen
In Hamburg, dem Tor mit Welt, schunkelte das Thalia-Theater nachts schräg gegenüber, Shakespeare ließ auf der Bühne nackte Männer tanzen, "Mass für Mass" hieß das Werk, was Bayern leicht zu Missverständnissen verleiten würde.
Edward Hopper war mir verboten, dennoch wurde mir im Vorraum eine von mir noch nie gestellte Frage beantwortet, die schon lange schon in meinem Hinterkopf geboren war. Die Vanderbilt-University. Jetzt weiss ich, Cornelius Vanderbilt hat sie gegründet, und wer das war.
Im Hamburger Rathaus hab ich erst deine Worte verstanden, du hattest bei unseren Spaziergang etwas von einer Ausstellung dort erzählt, ich hatte dich naiv gefragt, gehts da um Juden, du hast nicht darauf geantwortet.
Um die Homosexuellen-Verfolgung in Hamburg von 1919 bis Anfang 63 ging es, über beide Seiten, ich hab mir die Bilder angesehen, eine Dichterin hat jung den Freitod gewählt.
In einem humanitären Akt der Nächstenliebe gaben wir uns die nächsten Tage Bremen hin, der ungeliebten Schwesterstadt westwärts entlang der Hansebay.
Der Roland ist uns der Wichtigste, erklärte mir eine nordbremische Schönheit mit unübersehbar stolzen persischen Einflüssen, wir sind frei und bunt wie das Viertel,
ich suchte, und fand meine Einflüsse, das Blaumeier-Atelier, in dem TänzerInnen des Projekts tanzbar-bremen mich in der ersten Reihe hineinrissen in einen träumenden Zustand, er lag irgendwo am Ende den gefühlten Welt, im Nirgendwo hinter der Rockerkneipe und hinter dem Schutthaufen, das Gebäude stand auf einmal vor mir stand wie ein Palast der Winde, mit schiefen Mauern und Dachterrassen mit fliegenden Gitterteppichen,
in einer anderen Lokalität lies ich mir sagen, dass Küssen Beten ist und wie es katholische Priester es so machen, wenn sie es nicht so machen, wie in virtuellen und den Papermedien steht,
als Heimatloser hab ich in einer Bremer Regennacht mir eine Green-Card ergattert und bin gestrandet in einem gehobenen Poetry-Slum, in dem mir berlinadische Stakkato-Literaten, dänische Literatur-Wanderarbeiter und japanische Buchstabensammlerinnen begegnet sind,
wir Bremer hatten einen Heidenspaß, extrabreit, und ich hab von Yoko Tawadas Buchstaben geträumt, .....In welcher Sprache träumen sie? In einer Sprache, die ich nie gelernt habe.....Gibt es einen Genuß beim Verzehren eines Wortes?........Ja, das Wort, dass in Japan am häufigsten in den Mund genommen wird, ist Baumkuchen....
Und ich....Ich versuchte mir einen Zustand auszumalen, in dem man Ruhe hat. Es gelang mir nicht. Dann versuchte ich, mir genau das Gegenteil vorzustellen. Auch das gelang mir nicht.
"Doktor, Doktor, gib mir nen Schuss, ich hab in mir Liebe im Überfluss“, hab ich tags davor unter einem stephanischen Wasserzelt gelernt, und nicht weit vom Ufer der Seine entfernt hab ich bei einem Straßenkunstprojekt mitgemacht, ein Berliner Graffity-Sprayer spielte Kinderspiele mit uns, Kunst im öffentlichen Raum, die Kunstwerkstatt ist der öffentliche Raum, wir wurden die ganze Zeit von Passanten und der Polizei beobachtet und genossen das....Ansehen.
In der Bremischen Hochschule für Künste und gesellschaftliche Risse saß ich zum ersten Mal in meinem Leben in einem Hörsaal und dachte mir, was für ein Privileg doch manche Menschen haben, während unten eine französische Protestantin aus einem Pariser Brennend-Auto-Vororts-Viertel meine Sichtweise über Frankreich verstörte, eine politische Demonstration, "herzbewegend", die Fremde der nachbarschaftlichen Existenz wurde für mich sichtbar,
...ich verirrte mich aus dem Tal der Ahnungslosen in eine Birnentorte, die jedoch tatsächlich ein Lesbentreffpunkt war. An einem viereckigen Tisch, der ein Tisch sein könnte, wenn er sich nicht in eine Abrechnung mit mir verwandelt hätte, setzte ich mich neben ein junges Mädchen mit ihrer Mutter. Ein hübsches Mädchen, dachte ich, bevor ich kurz darauf meine Birnentorte vergaß.
Das Mädchen sagte etwas zu ihrer Mutter....ich hörte von seitlich ihre Stimme, wie im Vorübergehen, was ich vernahm, war eindeutlich eine Männerstimme, ich war total perplex und drehte mich zu ihr rüber. Unsere Blicke haben sich nur eine Sekunde lang begegnet, doch was ich mit meiner Reaktion angerichtet habe, hab ich sofort gesehen. Solange ich am Tisch saß, traute sie sich nur noch, im Flüsterton mit ihrer Mutter zu reden. Und ich. Unfähig, etwas zu sagen oder zu reagieren. Ich war über mich selbst wütend. Diego weinte in Istanbul.
Als Niedersachsenticketmitfahrschnorrer verkleidet trampten mit der Bahn nach Fuhlsbüttel, einige Stunden später sahen wir uns in Dublin wieder und die "It´s so lovely!"-Days begannen...
Enjoy yourself an jeder Straßenecke, und so enjoyten wir abwechselnd durch materiell arme und reiche irische Gegenden und ebensolche Verwandte, wir durchwohnten die irische Wohlstandsgefälleleiter auf und ab, bis uns schwindelig wurde, alles privat, und in der ärmsten Hütte, in der ein Freund seine buckelige Verwandschaft zum Teufel wünschte und mehr Luxus für alle forderte, begegnete ich zum zweiten Mal auf dieser Reise Leonhard Cohen. Er schrieb mir aus seinem Buch, das einem Messi gehörte, es lag fein säuberlich auf seinem Altar zwischen all dem Müll und war mit Fingerabdrücken geadelt, die mir bewiesen, dass es seine Lieblingslektüre war: "The sweetest Little Song: You go your way. I´ll go your way too."…. Du gehst deinen Weg. Ich geh ihn zusammen mit dir.
Später, in Cork, dieser Hafenstadt für gestrandete Menschen aus aller Welt, die Hautfarben sammelt wie Briefmarken (Hamburg und Bremen wirken auf mich im Vergleich dazu geradezu puritanisch dagegen) bin ich nochmals diesem Leonhard Cohen begegnet, diesmal als jungem Mann, den ich gar nicht gesucht habe, in Montreal, 28. Dez.69, wirft er sich vor einer nackten Frau nieder, davon erzählt eine pharaonische Zeichenschrift, der ich in einer bunteren Form schon früher bei Dorothy Iannone begegnet bin, und ich glaub auch schon einmal in einem Buch von Ezra Pound, es sind so ähnliche Schriftzeichen, wie er sie auch in seiner Pisaner Cantos-Texten verwendet.
Die Schönheit des Landes hab ich auch diesmal wieder genossen, die wunderlichsten Plätze befinden sich ohnehin außerhalb der Reiseführer.
Als wir einmal nach rund dreissig Meilen durch No Names Land wieder in eine menschliche Liliput-Ortschaft kamen, dessen Ortsschilder handbemalt im Wind baumelten und in der Bäche von Milch flossen, fanden wir uns kurz darauf (ein paar Tagereisen weiter) in einem Tagtraum wieder, der von zwei jungen Frauen betrieben wurde, er nannte sich „Whistle Stop Cafe“, das aber in Englisch anders hieß, nämlich Mausefalle, die „Zwanziger-Jahre-Musik", die sie auflegten und jedes Zeitgefühl verblassen ließ (surreale Autos fuhren an den Fensterscheiben vorüber) hat uns in ihre Zeit sie auf den Schoß unserer Geschichte gesetzt (oder war es umgekehrt), die beiden können alles, nur nicht kochen, doch die Zeit hängt draußen an der Wäscheleine...wie das Meer an der Küste und das Ende am Anfang.