Seite 31 von 76

Prosalog

Verfasst: 23.07.2007, 18:09
von Nifl
Bild
Foto A.P. Sandor et moi


Prosafluss - Geheime Nachrichten - Flüsterpost - Prosapool - ungebunden - verbunden - Prosadialog - Prosakette - Prosa rhei - ungebunden - verbunden - Prosa - Blitzlichter - Prosalog - Wort zu Wort Beatmung - Prosafolge - ungebunden - verbunden


Hier handelt es sich um einen Faden, in dem ihr euch prosaisch zurücklehnen könnt. Lasst euren Gedanken freien Lauf. Erzählt von euren Träumen, eurem Ärger, euren Problemen, euren Sehnsüchten, euren Beobachtungen, euren Wünschen, euren Phantasien, euren Ideen, eurem Kummer, eurer Wut, eurem Tag, euren Spinnereien … "Die Wahrheit" spielt dabei selbstverständlich keine Rolle.
Fühlt euch frei.

Lasst euch von bereits verfassten Texten inspirieren, greift das Thema auf, oder schreibt einfach "frei Schnauze"… alles ist erlaubt.

Ich bin gespannt!




Kleingedrucktes:

Damit eure Kostbarkeiten behütet bleiben, müssen folgende Regeln beachtet werden:

Bitte keine Kommentare
Keine direkten Antworten (zB. Gratulationen, Beileidsbekundungen, Nachfragen etc.)
Keine Diskussionen
Kein Smalltalk oder Talk überhaupt

Geht immer davon aus, dass alle Texte Fiktion sind.



Prosafluss - Geheime Nachrichten - Flüsterpost - Prosapool - ungebunden - verbunden - Prosadialog - Prosakette - Prosa rhei - ungebunden - verbunden - Prosa - Blitzlichter - Prosalog - Wort zu Wort Beatmung - Prosafolge - ungebunden - verbunden

Verfasst: 27.11.2009, 16:55
von Max
Das Café könnte auch in einer deutschen Großstadt stehen. Eine Zwanzigjährige serviert Milchkaffee und Muffins. Seltsam die Geräusche im Hintergrund. Die Melodie klingt vertraut, doch je genauer ich lausche desto weniger gelingt es dem Ohr einzelne Worte zu erkennen. Dann fällt es auch dem Kopf ein: Es dunkelt zu früh. Systematisch suche ich die Gesichter ab: Sie sind zu hübsch. Zuerst lächeln die so Betrachteten freundlich, doch je länger ich sie anstarre, desto ungehaltener erwidern sie den Blick. Draußen weht ein kalter Wind. Ich fühle mich fremd.

Verfasst: 27.11.2009, 17:15
von leonie
Das Café steht hinter einem norddeutschen Deich. Ein Sechzigjähriger serviert Tee mit Kluntje. Seltsam die Geräusche im Hintergrund. Die Melodie klingt fremd, doch je genauer ich lausche desto mehr gelingt es dem Ohr einzelne Worte zu erkennen. Dann fällt ein Lichtstreif in Auge und Hirn. Systematisch suche ich die Gesichter ab. Sie sind so verschlossen. Doch je länger ich sie anschaue, desto freundlicher erwidern sie den Blick. Am Ende brummt sogar der Alte: Sie sind nicht von hier?

Verfasst: 27.11.2009, 23:25
von Nifl
Da war eine Blume. Vor langer Zeit ist er auf ihr herumgetrampelt. Heute sagt sie, es sei bloß seine Wahrnehmung gewesen. Nur eine Narbe wäre wirklich. Und nun ist er wieder verliebt in das Wort "früher". Wie hatte er es verstoßen in seiner Hässlichkeit mit dem kratzigen "r",
Und ein ganzer Strauß blüht im Karussell.

Verfasst: 28.11.2009, 00:29
von Mucki
Es waren einmal ein paar Tannenbäumchen

Vor vielen Jahren hatten wir in Chile eine Hacienda, ein paar Hektar groß. Ganz vorne, vor dem großen eisernen Tor mit den vielen metallenen Spitzen darüber (und noch Stacheldraht plus Glasscherben, damit sich Diebe auch wirklich keinen Zugang verschaffen konnten) standen einige Tannenbäumchen, vielleicht zwanzig oder so. Sie waren ganz nett anzusehen, aber gaben eigentlich nicht viel her. Sie standen da halt so herum. Niemand kümmerte sich um sie, auch der Gärtner nicht. Der war zu faul. Schließlich musste er ne ziemlich lange Strecke laufen, um dort zu arbeiten. (Obwohl das ja eigentlich gut für ihn gewesen wäre, da er da unten nicht im Visier meiner Eltern stand und sich nen schönen Lenz hätte machen können.) Aber ich schweife ab.

Es war Weihnachtszeit. In Chile gehört der Dezember zu den heißesten Monaten im Land. 45 Grad Celsius waren an der Tagesordnung. Nachts dafür Minus-Grade. Verrücktes Land. In Chile gab es keine echten Weihnachtsbäume, aber eine ungeheure Auswahl an unechten. Aus Plastik, aus Styropor, aus Aluminium, aus Holz (na klasse, da brennt gleich die ganze Bude ab) und aus noch vielen anderen Materialien. Die aus Aluminium waren sogar zusammenklappbar. Echt ne praktische Sache. Und die aus Plastik konnte man aufblasen. Also, an Phantasie mangelte es den Chilenos nicht. Und die Farbenpracht! Hammermäßig. Von lila, türkis, rot, blau, alles gab es, nur keine grünen. Keine Ahnung, warum es keine grünen gab.
Meine Eltern wollten unbedingt einen echten grünen Tannenbaum im Wohnzimmer aufstellen, so wie wir es auch in Hamburger Zeiten immer taten. Bitte, von mir aus. Eh wurscht, da wir den Abend sowieso mit Cocktails und im Bikini am Pool verbrachten. Weihnachtsstimmung? Ha, ich kipp mich wech. Die gebratene Gans, die gab es aber! Darauf bestand ich. Auch auf einer Gänsekeule! Damals war ich noch nicht Vegetarierin.

Am Tag vor Heiligabend lief mein Vater, die Axt in der Hand, runter zum Tor, um einen der Bäume zu fällen. Mit Zornesröte kam er laut brüllend wieder zum Haus bzw. zum Pool, an dem wir uns in der Sonne braten ließen (so wie die Gans gerade im Ofen).
"Diebe, verdammte Diebe! Sie haben alle Tannen geköpft!", schrie er außer sich.
Wir konnten es nicht glauben und rannten allesamt runter. Man muss dazu sagen, dass wir fünf große, sehr scharfe Schäferhunde hatten, die immer draußen waren und Wache hielten. Ich frag mich heute noch, wie sie die Hunde überlistet haben.
Als wir vor dem Tor standen, sahen wir die Katastrophe. Alle Tannenbäume waren etwa um zwei Meter gekürzt worden. Alle! Da macht sich jetzt jemand einen riesen Reibach in Santiago, dachte ich mir. Es lebten viele Deutsche in Chile und jeder würde ne Menge Kohle für einen echten Tannenbaum zahlen.

Traurig sahen sie aus, die abgehackten Bäume. Vielleicht noch etwa eineinhalb Meter hoch und ihrer Krone beraubt. So richtig würdelos. Leute gibt's!
Weihnachten haben wir natürlich trotzdem gefeiert und die Gans direkt am Pool gemampft (war mir eh lieber so), aber ohne Baum.

An diesem Tag erhielt der Gärtner den Spezialauftrag, sich jeden Tag (jeden!), um die Tannen zu kümmern. Mein Vater legte sogar extra eine Bewässerungsanlage für sie an und begutachtete sie ständig, wie auch den Gärtner (tja, José, nix mit Lenz machen, die Chance haste vertan).

Jetzt muss man folgendes wissen: wenn man in Chile Pflanzen ordentlich mit Wasser versorgt, wachsen sie so schnell, dass man ihnen dabei zuschauen kann.
Ein Jahr später hatte sich aus den etwa zwanzig geköpften, jämmerlichen Tannen ein herrlicher, unglaublich dichter, richtiger Wald entwickelt. Die Tannen hatten eine Höhe von etwa zehn Metern erreicht! Jeder Nachbar, jeder Gast bewunderte diesen Wald ehrfürchtig.
Mein Vater dankte noch Jahre danach im Geiste den damaligen Dieben für ihre Tat.
Und nie wieder ging er mit einer Axt einer Tanne zuleibe, selbst für Weihnachten nicht.

Verfasst: 22.12.2009, 22:37
von Lisa
Must take my leave

A. Diese ganzen Schichten. Unter dem Sternenhimmel.
Tapete über Tapete unter Tapete über Tapete. Blumen, Getier. Dieses & jenes.
Wie dieses Kinderspiel, wo man die Hände immer schneller übereinander legt.
Da ist unten im Haus eine Frau gestorben, hätte mich einer gefragt, ob ich sie kenne, so hätte ich ja gesagt,
aber ich habe sie kein einziges Mal Edith genannt. Edith.
Namen. So viele Namen.


My sweet Lady Jane ... My sweet Lady Ann, Marie ... My sweet Lady XYZ .


B. Und in der Lieb, da ist's genauso ...

Frau für Frau steckt sich eine Brosche zwischen die Brüste, zupft die Spiegel und wird bestraft für ihre zu frühe Leidenschaft. Der Schwan, der auf der alles einnehmenden Scholle schläft, der Paradeschwan.
Und die Männchen mit ihren aufgestellten Hahnenkämmchen, auch sie machen mich weich in ihrer Einzelheit und Vielheit. Der Herr gerät nun einmal selbst unter Damen in das Verhängnis der Einsamkeit der Masturbation. Und tränt versteckt.

Die Pläne, die Bilderrahmen. Die Zustände, die Zeiten, an die man sich schon bald nicht mehr erinnern kann.
Wie war das mit dir vor einem halben Jahr? Und vor zehnen? Alles verfliegt

Lippen, auf und zu, fort sind wir im Nu ...

Steine an den Straßenrändern. Schnee, Wasser, Eis. Temperaturen.

C. Sommers, Winters, rauschen. Dahin ...
Wenn das Lied zuende ist, hört man noch das Metall des Instrumentes, das es schon nicht mehr gibt.

Man darf dennoch von Liebe sprechen, wie man ja auch tatsächlich stirbt ohne wirklich ...


I've done what I can.

Verfasst: 07.01.2010, 08:56
von Nifl
Begräbnis

Manchmal beginnt das Leben mit „Weißt du noch“. Die Nacht liegt dann im Sterben und die Trauergäste sind müde. Jemand hat gelächelt auf der Beerdigung. Das ist verboten, auch wenn es mir galt. Oben auf den Bäumen haben Hände tausend Finger. Sie sind blattlos und nur wir hocken in der Krone. Allein mit uns. „Hast du das Nest auch im Sommer gesehen?“, fragst du und ich lüge, pule ein Stück abgestorbene Rinde ab, sie fällt zu Boden. „Warum lügst du?“. „Weil man Nester nicht wiederbenutzen soll, alte Nester sind für die Toten“. Der Wind weht durchs Geäst, aber die Wiege bleibt still.

Verfasst: 18.01.2010, 05:54
von Peter
Diese ganzen Schichten; eilige Gedanken

Bei einer Freundin, die mir etwas erzählte, letztens, dieser seltsame Tanz, der mir aus ihren Worten erschien. Um leichtrer von den Dingen zu reden, floh sie sich hinter das "man", oder dass meine Frage zu direkt gewesen war. Seltsames Maskenspiel, oder anders: Marionette und Bühne, und da erst, als die "Schritte" hölzern wurden, es nicht mehr auf die Füße ankam und das Blatt das Weiß verlor, den weißen Schnee, und ihre Worte nicht mehr einzeln standen und irritierend klangen, da erst konnte sie sprechen; und ward immer leichter in ihrem Sprechen, es fiel ihr immer leichter, von Vergleichen und Bildern zu reden, nur, dass ich bald das Gefühl hatte, nichts zu erfahren aus ihrer Rede, dass immer mehr die klischeehaften Kulissen drohten und sich das, was ich denn hätte hören wollen nach meiner Frage, immer mehr entzog.

Aber heute dachte ich, wenn mir das doch auch leichter fallen würde, statt ewig "Ich" zu sagen, nun diese Luftschichten mit einem "Er" zu beginnen, und dahinter, hinter dem Text, der nichts will als die Luftschichten aufzeigen, allmählich in ein Schweigen zu versinken. (Bei Raymond Carver kann man dies sehen.) Oberflächen, Beispiel, das sich nach außen wendet und nicht nach innen, Passanten, die vorübergehen und nicht wissen, dass es sie gibt, Worte schreiben voller Abwesenheit deiner selbst, und die doch anwesend bleiben, und die Luftschichten fotografieren, so verhangen und quer, so dem Schnee nach, der draußen liegt, sie sich zeigen, schief auf den Häuserdächern, schief auf den Stromleitungen, schief am Straßenrand. Auch das wäre große Sprache, groß in dem Sinn, dass sie entbirgt, und hülfe dir wohl auch in deine Zeit.

(Oder heute die Erzählung von Schnitzler, die ich hörte. Darin auch so spürbar, dass das Er ein Ich ist, ausgeht von einem Ich, und dahin zurückkehrt . . .)

Was wären diese anderen Tänze, die nun also nicht immer Gesicht wollen, sondern beinah sanft hinsagen, dass Maske sei; alles die Maske; Welt, aus Maske . . . Wie würde sich das unter meiner Hand schreiben? Oft träum ich davon, ich könnte die Straße, die da fern, selbst um diese Zeit noch belebt ist, einmal innen in mir vorübergehen lassen, Gesicht, und dort noch ein Gesicht, aber alles: Maske. Ich hörte mir aus dieser Ferne zu, lehnte mich in die Stadt, und aus der Stadt vielleicht in andere Städte. Die Beispiele stiegen hinaus, nichts weiter usw. um die Luftschichten aufzuzeigen, nichts weiter, die selbst Text sind, man muss nur schauen . . .

Gesicht: Aber gestern doch, ach, an Rilke, gegen dieses nun, da kann man nicht weiter an Luft-Texte denken, gegen dieses nun, wenn man es zu spüren vermag, was aus diesem Verschweigen aufkommen kann, Gesicht, das so leicht hin, und doch so alles zurückbringend, so voller Stimme, aus Rilkes Sprache steigt, oder aus Hölderlins Sprache: die Ur-Gesichter, kann man sie anders nennen? . . . Sie retten so über diesen Zeit-Rand hinaus; die Stille, die sie umgibt, und die dich ansteckt mit Gedanken; als Feuer gehst du auf, das die tiefsten Vorräte in dir verzehrt, und dich aufleuchten lässt über die Zeit-Ränder, und die Luftschichten, die da so quer um dich hängen, schon vorweg verzehrte. Maß. Selbst. Tiefe. Innere Zeit. Du, Mensch. Anwesend. Wenn man diesen Ruf nur ertrüge. Nicht mal die Zeit erträgt ihn. Sie selbst wird zum stummen Zeugen. (Sahst du es nie?)

Gesicht, das dich so über-spannt, da ist keine Zeit mehr, die sich reimen will aus kleinen Dingen, da ist alles still; und jedes Wort, das dein Innres versucht ist von großem Schritt; du gingst, wenn du denn gehen könntest, über Jahre über dich hin. Da ist alles da, und alles, was sich verbarg . . . (Warum sprach meine Freundin nicht so? . . . Könnte ich es überstehen? . . .)

Verfasst: 18.01.2010, 21:39
von Lisa
Eine Freundin / die aufgewehte Maske

Heute war ein leichter, freier; ja schöner Tag für Henriette: sie hatte das Herablassen verlernt.
Sie war ganz ruhig geworden, mit der Umgebung ruhig.

Henriette heißt eigentlich ganz anders, aber der Zauber dieses Tages macht es, dass Henriette ein ebenso guter Name für sie wie jeder andere ist.

Das Verlernen der Herablassung. Spürbar in diesem heilsamen Wind, der ihr das Gesicht öffnete.

Sie Sie Sie ...

Alles beginnt mir ihr und es macht ihr keine Angst.

Die Passanten auf dem Heimweg wie Vorüberrauschendes, Algen, Sand, Gestein. Und sie ein einzelner Fisch zwar, doch.
Schwarm, auf der Reise, ob durch Gräser, ob im Eise.

Wie dieser Jüngling, der im Berginneren beim Eremiten ein Buch über sein eigenes Leben fand, das sich schrieb und schrieb.

Das fiel ihr ein - als sie das Herablassen verlernte. Sie verstand, dass sie es war, die dieses, ihr Buch schrieb, ganz nebenbei, immer schon.

Der Berg war schön. Der Berg war eine ganz flache Straße mit Nummern, Schildern, Tonnen, Häuserfronten, verrußten Bäumen. Der Berg war schön. Der heilsame Wind öffnete und öffnete ihr Gesicht. Es war eine große Gefahr, eine sehr große Gefahr, aber es war gut wie es war.

Es ist nicht zuende. Es ist immer noch der Anfang. Es ist immer der Anfang.


Du hast in mir den edeln Trieb erregt
Tief ins Gemüt der weiten Welt zu schauen;
Mit deiner Hand ergriff mich ein Vertrauen,
Das sicher mich durch alle Stürme trägt.

Verfasst: 25.01.2010, 23:29
von aram
traumfetzen("kollossal" absichtlich mit doppel-l)

„Kollossale Anlehnung. Geil.
Ich habe gesehen, was du machst.
Aber sie will es sich nicht mit mir ansehen.“

„Sie wird es sich auch nicht mit dir ansehen. Höchstens du mit ihr.“

„Warum?“

„Weil sie die Große ist, und du bist der Kleine. Jedenfalls meistens.“

„Du hast recht.“

In leisem Trotz, nach dem schon geschehenen Schmerz, durch ihn durchblickend.

Etwas völlig Klares im hellen Blick dieses Jungen, der die Entäuschung auf sich nahm, weil Wahrhaftigkeit das Faszinierendste war. Ich sah Lisa an. Es war ganz unglaublich, wie sich ihr Sohn, der noch keine drei Jahre alt war, artikulierte.

Es ging um Fliesen.

Ich hatte mir, kariertes Papier, die Geometrien mit Diagonalen hergenommen, Boden- und Tresenfliesenmuster in einer Küche, die Grundgeometrien, Teilungen, die erforderlich waren, damit derartiges aufgehen konnte, Dreier, Fünfer, Zwanzigermuster.

Lisa, ihr Mann, ihr Sohn, ihr Freund, und der Film, den sie nebenbei drehten.

Die Verblendmauersteine – „Wo habt ihr die schönen einfachen Steine her?“

„Ganz einfach, das übliche geflämmte Zeug vom Baumarkt, in der Mitte auseinandergeschlagen, ergibt tadellose Steine“

Sie wurden sehr sauber hoch- und um die Ecken gemauert – es war vorwiegend Lisas Mann, der die Mauerarbeiten ausführte, er war darin versunken, aber nicht von uns abgewandt – das Haus einpackend, darin monolithisch wirkend und doch zart, zur ruhigen Großfläche wachsend.

Ich fragte mich, ob das ewig stehen würde, oder irgendwann mal wieder abzufallen begänne, vielleicht an einem Wandfuß zu sanieren wäre, sah ein Schadensbild - ob das in eine historische zukunft zu fassen sei oder ‚out of time’.

Der Fliesenleger hatte diagonale Eckbordüren in die Bodenfreifläche der Küche gelegt, die übergangslos mit den Tresenfliesen zusammenstimmten, sodass die räumliche Begrenzung durch die Einbauschränke sich scheinbar auflöste - ich sah mir interessiert und einigermaßen fasziniert an, wie eine durchlaufende Wirkung entstand, obwohl 90cm Höhensprung dazwischen lagen.

Ich merkte an, wie gut der Fliesenleger offenbar drauf war. Doch Lisa und ihr Mann meinten, er wäre auch nicht so gut, und zeigten mir an einem Sockelrand eine Stelle, wo zwei oder drei der hellen Fliesen ein bisschen uneben in den Fugen lagen.

(die szene mit dem markierungen anlegen.

dann die filmszene, in der lisa und der freund standen und ‚posierten’, so fein.)

Ich kam ein andermal wieder und versank dann ins Karierte in Lisas Arbeitszimmer oder so, während anderswo sozialer Austausch stattfand.

Als ich daraus auftauchte war einige Zeit vergangen, mein Fehlen war am Rande bemerkt aber zugelassen worden, man konnte auch nicht wissen, dass es sich bis ans Ende des Besuchs dehnen würde, bis es ‚vorbei’ war –

„Was kann man da jetzt machen?“ fragte Lisas Sohn.

„Nichts kann man machen. Das Einzige, was zu tun ist - dass ich wieder weggehe und euch damit lasse.“

„Oh! Ich habe es schon gesehen. Was du machst. Kollossale Anlehnung. Aber Lisa will es sich nicht mit mir ansehen.“ „Sie wird es sich auch nicht mit dir ansehen.“

Verfasst: 27.01.2010, 00:33
von Mucki
Staubiger Fall

Ein Mann wie ein Baum. Mochte mich so gerne nähern, mich schützend unter ihn stellen. Nicht neben ihn. Ein Neben hätte er nie geduldet. Dafür fühlte er sich zu sehr wie ein Baum, trug die Krone zu aufrecht. Ich forderte kein Neben, nur ein kleines Unter für mich.
Er hätte mein Schild sein können in meinem Kampf. Nein, hätte er nicht. Er war mein Gegner. Und doch wollte ich mich ihm nähern. Den Krieg hatte er erklärt. Er trug die Krone. Und ich ließ mich darauf ein, ließ mich ein auf das Schwert, das viel zu schwer für mich war.
Der letzte Feldzug ging von mir aus. Ich saß ihm zu Füßen, legte das Schwert nieder. Er verwehrte die Anlehnung und starb. Er starb nicht wie ein Baum. Er starb nicht aufrecht. Die Krone rollte weg und verstaubte.
Er hat den Krieg verloren. Als Sieger fühle ich mich nicht.

Verfasst: 02.02.2010, 09:05
von eva
Pass-Wörter

Pass auf, dass Dir nichts passiert! Und so passte ich. Ich achtete sorgsam auf das Ungeschehene und ließ es unvermerkt verstreichen. Wenn sich etwas rührte, fiel ich aus dem Konzept und warf schnell ein farbloses Tuch darüber. Doch von solchen Passagen erholte ich mich lange nicht, es dauerte geraume Zeit, bis ich nicht mehr unpässlich war. Dann kehrte der Rhythmus des Unwesentlichen wieder und führte mich sanft in die Unzuständigkeit zurück. Ob ich dabei etwas verpasst habe? Daran erinnere ich mich nicht. Nicht sehr zumindest. Nur manchmal hätte ich gerne ein wenig aufgepasst. Auf einen Schmetterling, ein Windei oder einen Storch hoch oben auf dem Kamin. Oder dich abgepasst. Deine Hand an meiner Wand mit geschlossenen Augen. Aber man kann nicht alles haben. Ich hatte mich schließlich daran gewöhnt, mein Leben passieren zu lassen, ohne es anzurühren, das passt schon. Wie man im Süden so sagt. Passt schon.

Ich danke C. für ihren Satz, aus dem ich ein Eigenes gemacht habe.

Verfasst: 27.02.2010, 13:50
von Lisa
4x Husten

[table=border:0px][tr=][td=]
Ich, Jana Eisenbruch, möchte ein Brecheisen besitzen, mit dem ich meine Brust aufstemme, die fühlt sich so chronisch zu einer Platte verknöchert an. Ich möchte auf dem Rücken liegen, nach dem Eisen greifen, die Spitze leicht an passender Stelle unterhebeln und es dann Knacken lassen, wie Käfer knacken, wenn man auf sie tritt. Auf ganz viele Käfer zugleich.



Ich stelle mir vor, dass als Folge ein Lichtstrahl mit aller Gewalt durch den Riss Richtung Himmel flutet, wie bei den Glücksbärchis, nur physikalischer. Meine Augen folgen dem Licht und das bleibt alles von mir: dass ich strahle und hinaufschaue zu diesem Strahl.



Genau genommen wird man dieses Geschehen wohl nicht beobachten können, da mein Körper für diesen Lichtstrahl nicht genug Energie besitzt, ich werde im Bruchteil einer Sekunde schon aufgezehrt sein, das Licht wird aller Wahrscheinlichkeit nach nicht einmal aufleuchten.
Aber wenn ich es mir vorstelle, dann habe ich das Gefühl, es wird eine erlösende Ewigkeit sein, die das Universum bedeutet.

[/td][td=]
[/td][/tr][/table]

Bild

Verfasst: 03.03.2010, 17:24
von Mucki
Trampelzündung

Es bewegt sich was. Trippel trippel. Mäuseschritte vielleicht? Die satte Katze rührt sich nicht. Zu Tode gespielte Mäuse. Bauchwärts rund liegt sie da. Keine Mäuseschritte. Ich bin keine satte Katze. Was spüre ich. Höre ich. Ich jage mit der Flinte im Kopf. Jage und jage. Keine Mäuse mehr. Kaninchengroße, weiße Plattenratten. Weiße. Die braunen sind fade. Schmecken nach Gewohnheit. Neu geborene Beute. Durch das Beben geboren. Durch die Risse empor getrampelt. Entzündete Synapsenspalten.
Es bewegt sich was.

Verfasst: 12.03.2010, 16:44
von Peter
Die Gedanken des Spediteurs Hermann Holzbein


"Sieger im Scheitern" las ich letztens als Überschrift über dem Gesamtwerk Robert Walsers. Sieger im Scheitern! Und Ähnliches las ich über dem Gesamtwerk Fernando Pessoas, bzw. dem Viertel- oder Oberschichtenteil seines Werkes, das ja, seit sein großer Übersetzer Georg Rudolf Lind gestorben ist, gemächlich in der Truhe verstaubt. Sieger! Ach, ich möchte mich auch einen Sieger nennen. Ich, Hermann Holzbein, der ich dastehe auf zwei gesunden Füßen, von Beruf Spediteur, Frühaufsteher und Fleischwecken-Esser an der Tankstelle Kreuzung Bismarkstraße-Heringsallee morgens um halb zehn. Jedenfalls, dass ich träume, ein Sieger zu sein; während die Bauten von Berlin vorüberziehn und es auswärts geht auf die regennassen Autobahnen, träume ich, ein Sieger zu sein ... im Rumpeln der Ikea-Möbel, die sich stapeln und dem mitgelieferten Geschirr das klirrt, träume ich zu siegen.

Ich schreibe heimlich. Ich schreibe, während das Radio plärrt und der Kollege raucht und wir die 38 Pfützen überfahren, die vielleicht die immer selben 38 Pfützen sind, die es an der Ausfahrt West an jedem Regentag gibt, und die so erhaben das Regenwetter widerspiegeln. Ich schreibe, nicht Zeilen, nein, ich schreibe Gedanken, ich schreibe sie so, dass sie nicht Zeilen werden (müssen), dass sie sich aufheben dürfen von der Straße und sinnvoll und weit in der Windschutzscheibe stehen, weit: dem Horizont nach, der nach der Ausfahrt West erscheint, weit, dem Horizont nach, der sich voller Morgengräue aus den Wäldern löst nach der Ausfahrt West.

Denn Zeilen, mein Lieber, sind etwas Furchtbares - sage ich in Gedanken zum Kollegen, der wie ich schweigt; und raucht, und hustet und raucht. Denn Zeilen, mein Lieber, sind etwas gar zu Entsetzliches ... schau nur, wie sie alles zerfahren; diese erhabene Pracht der Luft ... schau nur, wie sie die Tropfen zerschlagen ... den Regen fauchen machen ... die Landschaft durchtrennen; diese erhabene Landschaft durchtrennt haben ... und uns gefangen halten, und uns durchtrennen, uns, mein Lieber, und deshalb schweigen wir, und wissen schon, wissen wir es, wissen wir es denn, weißt du es, mein Lieber? Es wird die Zeit kommen und sie ist schon da, in der sich einer eher den KOPF abschlagen lässt oder das Herz, als nur eine Zeile zu sagen. Denn gar zu entsetzlich sind die Zeilen. Denn so entsetzlich sind die Zeilen geworden. - Ich bin Spediteur und weiß es . . .

[fragment]