Prosalog

Hier ist Raum für gemeinsame unkommentierte Textfolgen
Nifl
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Beitragvon Nifl » 23.07.2007, 18:09

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Foto A.P. Sandor et moi


Prosafluss - Geheime Nachrichten - Flüsterpost - Prosapool - ungebunden - verbunden - Prosadialog - Prosakette - Prosa rhei - ungebunden - verbunden - Prosa - Blitzlichter - Prosalog - Wort zu Wort Beatmung - Prosafolge - ungebunden - verbunden


Hier handelt es sich um einen Faden, in dem ihr euch prosaisch zurücklehnen könnt. Lasst euren Gedanken freien Lauf. Erzählt von euren Träumen, eurem Ärger, euren Problemen, euren Sehnsüchten, euren Beobachtungen, euren Wünschen, euren Phantasien, euren Ideen, eurem Kummer, eurer Wut, eurem Tag, euren Spinnereien … "Die Wahrheit" spielt dabei selbstverständlich keine Rolle.
Fühlt euch frei.

Lasst euch von bereits verfassten Texten inspirieren, greift das Thema auf, oder schreibt einfach "frei Schnauze"… alles ist erlaubt.

Ich bin gespannt!




Kleingedrucktes:

Damit eure Kostbarkeiten behütet bleiben, müssen folgende Regeln beachtet werden:

Bitte keine Kommentare
Keine direkten Antworten (zB. Gratulationen, Beileidsbekundungen, Nachfragen etc.)
Keine Diskussionen
Kein Smalltalk oder Talk überhaupt

Geht immer davon aus, dass alle Texte Fiktion sind.



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Zuletzt geändert von Nifl am 04.08.2007, 09:08, insgesamt 1-mal geändert.
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

Gerda

Beitragvon Gerda » 20.10.2012, 09:52

"Bald wird die Zeit um sein".

Die Zeit vergeht nur für uns Menschen, also schreib ich wohl besser, dass meine Zeit bald um sein wird, oder die gemeinsame Zeit mit dir, die noch nicht einmal begonnen hat. Wie der Abschied schon lauert durch das Gold der Bäume. Nicht mal heimtückisch, sondern offensichtlich. Hoffentlich wird erst einmal alles so, wie wir es erhoffen.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 21.10.2012, 00:26


Die Zeit, in der ich ständig unkte, die Zeit wäre bald um, ist um.

pjesma

Beitragvon pjesma » 24.10.2012, 17:15

schneien solls am wochenende. heute gings aber noch. trotzdem lief vor mir eine kleine frau mit riesieger bommelmütze, hüpfendes schrittes. unverstanden und einsam lief ich hinterher... weil, sie hätte wahrscheinlich nicht verstanden, hätte ich ganz leise la-la-la-la-la-la-la-pommpomm gesungen. nix übrig für finnische lieder, bestimmt. und der hape lief nicht neben mir, natürlich nicht. ich lachte ganz alleine auf breiten straße, und nur innerlich. niemandem zu haben mit dem man grade ein lacher entzweiteilt, das nenn ich die schlimmste einsamkeit von allen.

Herby

Beitragvon Herby » 24.10.2012, 19:28

Vor mir geht ein älteres Ehepaar, mit Sicherheit jenseits der 70, beide. Sie halten sich an den Händen, manchmal schwenken sie mit den Armen wie zum Takt eines Liedes. Auf einmal bleiben sie stehen; sie sagt leise etwas zu ihm und er streicht ihr zärtlich über die Wange. Zum Glück habe ich nicht gehört, was sie ihm zugeflüstert hat. Ich bin inzwischen auch stehengeblieben und tue so, als würde ich etwas in meiner Hosentasche suchen. Dann schlendern sie weiter, Hand in Hand. Ich könnte sie ohne Mühe überholen, aber ich passe mit einigem Abstand meine Schrittgeschwindigkeit ihrem Tempo an. Ich könnte sie noch stundenlang beobachten. Zwei alte Bäume, deren Zweige im Laufe der Jahre ineinander gewachsen sind und sich gegenseitig Halt geben.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 31.10.2012, 19:37


wenn blätter noch mal fliegen

bei meiner laufrunde heute musste ich die beine viel höher als sonst anheben, es war eher ein springen oder ein hürdenlauf. unmengen von blättern hat es von den bäumen gefegt. gestern waren sie noch belaubt, heute kahle, zitternde gerippe. ich laufe nicht in einem gepflegten beet, sondern kreuz und quer durch einen alten bolzplatz mit baumbestand, wiesen, steilen hügeln, kinderspielplätzen (die kiddis kennen mich schon und winken immer so niedlich, ich winke zurück) und leuten mit hunden, die sie entgegen der regel frei laufen und kacken lassen (sie gucken immer schnell weg, wenn ich angetrabt komme) und bänken, die von junkies aus ihren angeln gehoben wurden, damit sie nachts besser party machen können. wegen dieser düsteren gestalten laufe ich auch nur tagsüber (wenn ab und an ein paar von denen da abhängen, grüße ich sie nicht, sie ignorieren mich eh). doch heute bin ich gesprungen, hopp hopp hopp, der boden so federnd wie noch nie. ein schönes gefühl war das. habe tonnenweise bereits auf dem boden liegende blätter noch einmal fliegen lassen.

Gerda

Beitragvon Gerda » 05.11.2012, 10:59

Fliegende Blätter beschreiben. Doch was mir auch einfällt, nichts ist so licht und leicht, dass es schweben könnte. Zu hoch war die Erwartung. Das Erwachen hart. Dabei logisch. So sehr, dass es mich wundert, so blind gewesen zu sein. Wollte sehen was ich wünschte. Nähe fühlen. Die Erkenntnis trifft mich tief: Das Leben ist nicht so. Der Anschein war zu schön um wahr zu sein. Eben!

Mucki
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Beitragvon Mucki » 07.11.2012, 23:52


Das Leben ist nicht so

wie ich es mir bewusst wünsche oder denke. Da ist zu viel Wollen enthalten. So funktioniert es nicht. Wie oft habe ich mir etwas unbewusst gewünscht oder gedacht. Genau das ist eingetreten (das merkte ich jedoch erst danach). Weil darin kein Wollen enthalten ist. Keine bewusste Manipulation. Das ist das Prinzip. Nur, wie stelle ich es an, das Leben unbewusst zu lenken, ohne mir dessen bewusst zu sein? Gar nicht. Weil das Nachdenken über das Unbewusste bereits Bewusstsein bedeutet und somit die Rechnung nicht aufgeht. Das Leben ist nicht so. Das Leben ist keine Rechnung, keine Gleichung und auch kein Zufall. Das Leben ist nicht berechnend, nicht abrechnend. Das Leben ist nicht so, dass ich nicht Schlüsse aus ihm ziehen, sehen kann, welche unbewusste Rechnung aufgegangen ist, im Nachhinein. Das Leben ist, was mir zufällt. Ich sehe es, immer im Nachhinein. Vieles ist mir zugefallen. So ist das Leben eben.

jondoy
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Beitragvon jondoy » 16.11.2012, 00:22

Draußen Minusgrade. Nebel. Dunkelheit. Die Pferde im Stall werden aufgesattelt. Die Luft im Stall dampfig. Der große Braune, der da in der Box steht, war tagsüber draußen auf der Weide. Man sieht es ihm an. Getrockneter Matsch hängt in seiner Mähne, seinem Fell. Putzen vorher angesagt. Ihn wird, wenn er aufgesattelt ist, eine junge Frau reiten, frisch verheiratet. Die Striegel und Bürsten taugen ihr nicht. Ihr Brauner mag die nicht, sagt sie, als ich an ihrem Stall vorbei komme, und bittet mich, ihr eine weiche Bürste hineinzureichen. Ich stehl mir eine und bringe sie ihr in die Box rein. Der große Braune hat kein Halfter an, wirft seinen Kopf ständig nach oben, sobald sie mit der Bürste durch seine Mähne streichen will. Ich beruhige ihn und halte seinen Kopf mit meinen Händen ruhig. Sie vergisst mich, legt die weiche Bürste aus der Hand und fängt an, mit ihren Händen die festgetrockneten Brocken Erde und Lehm aus seinen Fellsträhnen abzureiben. Ich sehe zu, beobachte, wie zart sie das macht und wie sanft sie dabei auf ihn einredet. Sie könnte ihm natürlich mit der ´harten´ Tour kommen, ihm ein Halfer anlegen, damit seinen Kopf festhalten und dann striegeln und bürsten, aber sie machts auf die sanfte Tour, auf die ungewöhnlich sanfte Tour, Zeit spielt für sie in diesem Moment keine Rolle mehr, sie bearbeitet ihn oder sie streichelt ihn mit ihren Händen, wo das eine aufhört und das andere anfängt, ist fließend, sie ist mit ihren Sinnen voll auf ihn konzentriert, ich beobachte diese Weichheit minutenlang, sie fasziniert mich, andere würden das nicht mitansehen können, dieses Prozedere ginge ihnen auf die Nerven, viel zu langsam, Zeit ist Geld, Geschwindigkeit längst Lebensphilosopie, aber die da schert sich nicht darum, nimmt jede Langsamkeit für sich in Anspruch, sie schenkt ihm ihre Weichheit, jede seiner Strähnen ist kostbar für sie, befreit ihn vom Dreck, von seiner Angst, mit ihren bloßen Händen. Stört nicht die Weichheit. Ich kann es mitansehen, ich kann auch mit Pferden, nur auf einer anderen Frequenz. Ich bin anders mit Tieren aufgewachsen. Geburt und Tod, Kreislauf der Natur. Fressnapf, Sinnbild für pervertierte Domestikation.
Später draußen. In der Kälte, dem Nebel und der alles umfassenden Dunkelheit höre ich dem Schnauben meines Pferdes zu. Es ist taghell.

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Zefira
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Beitragvon Zefira » 16.11.2012, 01:02

Ich wollte dem kleinen Kater Lebewohl sagen. Er hatte eine halbe Stunde auf meinem Schoß gelegen, so leicht wie Luft. Mit der einbrechenden Dunkelheit gesellte er sich den anderen Katzen zu. Ich blieb unter dem Lichtkreis der Laterne, sah manchmal ein blankes weißes oder rotes Fell unter den Bäumen taumeln, hörte ihr Raufen und ihre hellen Stimmen, als der Tau fiel; sie schlugen Purzelbäume im Gras. Der kleine Kater kam nicht zurück. Um Mitternacht räumte ich meinen Stuhl nach innen und klappte den Tisch zusammen. Da kam er durch den weißlichen Taunebel gerannt, gerade auf mich zu. Umkreiste einmal meine Fußknöchel, gab einen zischenden Laut von sich; schlug spielerisch die Pfoten gegen meine Schienbeine. Und war wieder weg. Am Morgen meiner Abreise trödelte ich herum, trug meine Mülltüte zum Container, verabschiedete mich ringsherum, putzte die Autoscheiben und fegte den Fußraum des Wagens aus; doch keine Katze ließ sich blicken. Ich hatte damit gerechnet, dass mindestens eine mitgenommen werden wollte, und war enttäuscht und erleichtert.
Vor der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.

(Ikkyu Sojun)

Mucki
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Beitragvon Mucki » 20.11.2012, 18:57


So viele Vierbeiner haben mich in meinem Leben begleitet und gingen wieder.
So viele Zweibeiner kreuzten meinen Weg. Sie flogen mir alle fort.
Nur ein Tier ist mein ständiger Begleiter. Es bellt, miaut und fliegt nicht. Es lässt sich weder streicheln, noch zähmen.
Und verabschieden will es sich nicht. Ich weiß auch gar nicht, ob ich das möchte.

Peter

Beitragvon Peter » 19.12.2012, 01:08

(die anstrengung zu erscheinen)

Allseits fällt es ihm schwer, den Menschen in die Augen zu sehen, als hätte er dadurch ein Messer nahe an der Haut weiterzuführen bis zum Schnitt. Er lebt von Vorstellungen, die ihm nur wenig bewusst sind, die aber viel mehr Licht verbreiten, als es die Wirklichkeit könnte. Er hegt seine Menschen, sie wohnen in ihm, sie sind ein Teil von ihm - muss er sie allerdings betrachten, befremden sie sich auf derart sich übersteigende Weise, dass er den Blick wegnehmen muss und den Blick, scheint es ihm, waschen muss, er liest dann oder sieht lange in sich selbst, ehe sein Betrachten wieder aufkommen kann. Augen haben etwas Furchtbares, sie tragen die Fremdheit in sich, unter aller Verschwommenheit sind sie die wahrhaften Kerne, der fruchtigen Luft der hölzerne Widerspruch, der an Sprachen gemahnt, die ohne Ironie bestehen; in den Windungen, an die er glaubt, und wo alles wirbelt, sind sie schwunglos; nein, die Welt ist weder Bögen, noch Möglichkeit, noch Streifen entlang weicher Zukünfte; Welt ist jetzt, ist da, ist ein Schmerz, auf dem wir unsre Gedankengebäude errichten. Ich weiß nicht, welches Wort es ist, das die Augen sagen, aber es muss ein sehr altes sein, eines, vor unsrer Zeit, vor aller Zeit. Man bedenke, schon die ersten Menschen sahen sich mit diesen Augen an, sie führten andere Worte oder Gesten und waren geborgener vielleicht, aber es waren dieselben Augen. Derselbe Blick, der dich trifft, war am Anfang der Zeit, und der Blickt fragt dich: Wo bist du, da ich der Anfang war, wo bist du? Die Dämmung, die durch Mimik oder Verschleierung, durch vorsätzliche Gedanken auf den Augen liegt, vermag diese Augenkraft doch kaum zu schwächen. Ach, Zimmer, sagen die Augen immer, klägliche, kleine Zimmer, verlornes Du, verlorene Welt, Fenster an einer Mauer, und Stiegen irgendwo, die ins Nirgendwo führen. Wer hätte je die Grausamkeit, die in den Augen liegt, entfaltet und dürfte es zur Wirklichkeit? In der Zeit fliehe ich am meisten die Augen, und tat es je, oder zumindest, als ich begann, das Ansehen zu begreifen. Die Augen, sagt man, seien die Spiegel der Seele, aber einer wartet vergebens, dass sie in dem Spiegel erschiene. Es fällt alles, wenn einer wartet, und ich warte und alles fällt. Die Augen gemahnen, dass du warst, dass Welt war, vielleicht Musik. Wenn sie war, verblieb sie als trüber Rest, der sich an den Lidern sammelt, Träne, die sich ob des Sprechens, der Höhe und gleichsamen Niedrigkeit aller Welt nicht lösen kann. Wer wüsste sie – selbst der, der sie trägt, weiß sie nicht.

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 19.12.2012, 21:21





Spiegel sind nicht für die Dauerwellen der Seele gemacht.


Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

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nera
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Beitragvon nera » 20.12.2012, 01:52

ach? spiegel spiegeln. mehr nicht! sie verwandeln keinen prinz eisenherz in einen rauschgoldengel. die seele bleibt sich treu, wenn es sie denn gibt, täuscht sich nicht darüber hinweg, dass sich hinter all dem dauergewellten ein kannibale versteckt. im traum verzehrt sie innereien.

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 20.12.2012, 14:14



||Kuckuck||Kuckuck



Dass es Texte gibt, bei denen man nach jedem Satz mit den Türen blinzeln will.

Und tut es nicht. Wie ein Kind, das erst zu weinen anfängt, wenn es die Mutter sieht.

Ich bin ja da.

Es ist so leicht Kindern in die Augen zu schauen.

In deinem Licht siehst du seekrank aus, schwankst alles zu Bedeutungen auf. Der Boden ist still.

Du heftest die Augen darauf, verlierst den Faden in den Schlieren des Linoleums.

Ich denke, kopfschüttelnd wie ein Nikolaus, Nacktmullnerven müsste man verschenken können.

Ein grottiger Wunsch. Als würde ich dir eine Gabel reichen, damit du dich tiefer wühlen kannst.

Um zurück zum Schmerz zu finden.

Moderne Kannibalen sind Knochenleser, sie nagen am eigenen Fleisch. Ach?

Wie tief ist das Giggeln eingewachsen? Schmeckt es noch nach Ausstecherle und Kababärten?


Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)


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