Lyrischer Dialog

Hier ist Raum für gemeinsame unkommentierte Textfolgen
Nifl
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Beitragvon Nifl » 11.08.2006, 17:59

Liebe Schreibfanatiker,

ich möchte hier in diesem vitalen Forum einen "lyrischen Dialog" beginnen. Lyrische Dialoge sind kooperatives Schreiben, Gedichte, die (auf-)einander aufbauen. Das können inhaltliche Bezüge sein, oder es werden Worte des "Vorschreibers" aufgegriffen, oder man übernimmt einfach nur die Stimmung.
Hierdurch entstehen unkommentierte Gedichtfolgen. Die Form bleibt dem Autoren überlassen (zB. ob gereimt oder ungereimt ...)
Würde mich über rege Beteiligung freuen!

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Zuletzt geändert von Nifl am 30.08.2006, 19:10, insgesamt 2-mal geändert.

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birke
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Beitragvon birke » 16.11.2021, 15:22

die fenster nach norden
stehen offen
und die südsicht verklärt
den eiszapfen an der dachrinne oder
gehen wir barfuß ums haus
weht der wind
sanft
sind die blumen in der erde sanft
sind wir im gras
im schnee
wärmt uns eine moltebeere
oder glögg
(klingt nach glück)
tu etwas mond an das, was du schreibst. (jules renard)

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 19.11.2021, 07:30

die blaugänse ziehen wieder

wir sehen sie
nur weil es wolken gibt
balancieren wir auf zehenspitzen

und in der schwebe drehen wir
worte in papier
nesteln nach feuer

sanft sagst du
und es klingt so gelb
dass es uns schüttelt

wir fallen seite an seite ins grüne
so haben wir lange nicht
zusammen gelacht
Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

Nifl
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Beitragvon Nifl » 19.11.2021, 19:24

Mit Lachen haben wir uns gewaschen

Der Stein glänzt noch
in den Scherben
nun zieht es
durchs Haus hindurch
verhüllt die Möbel mit Wüstensand

Ich bin ein Stuhl
und du hast mich längst besetzt
mit Grasbüscheln in den Händen

Sie dachten wir seien
in den Himmel gewachsen
aber ich hoffe du bliebest einfach
dann würden wir Blaumacher sein
ein Anemonenpaar
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 30.11.2021, 16:44

lullaby

mit den füßen im wüstensand
feststecken anecken wecken
was schläft und warum kreisen wir
mit den worten wie mühlen

du driftest ab in die schatten meines waldes
da ist ein bach
da ist ein stein
da ist ein

oh don‘t you cry
Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

Nifl
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Beitragvon Nifl » 02.12.2021, 19:25

Wie Mauersegler
in der Luft leben

du mit Feder im Haar

Mühlräder mahlen Schatten

Ruß
im Gesicht verwischt

oben fliegen sie weiter
ungerührt
in unseren Erinnerungen

gleiten ist am schwierigsten
sagen sie
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

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birke
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Beitragvon birke » 08.12.2021, 18:40

federgedanken
umspielen die luft
rein und klar
deine worte aus alabaster
aus rauer kehle
ruft der mauersegler
deinen namen
komm, komm
auf meiner lippe
warten schneeflocken
tu etwas mond an das, was du schreibst. (jules renard)

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Nifl
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Beitragvon Nifl » 09.12.2021, 19:33

Tauwetter

Winterlippen
kommen sich nahe
Schneemann und Schneefrau
liegen einander in den Armen
schmelzen dahin
wie Heißblütige
im Geheimen
glitzern ihre Gedichte
in feuchten Gefilden
zittern sie vor Wärme
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

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birke
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Beitragvon birke » 10.12.2021, 17:03

mein schneewort schmilzt
an deiner wange
ein tropfen
siehst du das baumgewand
weiß um den winter
und kein abschied ist nah
und näher noch
dein arm um meine schulter
ein zittern
weit gefühlt sagst du
dass die hummeln summen
ist kein zufall
eher hinfall oder gabe
tu etwas mond an das, was du schreibst. (jules renard)

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Nikolaus
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Beitragvon Nikolaus » 19.12.2021, 04:46

näher blieb nur
das unerreichbare
die träume flogen
unter die haut
und vermehrten sich dort
zu abstürzen
und ich suchte weiter
in all dem gefundenen
nach überresten meiner tröstungen
doch näher blieb
nur die gesammelte einsamkeit

.
Ich lese Lyrik. Das spart Zeit.

(Marilyn Monroe)

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birke
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Beitragvon birke » 28.12.2021, 13:31

die träume undter der haut
regen sich
wenn du verse sprichst
weiße träume
wändige blätter
und in winkeln hausen
flausen
tu etwas mond an das, was du schreibst. (jules renard)

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Nifl
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Beitragvon Nifl » 01.01.2022, 15:33

Wir zählen unsere Hautringe nicht

Aus den Flausen
ist das Garn gewoben
flüsterst du fadenscheinig
und löst die Schleifen
damit wir rutschen können
ins Neue Jahr
als zwei Befreite
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

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birke
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Beitragvon birke » 07.01.2022, 23:23

das januarmeer ist uns gewogen

unsere sprache schlägt wellen
wenn wir von flausen reden
von flüssen
die ineinander fließen
wie zwei strandende
im wintermodus
sind wir liebende
tu etwas mond an das, was du schreibst. (jules renard)

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aram
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Beitragvon aram » 09.01.2022, 03:48

die woge des januarmeeres steigt auf und


gewogen wird das unwägbare
für zu schwer
für zu leicht befunden

nicht überwältigbar

einige werden nervös
beginnen zu rudern
exponiert in ihren zellen

ihren schönen zellen!

andre sehn evtl mehr
gewogen bleiben auch sie nur
vielleicht sich, in wärme?

das ist schon ein glück, ein großes

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birke
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Beitragvon birke » 10.01.2022, 16:18

plädoyer für eine zarte weise

wir rudern
durch den schlamassel
und halten uns
tapfer sagst du sei
zartbesaitet
und höre die bäume
wogen gewogen
bin ich dir du mir
solange
das boot trägt
steck ich dir blumen ins haar
gischt und algen und wir
halten den wellen stand
solange eine absicht besteht
und die absichtslosigkeit
des universums
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