Lyrischer Dialog

Hier ist Raum für gemeinsame unkommentierte Textfolgen
Nifl
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Beitragvon Nifl » 11.08.2006, 17:59

Liebe Schreibfanatiker,

ich möchte hier in diesem vitalen Forum einen "lyrischen Dialog" beginnen. Lyrische Dialoge sind kooperatives Schreiben, Gedichte, die (auf-)einander aufbauen. Das können inhaltliche Bezüge sein, oder es werden Worte des "Vorschreibers" aufgegriffen, oder man übernimmt einfach nur die Stimmung.
Hierdurch entstehen unkommentierte Gedichtfolgen. Die Form bleibt dem Autoren überlassen (zB. ob gereimt oder ungereimt ...)
Würde mich über rege Beteiligung freuen!

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Zuletzt geändert von Nifl am 30.08.2006, 19:10, insgesamt 2-mal geändert.

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nera
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Beitragvon nera » 14.12.2016, 01:54

besser du hörst wie es kraetzt
kratzt der schorf
oder den schorf
wie du es wählst
deine entscheidung
dein scheiden
zwischen heute und morgen
mein scheiden
"dem jammer kannst du nicht zusehen"
wenn wir engelbrot essen
und engelbrot träumen
wir

ich setzte fragezeichen in den ledstrom
mit mistelzweigen gegen hunger
nach zeilen dazwischen
weißbeerig ungelöst von ihrem wirt
dem versprechen
ich geh die wege allein
seit immer
wie du und wir wissen das längst
und flirten mit
unbekannten algorithmen. gut so.
"dahinfahren wie ein strom" ein strom ist.
er fährt nicht. ich bin wie du
bist. niemand fährt. jeder ist.
unsere augen sind rein- trotzt des jammers.

Klara
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Beitragvon Klara » 14.12.2016, 09:27

Wie oft trotzten sie ihm in der Wüste und betrübten ihn in der Einöde! (Psalm 78)

Einen Zungenschlag zögern
die Engel aus Wut und Drangsal
ihre Wimpern könnten dich erschlagen
dein Groll glüht darüber hinweg


Wie lange willst du dich so verbergen und deinen Grimm wie Feuer brennen lassen? (Psalm 90)

Nifl
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Beitragvon Nifl » 14.12.2016, 19:41

unsre Zuflucht für und für (Psalm 90)

Ich psalmiere mich ein
wundersamig duftet es
gegen den Hunger
der Schorf ist versalzen
in Ansätzen flirten wir
reiben winden glühen unterm Tisch
wimperntuscheln wie Seidenspinner
geben die Föten nicht mehr her


ein Wind, der dahinfährt und nicht wiederkommt (Psalm 78)
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

Niko

Beitragvon Niko » 14.12.2016, 23:30

Psalm 33, Mose 1.14 Er hält das Wasser im Meer zusammen wie in einem Schlauch und legt die Tiefen in das Verborgene.

Und erhellt ist das nötige
das wir nicht kennen
aus den versäumten taschen
tropfen klagen und gebete
und hinter der endung
ein verlandeter neubeginn
der sich anfühlt
als trockne ihm
unter der strömung
die gezeiten weg


Psalm 22/13 Soll es denn umsonst sein, daß mein Herz unsträflich lebt und ich meine Hände in Unschuld wasche...?

Klara
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Beitragvon Klara » 15.12.2016, 10:46

ich will meinen Mund auftun (Psalm 78)

Danke flüstern und
den Magen albern klopfen hören (Frag nicht
was zuerst da war Der neue
Vers oder das alte Lied
Schaust du zurück oder reibst du die Buchstaben wach?)
In den Fingern die unfindbaren Tasten suchen
noch ein Danke wagen
hin zum Wort


wie eine Nachtwache (Psalm 90)

Nifl
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Beitragvon Nifl » 15.12.2016, 19:58

sie sind wie ein Schlaf (Psalm 90)

Du träumst mit Heiligenschein
(from your lips he drew the Hallelujah (Hallelujah))
und würde ich deine Tasten vom Laken streichen
rauschte es im Innern wie ein Branden

Mein Nabel sei gleich deinem
unsichtbar

Und ich bedecke ihn
damit es wahr wird


denn der Vogel hat ein Haus gefunden und die Schwalbe ihr Nest (Psalm 78)
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

Klara
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Beitragvon Klara » 16.12.2016, 11:44

Sie hatten ihr Verlangen noch nicht gestillt (Psalm 78)

Dein grundloses Streifen
(the holy or the broken Hallelujah (Hallelujah))
steckt mir in der Kehle: ein Lachen oder ein Schwur?
Lass in der Ferne nah sein!

Flüstere ich nichts als die Wahrheit
die du hören willst

die alte, gebrochene, schau!
wie sie seufzt


und des Abends welkt und verdorrt (Psalm 90)

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 16.12.2016, 15:06



denn der Vogel hat ein Haus gefunden und die Schwalbe ihr Nest (Psalm 78)

und in der dämmerung eines morgens (das verlangen

nach genitiven) steigen sie auf
in die lüfte der küsse; wenn
die wölfe schlafen (federn im fang)
streichen wir über die laken als wäre es
ein see. ist kein einfaches

wie ein vogel dahinfliegt und eine schwalbe enteilt,
so ist ein unverdienter fluch: er trifft nicht ein (Sprüche 26)


wir zähmen die zitate und wissen
ein lächeln; der sanfte milde bann
die raue zunge am ohr
manchmal vollenden wir die zeilen; uns
können wir nicht begreifen (welche zeichen
sollen wir setzen

die insel liegt zum greifen fern

lass sie miteinander auf deinen lippen bleiben (Sprüche 22)

Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

Niko

Beitragvon Niko » 16.12.2016, 17:17

Er hat ein Gedächtnis gestiftet seiner Wunder (Psalm 111.5)


wäre nur ein wunder
im gedächtnis
und hätt ich es nicht begangen
so wäre es doch ein wunder

im hinterzimmer
faltet sich das herz
zu einem stein
und nichts fehlt mehr

das macht vergesslich
ist das ein wunder?



Das ist eine feine Klugheit, wer darnach tut, des Lob bleibt ewiglich. (Psalm 111.10)

Nifl
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Beitragvon Nifl » 16.12.2016, 18:57

Ehe denn die Berge wurden (Psalm 90)

Alle Inseln umspülen davon
wie ein Treiben meines Substantives
(unbewohnt wäre ich)

die Weise lockt zum Übersetzen
wenn es sich vollenden würde

wie wir auch Gebilde wären
so nah' beieinander seufzten
Schwüre aus weichem Wollen

und halbschattig laufen wir zusammen
wenn ich zur Nase schiele


Denn ein Tag in deinen Vorhöfen ist besser denn sonst tausend (Psalm 78)
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

Klara
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Beitragvon Klara » 17.12.2016, 17:43

und ließ Manna auf sie regnen (Psalm 78)

der Kuss der Raben
auf dem schwarzen Ast:
Geschieht er oder täuscht das Fensterglas?

(Am See grüßen vierhälsig
die Dezemberschwäne)

Wisch uns die Zweifel fort und
lass uns – Verben suchen –!
– spüren?

(Mein Gott, der Reiher wankt unter dem dicken Fisch im Schnabel
weiß nicht wohin mit seiner Beute)


sei deinen Knechten gnädig! (Psalm 90)

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 17.12.2016, 19:44



es kitzelt
oder?
kitzelt doch
nein?
es muss
ja
denke doch
du nicht?
muss doch
also wirklich
es muss doch
weil
(die tür geht auf
er bleibt
auf der schwelle stehen)
hej

sagst du nichts?
kein hej
bin wieder da
musst auch nicht
seh dich ja
komm her
hier bei mir ist's warm
ist doch kalt da draußen
dieser nebel
kriecht in einen hinein
und du stehst da
so
mit deinem schal
ist dir zu warm hier
bei mir
mit deinem mantel
frier halt so leicht
musst du wieder raus?
kann ja nicht mit
willst ja nicht
hast gründe
deine meine
ja, willst sie wieder zumachen
willst du doch
oder?
von außen
ganz fest
ist auch besser so
denkst du das?
siehst an mir vorbei
siehst die wand an
die alten steine
hast du doch gesetzt
kennst du doch
jede krumme fuge
deine hände sind rau
ist besser so
bestimmt
bin jetzt auch still
frag mich nur
warum?
warum ist das alles so?
so
komm doch her
kannst du mich nicht?
nein
das wäre ja
das lassen wir lieber
kannst ja wieder einen spalt auflassen
ein spalt ist gut
ja
ja, das ist schön
nicht eingesperrt
und das gefühl deiner stimme
wenn sie schweigt
da draußen
ganz nah
bei der tür
und du schweigst wie ein
ja, wie ein guter
als wüsstest du
alles
das tut gut
dass du weißt
was weiß ich schon
du umarmst mich
wenn du draußen stehst
und hier drin?
als wär ich fremd
als wär ich gar nicht da
kennst mich doch
jetzt ist mir kalt
wie die nacht
da draußen
der nebel ist hingefroren
ist bestimmt eisglatt
ist gefährlich
komm doch rein
hast doch die sterne
schon alle runtergeholt
ist doch schwarz da draußen
für weiß nicht wen
gibt bestimmt eine
ja das wird es sein
muss ja so sein
sonst würdest du
(er schließt die tür
es klickt und klickt
er öffnet den spalt)
jetzt umarmst du mich
das ist gut
ja
langsam
so ist das immer
mit dir
wie ein großer heißer schluck
tut auch ein bisschen weh
das glühen
ist gut so
du
das sind wir
wirst ja auch wieder kommen
muss dich auch sehen
von zeit zu zeit
da auf der schwelle
wie du mich ansiehst
und weißt
ist gut so
muss ja
wirst du doch?


Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

Niko

Beitragvon Niko » 18.12.2016, 07:33

als wär ich gar nicht da
so krampfen sich die leeren
gegenseitig zu
nur in einer leere
trieb ein ein pappelstamm
der sich versuchte
in der leere um sich selbst zu rollen

doch da trieb auch ein einsamer Vogel
der nicht wusste
wohin er gehört
mein gott wer weiß das schon

der pappelstamm rollte sich vogelwärts
er sah dessen flügel
wurde schneller
immer drauf zu
der vogel war verängstigt
deswegen
flog er einfach von dannen
der stamm aber entpappelte sich
quoll rindenlos auf
und platzte vor lauter leere

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Eule
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Beitragvon Eule » 20.12.2016, 22:42

Eierkokon

Am ersten Tag
kaum eine notiz

zwei Jahre im
octopussys

der dritte und vierte
waren noch unsichtbar
Zuletzt geändert von Eule am 25.12.2016, 00:54, insgesamt 1-mal geändert.
Ein Klang zum Sprachspiel.


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