Prosalog
Foto A.P. Sandor et moi
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Hier handelt es sich um einen Faden, in dem ihr euch prosaisch zurücklehnen könnt. Lasst euren Gedanken freien Lauf. Erzählt von euren Träumen, eurem Ärger, euren Problemen, euren Sehnsüchten, euren Beobachtungen, euren Wünschen, euren Phantasien, euren Ideen, eurem Kummer, eurer Wut, eurem Tag, euren Spinnereien … "Die Wahrheit" spielt dabei selbstverständlich keine Rolle.
Fühlt euch frei.
Lasst euch von bereits verfassten Texten inspirieren, greift das Thema auf, oder schreibt einfach "frei Schnauze"… alles ist erlaubt.
Ich bin gespannt!
Kleingedrucktes:
Damit eure Kostbarkeiten behütet bleiben, müssen folgende Regeln beachtet werden:
Bitte keine Kommentare
Keine direkten Antworten (zB. Gratulationen, Beileidsbekundungen, Nachfragen etc.)
Keine Diskussionen
Kein Smalltalk oder Talk überhaupt
Geht immer davon aus, dass alle Texte Fiktion sind.
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Zuletzt geändert von Nifl am 04.08.2007, 09:08, insgesamt 1-mal geändert.
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)
Manchmal kommt er nachts und weckt mich. Er geht dabei immer sehr behutsam vor. Einmal habe ich nur so getan, als würde ich schlafen. Er stand eine Weile einfach nur da und lächelte mich an. Dann küsste er mich und nach weiterer Ignoranz schubste er mich zur Seite.
Ohne Grund macht er so was nie. Es kann zB. ein Gewittersturm im Anmarsch sein und er möchte mir raten, besser die Fester zu schließen, oder er ist krank, oder verliebt, oder beides zusammen. In letzter Zeit ist er oft krank. Das sei das Alter, meint er. Insgeheim stimme ich ihm zu, sage ihm das aber nie direkt, höchstens scherzhaft indem ich ihn zB. "Alter Sack" rufe. Dann winkt er meistens ab und liest ungerührt weiter seine Tageszeitung. Früher ist er immer sofort gekommen, wenn ich ihn rief. Alte Herren seien eben stur und das Recht dazu habe er sich über die Jahre erworben. Ich solle ihn außerdem nicht für blöd verkaufen und er wisse schon selbst, wann er kommen müsse und wann nicht. An der Wirbelsäule wächst schon viele Jahre ein riesiges Geschwür, das man nur wegen seiner langen Haare nicht sieht. Ich versuche es zu ignorieren.
Ohne Grund macht er so was nie. Es kann zB. ein Gewittersturm im Anmarsch sein und er möchte mir raten, besser die Fester zu schließen, oder er ist krank, oder verliebt, oder beides zusammen. In letzter Zeit ist er oft krank. Das sei das Alter, meint er. Insgeheim stimme ich ihm zu, sage ihm das aber nie direkt, höchstens scherzhaft indem ich ihn zB. "Alter Sack" rufe. Dann winkt er meistens ab und liest ungerührt weiter seine Tageszeitung. Früher ist er immer sofort gekommen, wenn ich ihn rief. Alte Herren seien eben stur und das Recht dazu habe er sich über die Jahre erworben. Ich solle ihn außerdem nicht für blöd verkaufen und er wisse schon selbst, wann er kommen müsse und wann nicht. An der Wirbelsäule wächst schon viele Jahre ein riesiges Geschwür, das man nur wegen seiner langen Haare nicht sieht. Ich versuche es zu ignorieren.
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)
Als Merle aufhörte zu sprechen, offenbarte sich ihr eine völlig neue Welt. Keine stille, eine zum Bersten gefüllte. Es war das Lauschen, dem Merle sich hingab. Ein forschendes Lauschen, ohne sich selbst zu unterbrechen. Alles wollte sie aufsaugen, jeden noch so kleinen Zipfel eines Lautes, und wenn es nur ein Echo war. Ihre Gedanken! Sie drohten, dieses Abenteuer zu zerstören. So versteckte Merle sie in den untersten Tiefen ihres Geistes. Ob sie diese wiederfinden würde? Es spielte keine Rolle, nicht jetzt, nein, es war zu aufregend. Sie war besessen. Ihre Sinne veränderten sich. Merle begann endlich zu hören, wirklich zu hören. All das Nichtgesagte wurde plötzlich so deutlich, so gesagt, dass sie in einen rauschartigen Zustand geriet. High, sie war high von all dem Verborgenen, das sich ihr mit einem Schlag enthüllte. Richtig unheimlich, was sie alles erfuhr. Wieso hatte sie es nicht vorher wahrgenommen? Merle konnte nicht mehr schlafen, nicht mehr essen. Sie musste sich satthören, konnte nicht genug bekommen. Sucht! Sie wurde süchtig und brauchte gar nicht zu suchen. Sammeln, sammeln, ungefiltert alles in sich reinziehen, jeden Tag, jede Stunde, jede Minute, jede Sekunde. Hätte Merle geschlafen, wäre unendlich viel verloren gegangen, all die geheimnisvollen Schätze, die sie wie Gold hütete. Sie fühlte sich befreit. Die vielen, völlig sinnlosen Worte, die Merle zuvor gesprochen hatte. Soviel Versäumtes. Aber nun holte sie alles nach, verschlang gierig jede nicht ausgesprochene Silbe. Mit geschlossenen Augen saß Merle da und saugte wie ein Vampir die Echos ein, wog sich hin und her, gleich einem Ritual, dem jedoch nichts zum Opfer fallen durfte. So lange, bis sie den Mut aufbringen würde, auf Entzug zu gehen.
Zuletzt geändert von Mucki am 24.07.2007, 00:12, insgesamt 1-mal geändert.
Wer schreibt, muss sich öffnen. Dafür muss er sich verschließen.
Wenn jemand unterwegs ist und ein Notizbuch im Schoß hält, den Finger zwischen den Seiten, den Stift hinterm Ohr (oder im Mund), den Blick nach innen und in die Ferne – dann ist er ein Verwandter.
Wenn jemand unterwegs ist und ein Notizbuch im Schoß hält, den Finger zwischen den Seiten, den Stift hinterm Ohr (oder im Mund), den Blick nach innen und in die Ferne – dann ist er ein Verwandter.
Als das Telefon klingelte wusste ich, dass er dran war - ich wusste es! Ich weiß es immer. Und nie traue ich meinem Gefühl, sondern gebe dem Klingeln des Telefons nach (das würde ich als eine meiner negativsten Eigenschaften beschreiben).
Ja, es geht ihm schlecht. Aber ihm geht es immer schlecht. Und wenn es mir schlecht geht ist er viel schlimmer dran. Er sollte sich an ein Kreuz schlagen lassen, dann hätte sein Leiden wenigstens einen Sinn - ein paar vergebene Sünden mehr, das wäre nicht schlecht.
Er kann auch von der Brücke springen, nur soll er mich dann nicht anrufen, um mir zu sagen, wie es war. Wie sie ihn fanden, blutüberströmt, winselnd, kein Knochen der den Aufprall heil überstanden hatte, Leber geschwollen, Nieren gequetscht - und dann der Geschmack von Blut im Mund. Leiden, so großes Leiden. Ich hoffe er sucht mich nicht heim, wenn er es endlich geschafft hat, um mir von seinen Höllenqualen zu berichten.
Ja, es geht ihm schlecht. Aber ihm geht es immer schlecht. Und wenn es mir schlecht geht ist er viel schlimmer dran. Er sollte sich an ein Kreuz schlagen lassen, dann hätte sein Leiden wenigstens einen Sinn - ein paar vergebene Sünden mehr, das wäre nicht schlecht.
Er kann auch von der Brücke springen, nur soll er mich dann nicht anrufen, um mir zu sagen, wie es war. Wie sie ihn fanden, blutüberströmt, winselnd, kein Knochen der den Aufprall heil überstanden hatte, Leber geschwollen, Nieren gequetscht - und dann der Geschmack von Blut im Mund. Leiden, so großes Leiden. Ich hoffe er sucht mich nicht heim, wenn er es endlich geschafft hat, um mir von seinen Höllenqualen zu berichten.
nächtliche einbildung
I.
na gut, schreiben. kann man ja machen. ein wenig ausfluss kann gut tun. viel ausfluss erleichtert richtiggehend. und seien wir selbstbewusst. glauben wir, dass es das ist. tun wir so, als wärs das.
II.
da kommt immer noch was nach. klar, gut, wir leben, wir metabolieren. "a good bowel movement can be physically as satisfying as an encounter with your lover" - "i'm not sure... either i don't know how to shit, or you don't know how to fuck."
III.
zum glück gibts standards, jede menge. das ist schon praktisch. die mehrzahl meiner schreibenden bekannten kennt/hat keine wahl. tiefkühltortenboden auftauen. so fruchtige einfälle, unter dem hingegossenen gelee.
IV.
andere bewegen sich etwas ungebundener - im schreiben, nicht gleich im leben. denken sie sich eine metapher dazu.
V.
dann, die sich anvertrauen. der intention, der eingebung, der verbindung dazwischen: den teig per hand kneten.
ihnen folge ich ins dunkel: nur im dunkel kann ich lesen.
I.
na gut, schreiben. kann man ja machen. ein wenig ausfluss kann gut tun. viel ausfluss erleichtert richtiggehend. und seien wir selbstbewusst. glauben wir, dass es das ist. tun wir so, als wärs das.
II.
da kommt immer noch was nach. klar, gut, wir leben, wir metabolieren. "a good bowel movement can be physically as satisfying as an encounter with your lover" - "i'm not sure... either i don't know how to shit, or you don't know how to fuck."
III.
zum glück gibts standards, jede menge. das ist schon praktisch. die mehrzahl meiner schreibenden bekannten kennt/hat keine wahl. tiefkühltortenboden auftauen. so fruchtige einfälle, unter dem hingegossenen gelee.
IV.
andere bewegen sich etwas ungebundener - im schreiben, nicht gleich im leben. denken sie sich eine metapher dazu.
V.
dann, die sich anvertrauen. der intention, der eingebung, der verbindung dazwischen: den teig per hand kneten.
ihnen folge ich ins dunkel: nur im dunkel kann ich lesen.
Im Flow
Wovon leben?
Vielleicht sollte man ein Café aufmachen. Oder einen bestimmten Mann endlich anmachen. Oder Marmelade. Einmachen. Jetzt ist die Zeit.
Welche Zeit?
Eine Religion zu gründen. Neu müsste sie sein. Und ergiebig. Aber ich gründe keine neue Religion. Es gibt schon genug Marmelade. Oder was meinst du?
Warum du?
Gehst durch die Zaubertore der unendlichen Geschichte, lesend. Vorlesend. Erstmal müssen die Sphinxen ihre Augen schließen, aber du weißt vorher nicht, ob sie es tun. Tun sie es nicht, wirst du versteinert. Doch sie tun es! Das zweite Tor ist schwieriger: Du siehst dich selbst im Spiegel. Wie du wirklich bist. Du denkst an das Ende, oder an den Autor, und fragst dich, wie viel Buch in eine einzige Weisheit passen kann. Und antwortest dir: Es ist wahrscheinlich wie mit Knete, man muss stopfen und drücken. Über all diesen Gedanken merkst du gar nicht, dass du dich längst erkannt hast – jedenfalls öffnet sich auch das zweite Tor. Und dann stehst du vor dem schwersten. Wo du nichts wollen darfst. Es öffnet sich nur, wenn du es nicht willst. Oder erst, wenn du nichts willst. Beziehungsweise: Wenn es dir egal ist. Nettes kleines Paradoxchen, und so ein Paradoxchen lässt sich dummerweise auch nichts vormachen. Nichts lässt sich etwas vormachen. Nicht von dir. Dafür bist du zu weit gegangen. Immerhin zwei Tore. Nichts wollen. Wie soll das gehen. Immer diese klugen Ratschlägeaus dem inneren Sprechen, Loslassen (Wertungen, Hierarchien, Selbsterniedrigungen, Bösartigkeiten, irre Ziele...), Hingeben, Floating. Floating… Im Flow. Irre sein. Und lebendig. Bäume sind da, und wedeln mit dem Zaunpfahl. Der See. Die Sehnsucht nach dem Meer, diese ewige Sehnsucht. Nach Norden.
Wovon leben?
Wovon leben?
Vielleicht sollte man ein Café aufmachen. Oder einen bestimmten Mann endlich anmachen. Oder Marmelade. Einmachen. Jetzt ist die Zeit.
Welche Zeit?
Eine Religion zu gründen. Neu müsste sie sein. Und ergiebig. Aber ich gründe keine neue Religion. Es gibt schon genug Marmelade. Oder was meinst du?
Warum du?
Gehst durch die Zaubertore der unendlichen Geschichte, lesend. Vorlesend. Erstmal müssen die Sphinxen ihre Augen schließen, aber du weißt vorher nicht, ob sie es tun. Tun sie es nicht, wirst du versteinert. Doch sie tun es! Das zweite Tor ist schwieriger: Du siehst dich selbst im Spiegel. Wie du wirklich bist. Du denkst an das Ende, oder an den Autor, und fragst dich, wie viel Buch in eine einzige Weisheit passen kann. Und antwortest dir: Es ist wahrscheinlich wie mit Knete, man muss stopfen und drücken. Über all diesen Gedanken merkst du gar nicht, dass du dich längst erkannt hast – jedenfalls öffnet sich auch das zweite Tor. Und dann stehst du vor dem schwersten. Wo du nichts wollen darfst. Es öffnet sich nur, wenn du es nicht willst. Oder erst, wenn du nichts willst. Beziehungsweise: Wenn es dir egal ist. Nettes kleines Paradoxchen, und so ein Paradoxchen lässt sich dummerweise auch nichts vormachen. Nichts lässt sich etwas vormachen. Nicht von dir. Dafür bist du zu weit gegangen. Immerhin zwei Tore. Nichts wollen. Wie soll das gehen. Immer diese klugen Ratschlägeaus dem inneren Sprechen, Loslassen (Wertungen, Hierarchien, Selbsterniedrigungen, Bösartigkeiten, irre Ziele...), Hingeben, Floating. Floating… Im Flow. Irre sein. Und lebendig. Bäume sind da, und wedeln mit dem Zaunpfahl. Der See. Die Sehnsucht nach dem Meer, diese ewige Sehnsucht. Nach Norden.
Wovon leben?
Nach der dritten Mahnung ein paar Stunden compliance training gemacht. Ein Zyniker nannte die Kurse "Betreutes Denken". Manche Sprüche finde ich so genial, dass ich sie immer wieder vor mich hin sage, wie man ein Lied den ganzen Tag summt, das morgens aus dem Radiowecker schepperte. Bei Titeln geht es mir auch oft so. ZB. bei dem Theaterstück "Der letzte Gold".
Gott und Gold und dann noch der letzte… eine Stange Spachdynamit… und wenn sie losgeht fliege ich mit (Ina Deter)…
Gott und Gold und dann noch der letzte… eine Stange Spachdynamit… und wenn sie losgeht fliege ich mit (Ina Deter)…
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)
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Die Tage fließen langsamer, wenn Bedeutungen im Alltagsstrudel auf den Grund gedrückt werden. Doch zum Glück gibt es Fluchten. Kleine unverblümte Nischen, wo sich der Grund erhebt, den Fluß abebben lässt und sich zu einer kleinen Insel erhebt, auf der ich, obschon ich sie nur womöglich für einen Bruchteil von Sekunden besuche, ganze Wochen campiere. Ich habe vieler solcher Inseln bereist. Und sie sind so unterschiedlich, so unzusammenhängend. Und doch ist ihnen eines gemeisam: Ich. Denn ich habe sie entdeckt. Nur ich lebe auf ihnen. Und ich bestimme die Dauer des Verweilens. Und nur ich - das scheint mir entscheidend - kenne sie mit Namen, die ich in die Bedeutungslosigkeiten rufe, die das Leben beherrschen, obwohl sie nichts mit ihm zu tun haben.
.
Die Tage fließen langsamer, wenn Bedeutungen im Alltagsstrudel auf den Grund gedrückt werden. Doch zum Glück gibt es Fluchten. Kleine unverblümte Nischen, wo sich der Grund erhebt, den Fluß abebben lässt und sich zu einer kleinen Insel erhebt, auf der ich, obschon ich sie nur womöglich für einen Bruchteil von Sekunden besuche, ganze Wochen campiere. Ich habe vieler solcher Inseln bereist. Und sie sind so unterschiedlich, so unzusammenhängend. Und doch ist ihnen eines gemeisam: Ich. Denn ich habe sie entdeckt. Nur ich lebe auf ihnen. Und ich bestimme die Dauer des Verweilens. Und nur ich - das scheint mir entscheidend - kenne sie mit Namen, die ich in die Bedeutungslosigkeiten rufe, die das Leben beherrschen, obwohl sie nichts mit ihm zu tun haben.
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Nachts, wenn Leiber friedlich schlummern, bricht er aus, der nimmersatte Zerberus, gefräßig nach Blut und Schwarz, allem Nicht-Leben. Zähnefletschend schaffen seine undurchdringlichen Augenschlitze bizarre körperlose Wesen aus nebelgewobenen Irrlichtern. Knochige, eklig lange Finger diffuser Gespinste, seine heimlichen Helfer, verbeißen sich in den Geist, zerren ihn in seine obskuren Visionen. Er wütet und lechzt nach Rot, raubt den Willen. Jede Nacht, dieses verfluchte Höllenspiel.
Gegen Krieg und Frieden
Mich stört es, wenn Krieg und Frieden im selben Atemzug genannt werden.
Mich stört der Artikel über Pressefreiheit in der Zeitung, die auf geschlachteten Regenwäldern beruht, und aufblickend von ihr, verkündet der zelluloide Sprecher mit sonorer Monotonie erst die Klimakatastrophe, dann den Lottogewinn.
Mich stört es, dass derselbe Metzger, den ich eben im Hinterzimmer die Messer wetzen hörte, mir nun seine blitzenden Zähne freundschaftlich entgegenlächelt.
Mich stört die Gruppe künftiger Apotheker am Wegesrand, auf der Suche nach Geeignetem für ihre Herbarien, wo vor anderthalb Jahren noch eine Prostituierte erstochen aufgefunden wurde.
Es stört mich, dass mich nichts davon erschüttert.
Mich stört es, wenn Krieg und Frieden im selben Atemzug genannt werden.
Mich stört der Artikel über Pressefreiheit in der Zeitung, die auf geschlachteten Regenwäldern beruht, und aufblickend von ihr, verkündet der zelluloide Sprecher mit sonorer Monotonie erst die Klimakatastrophe, dann den Lottogewinn.
Mich stört es, dass derselbe Metzger, den ich eben im Hinterzimmer die Messer wetzen hörte, mir nun seine blitzenden Zähne freundschaftlich entgegenlächelt.
Mich stört die Gruppe künftiger Apotheker am Wegesrand, auf der Suche nach Geeignetem für ihre Herbarien, wo vor anderthalb Jahren noch eine Prostituierte erstochen aufgefunden wurde.
Es stört mich, dass mich nichts davon erschüttert.
Es wäre kitschig, wenn es nicht so schön wäre.
Sie sammeln sich wie zufällig nur einmal im Jahr an diesem Tag auf dieser Kiesbank. Schlendern herbei, als ob sie nichts anderes zu tun hätten. Grüppchenweise Begrüßungen. Die üblichen Umarmungen. Geplauder.
Bis der Gong über das Wasser hallt. Klang, der mit den Wellen spielt. Sich am anderen Ufer bricht und in vielen Obertönen zurückkehrt. Alles antwortet, das Flugzeug, der Fluss, die Enten, der Abendverkehr.
Dann singen sie. Lagerfeuerromantik ohne Flammen. Aber es hat was, wenn Fremde miteinander singen. Verbündete entstehen. Immer wieder nehmen einige den Refrain auf, weil sie noch nicht aufhören können.
Aus Geduld erwächst Zeit.
Die Kinder fangen an, die Schiffchen zu schmücken. Rindenkähne mit Rosenblüten, Sonnenblumen und weißen Kelchen beladen, mit Steinen und Blättern geschmückt, sogar mit Räucherhütchen. Isardampfschiffahrtsgesellschaft. Langsam folgen sie der Strömung, eine zartbesaitete Flotte, begleitet von sanft gesummten Tönen.
Es wäre kitschig, wenn es nicht so schön wäre.
Sie sammeln sich wie zufällig nur einmal im Jahr an diesem Tag auf dieser Kiesbank. Schlendern herbei, als ob sie nichts anderes zu tun hätten. Grüppchenweise Begrüßungen. Die üblichen Umarmungen. Geplauder.
Bis der Gong über das Wasser hallt. Klang, der mit den Wellen spielt. Sich am anderen Ufer bricht und in vielen Obertönen zurückkehrt. Alles antwortet, das Flugzeug, der Fluss, die Enten, der Abendverkehr.
Dann singen sie. Lagerfeuerromantik ohne Flammen. Aber es hat was, wenn Fremde miteinander singen. Verbündete entstehen. Immer wieder nehmen einige den Refrain auf, weil sie noch nicht aufhören können.
Aus Geduld erwächst Zeit.
Die Kinder fangen an, die Schiffchen zu schmücken. Rindenkähne mit Rosenblüten, Sonnenblumen und weißen Kelchen beladen, mit Steinen und Blättern geschmückt, sogar mit Räucherhütchen. Isardampfschiffahrtsgesellschaft. Langsam folgen sie der Strömung, eine zartbesaitete Flotte, begleitet von sanft gesummten Tönen.
Es wäre kitschig, wenn es nicht so schön wäre.
Jetzter wird's nicht. D. Wittrock
„Eigentlich bin ich ein Anachronismus“, sagte ich. Das rutschte so aus mir heraus.
Meine Schwester wollte wissen, was ich jetzt wieder für einen Unsinn redete.
„Ich bin wahrscheinlich zu dick“, begann ich meine Erklärung.
Sie verdrehte die Augen.
„Oder jedenfalls nie dünn genug“, schränkte ich kompromissbereit ein.
Sie verdrehte wieder die Augen. Schwestern sind so, das habe ich schon öfter festgestellt: Sie verdrehen eigentlich immer die Augen.
„Und auch sonst…“, endete ich vage.
Ob das meine ganze Begründung wäre. Da hätte sie doch von mir mehr erwartet, ließ sie mich wissen.
„Ich bin eben ein Anachronismus gegen die Erwartungshaltung“, entgegnete ich, kam mir sehr schlau dabei vor.
Meine Schwester verdrehte die Augen.
„Quod erat expectandum“, sagte ich.
Sie behauptete, dass ich doch gar kein Latein könne, aber das war nur eine Ausrede, weil sie nicht wusste, was ich gesagt hatte und sich zu schade war zu fragen. Schwestern sind so.
„Außerdem habe ich Kinder“, ergänzte ich meine Ausführungen.
Sie hätte auch Kinder, erinnerte mich meine Schwester, deshalb sei sie noch lange kein Anachronismus.
„Schon, aber ich bin wahrscheinlich zu dick. Niemand sonst ist heute mehr zu dick.“ Ich merkte, dass ich anfing, mich zu wiederholen und außerdem großen Mist erzählte, offenbar war meine These weniger stichhaltig als ich geglaubt hatte, bevor ich sie aussprach. Sobald man etwas ausspricht, wendet es sich gegen einen, irgendwie ist das gemein. Ich sagte das auch meiner Schwester:
„Sobald man etwas ausspricht, wendet es sich gegen einen.“
Sie verdrehte die Augen.
Ich bin wahrscheinlich trotzdem ein Anachronismus, dachte ich. Das „wahrscheinlich“ und das „trotzdem“ erschienen mir hilfreich, aber jetzt behielt ich meine gedankliche Untermauerung für mich.
Meine Schwester war klug genug, mein Schweigen nicht so zu interpretieren, als würde ich klein beigeben. Dann wäre es ja langweilig gewesen. Also schwiegen wir gemeinsam, das klang hübsch, und ich blieb ein Anachronismus. Denn irgendetwas Fremdwortartiges muss man schließlich mit Fug und Recht von sich behaupten können – insbesondere vor der eigenen Schwester.
Meine Schwester wollte wissen, was ich jetzt wieder für einen Unsinn redete.
„Ich bin wahrscheinlich zu dick“, begann ich meine Erklärung.
Sie verdrehte die Augen.
„Oder jedenfalls nie dünn genug“, schränkte ich kompromissbereit ein.
Sie verdrehte wieder die Augen. Schwestern sind so, das habe ich schon öfter festgestellt: Sie verdrehen eigentlich immer die Augen.
„Und auch sonst…“, endete ich vage.
Ob das meine ganze Begründung wäre. Da hätte sie doch von mir mehr erwartet, ließ sie mich wissen.
„Ich bin eben ein Anachronismus gegen die Erwartungshaltung“, entgegnete ich, kam mir sehr schlau dabei vor.
Meine Schwester verdrehte die Augen.
„Quod erat expectandum“, sagte ich.
Sie behauptete, dass ich doch gar kein Latein könne, aber das war nur eine Ausrede, weil sie nicht wusste, was ich gesagt hatte und sich zu schade war zu fragen. Schwestern sind so.
„Außerdem habe ich Kinder“, ergänzte ich meine Ausführungen.
Sie hätte auch Kinder, erinnerte mich meine Schwester, deshalb sei sie noch lange kein Anachronismus.
„Schon, aber ich bin wahrscheinlich zu dick. Niemand sonst ist heute mehr zu dick.“ Ich merkte, dass ich anfing, mich zu wiederholen und außerdem großen Mist erzählte, offenbar war meine These weniger stichhaltig als ich geglaubt hatte, bevor ich sie aussprach. Sobald man etwas ausspricht, wendet es sich gegen einen, irgendwie ist das gemein. Ich sagte das auch meiner Schwester:
„Sobald man etwas ausspricht, wendet es sich gegen einen.“
Sie verdrehte die Augen.
Ich bin wahrscheinlich trotzdem ein Anachronismus, dachte ich. Das „wahrscheinlich“ und das „trotzdem“ erschienen mir hilfreich, aber jetzt behielt ich meine gedankliche Untermauerung für mich.
Meine Schwester war klug genug, mein Schweigen nicht so zu interpretieren, als würde ich klein beigeben. Dann wäre es ja langweilig gewesen. Also schwiegen wir gemeinsam, das klang hübsch, und ich blieb ein Anachronismus. Denn irgendetwas Fremdwortartiges muss man schließlich mit Fug und Recht von sich behaupten können – insbesondere vor der eigenen Schwester.
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Es fühlt sich so klein heut ... unsichtbar ... fast ... wie ein unter dem Ausrufezeichen vergessenes Pünktchen. Darf es überhaupt denken ... kann es das ... Wer sieht ein Pünktchen ... was hat es auch zu sagen ... Wer sollte es hören, ist es doch unsichtbar ... na ja nicht ganz ... Es hat immerhin fast ständig Begleiter ... sie sehen genauso aus. Die Welt kommt auch gut ohne Pünktchen aus ... oder vielleicht doch nicht ...
Ein schwermütiges Pünktchen ... nicht mal von Kommata umarmt oder wenigstens vervollständigt zu einem Semikolon ... ein müdes ... sehr müdes Pünktchen ...
Die Welt des Pünktchens ist klein ... darf nicht mal Fragen stellen ... müsste sich doch ein Fragezeichen opfern und es würde dennoch keine Antwort erhalten ... wozu also ...
Etwas hat das Pünktchen doch noch zustandegebracht ... immerhin. Es hat etwas erkannt ... ja ... es könnte sich verdoppeln ... und es könnte springen ... oh ja ... springen ... So fühlt es sich nicht mehr leer ... es kann ja auch gar nicht leer sein ... dann wäre es wirklich unsichtbar ... ein Hauch von Zufriedenheit füllt es aus ... es gibt eben doch diejenigen ... sie brauchen es und seine Begleiter ...
Ein Pünktchentag ... vielleicht wird doch noch ein Ausrufezeichentag daraus ... wer weiß ...
Es fühlt sich so klein heut ... unsichtbar ... fast ... wie ein unter dem Ausrufezeichen vergessenes Pünktchen. Darf es überhaupt denken ... kann es das ... Wer sieht ein Pünktchen ... was hat es auch zu sagen ... Wer sollte es hören, ist es doch unsichtbar ... na ja nicht ganz ... Es hat immerhin fast ständig Begleiter ... sie sehen genauso aus. Die Welt kommt auch gut ohne Pünktchen aus ... oder vielleicht doch nicht ...
Ein schwermütiges Pünktchen ... nicht mal von Kommata umarmt oder wenigstens vervollständigt zu einem Semikolon ... ein müdes ... sehr müdes Pünktchen ...
Die Welt des Pünktchens ist klein ... darf nicht mal Fragen stellen ... müsste sich doch ein Fragezeichen opfern und es würde dennoch keine Antwort erhalten ... wozu also ...
Etwas hat das Pünktchen doch noch zustandegebracht ... immerhin. Es hat etwas erkannt ... ja ... es könnte sich verdoppeln ... und es könnte springen ... oh ja ... springen ... So fühlt es sich nicht mehr leer ... es kann ja auch gar nicht leer sein ... dann wäre es wirklich unsichtbar ... ein Hauch von Zufriedenheit füllt es aus ... es gibt eben doch diejenigen ... sie brauchen es und seine Begleiter ...
Ein Pünktchentag ... vielleicht wird doch noch ein Ausrufezeichentag daraus ... wer weiß ...
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