Bang Bang von maxl

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Trixie

Beitragvon Trixie » 08.11.2006, 20:09

Hallo liebe Hörer!

Ich möchte vorab schon entschuldigen, dass die "sch"-Laute ein wenig rascheln, aber mehr gab mein Mikro nicht her :cool: . Hätte ich jetzt mit Entrauschen und Co. gearbeitet, wären anderen Stellen wieder entstellt worden und das wollte ich dann niemandem antun. Ich danke euch jetzt schonmal für die Aufmerksamkeit und Geduld!

Heisere Grüße
Trixie

Hörversion

Bang Bang

Crazy schleppte mich in diese abgefuckte Kneipe. Die fuhren dort voll ab auf die Oldies aus den Siebzigern. Der Tresen kurz vor dem Zusammenbrechen. Wir hielten die Biergläser fest, damit sie nicht von der Resopalplatte runterrutschten.
„Ist der coolste Lesbentreff in town“, brüllte Nina. Crazy nannte sie sich seit dem Unglück. „Ist doch voll toll, ne?“ Ihre grünen Augen strahlten. Mit der typischen Bewegung – sich fast bis zum Boden vornüberbeugend – warf sie ihre hennaroten Dreads auf den Rücken. „Prost“, schrie sie in die Runde. Keine der Frauen reagierte. Jimi Hendrix und seine Experience dröhnten aus den Boxen an der Decke.
„Was machen wir hier eigentlich?“, fragte ich.
„Hä?“
Ich legte meinen Mund an ihr Ohr.
„Finale!“ Crazy wischte den Schaum vom Mund. Das Bier war lauwarm. Außer der Theke gab es kein Mobiliar. An der Ziegelwand dahinter klebte in silbernen Lettern: „Die Rock-Weiber“. Hendrix Foxy Lady lief.
„Los, schwing deinen Luxuskörper.“ Crazy zerrte mich zur Tanzfläche. Nach einer Stunde extremen Headbangings gingen wir erhitzt vor die Tür.
Sie grinste mich an. „Traurig, dass du lieber mit Männern rummachst, Baby.“

Seit dreißig Jahren nannte sie mich so. Wir waren Nachbarskinder, ich zwei Jahre jünger und sie beschützte mich. Haute ihre Schaufel jedem auf den Kopf, der mir meine Sandformen oder den Eimer wegnehmen wollte. Später in der Schule und während der Pubertät war sie meine Löwenmutter. Wir haben uns erst am Tag des Unglücks aus den Augen verloren. Es hatte zwei Jahre gedauert, bis sie wieder Kontakt mit der Welt und mit mir aufnahm.

„Muss was trinken“, sagte Crazy und schob mich zurück ins „Die Rock-Weiber“.

Sie soff. Man sah es ihr mittlerweile auch an. Der Alkohol schwemmte sie auf. Meine Bitten, sie möge eine Therapie machen, überhörte sie oder, wenn sie schlecht drauf war, brüllte sie: „Lass mich mit dem Psychoscheiß in Ruh! Herzbruch, verstehst du? Irreparabel, verdammt.“
Dann knallte sie meine Wohnungstür zu. Ich hörte sie nebenan heulen; wir waren wieder Nachbarn.
Ich sagte nichts mehr.

Crazy kippte das dritte Bier, bestellte Southern Comfort. „Damit hat sich Janis Joplin totgesoffen, na denn!“, sagte sie und zündete das Getränk mit dem Zippo an. Weiche blaue Flamme. Als sie erlosch, trank Crazy gierig. Leckte die Lippen ab. „Bourbon und Pfirsichlikör – es gibt nichts Besseres.“
Plötzlich flog sie in meine Arme, irgendwer hatte sie gestoßen. Mit einem Schrei schnellte sie herum, packte jemanden an der Kehle. „Bist du bekloppt! Leg dich ja nicht an mit mir.“
Crazy schlug ihre Stirn gegen die der Frau. Wieder und wieder. Ich zerrte sie an der Taille, die Leute schrien: „Lass gut sein, Crazy!“
Nach ein paar Minuten sackte die andere weg. Crazy warf einen triumphierenden Blick in die Runde, ihre Stirn blutete. „Nicht mit mir!“ Sie bestellte noch einen Southern Comfort.
Ein paar Gäste halfen der Frau auf die Beine. Sie zog heulend ab.
„Mensch, Crazy, das war echt nicht nötig“, sagte ich.
Sie blickte mich von oben herab an: „Hast du eine Ahnung, was alles nötig ist, Baby.“ Sie trank, zahlte. „Let’s go!“

Auf der Straße breitete Crazy die Arme aus. „Was für ein herrlicher Abend! So was sollte ich mir öfter mal gönnen.“
„Jemanden zusammenschlagen?“
Sie nickte, lief ein Stück voraus, legte den Kopf in den Nacken und jaulte den Mond an.
Als ich sie eingeholt hatte, grinste sie. „Mach du auch mal, Baby!“
„Lass uns heimgehen, ich kann das nicht.“
„Fuck you!“
Aber sie ging mit.

Crazy hatte keine Beziehung. In kürzester Zeit trat sie alles kaputt. Eigentlich wollte sie mich. Nach einem Versuch miteinander, beließ ich es bei der Freundschaft, ich brachte es einfach nicht.
Wir küssten uns und jede ging in die eigene Wohnung. Unsere Betten standen an einer Wand; diejenige, die das Licht zuerst abdrehte, klopfte einen Rhythmus dagegen. Die andere antwortete.
Heute war ich erledigt und klopfte zuerst. Wartete. Hämmerte. Keine Antwort. Ich rief sie an, hörte ihr Telefon klingeln, sie nahm nicht ab. Ich kramte Crazys Reserveschlüssel aus dem Schreibtisch. Hauslatschen an und rüber.
Sie saß am Küchentisch. Die Wimperntusche rann in zwei Streifen über ihre Wangen, sie hatte den Lauf einer Pistole in den Mund gesteckt.
„Crazy“, flüsterte ich, „ich liebe dich.“
„Das Kind ist in den Brunnen gefallen“, nuschelte sie,
die Tränen tropften ins Dekolletee.
„Es ist sieben Jahre her, Nina, du konntest nichts dafür. Ein Unfall ...“
Sie riss den Lauf aus dem Mund, fuchtelte herum, brüllte. „Nur weil das Arschloch mir unbedingt in seiner Mittagspause an die Wäsche wollte! Deswegen nie wieder Kerle!“ Crazy zitterte am ganzen Körper. „Baby, Johnny war nicht mal vier! Ich hab ihn allein gelassen im Garten, verstehst du? Und er ist in den Brunnen ...“ Ihre Augen funkelten, ich hatte eine Heidenangst, dass sie den Abzug drückte.
Vorsichtig sagte ich: „Er war dein Mann, du hast ihn ... geliebt.“ Das letzte Wort konnte ich nur noch flüstern, denn sie war aufgesprungen und hielt mir den Griff der Waffe hin. „Baby, shoot me down.“
Ich prallte zurück, sagte: „Hey ... Nina, ohne dich ... mein Leben ist Scheiße ohne dich.“
„Blödsinn! Ich bin Scheiße.“ Sie zitterte vor Wut und was weiß ich noch alles.
„Du bist Crazy, meine Löwenmutter.“
Sie plumpste auf den Stuhl. „Sag das nicht, Baby, bitte nicht“, schluchzte sie.
„Du bist besoffen, weißt du, morgen sieht es wieder besser aus.“ Mann, war ich platt! Ich setzte mich ihr gegenüber. „Ich meine, es gibt noch so viel ...“
Sie schmiss die Pistole auf den Tisch. Ein irrer Krach. Die Kugel steckte in der Wand.
Wir schauten zu, wie Putz herunterrieselte. Dann sahen wir uns in die Augen.
„Finale, ja?“, fragte ich.
Sie blies auf ihren Zeigefinger, zielte auf mich. „Bang, bang.“
Wie der Blitz pfefferte Crazy die Waffe in den Wasserkasten auf dem Klo, ich klemmte mit einer Reißzwecke eine Ansichtskarte übers Einschussloch. Als die Bullen kamen, spielten wir Schwarzer Peter.
Wir lachten stundenlang, es war egal, dass die Nachbarn an die Wand trommelten.

Trixie

Beitragvon Trixie » 09.11.2006, 13:31

Liebste Gerda!

Ich danke dir auch vielmals für deine Kritik!! (habe darauf gewartet ;-) ). Ich bin wiedermal sprachlos, denn eigentlich bin ich selbst noch nicht ganz zufrieden. Zu dem Baby hat Cara auch schon was gesagt, hier meine Antwort:

"Du hast vollkommen recht und das war eigentlich auch meine größte Hürde, aber dadurch, dass ich Crazys Stimme schon so verändern musste und immer wieder danach ohne heisere Stimme weiterlesen musste, wollte ich Babys Stimme zwar von Crazys absetzen, aber auch von der Erzählerin. Sie soll ein bisschen kindlich und ..hm.. hysterisch? klingen. Aber versuche mal als 20 jährige, der kaum einer am Telefon abnimmt, dass sie über 18 ist, eine über 30jährige zu sprechen :mrgreen: ! Das wollte ich mir gar nicht erst antun, sonst wäre die Mühe einfach zu groß und der Genuss zu gering geworden, was mir bei dieser Lesung irgendwie zu wichtig erschien. "

Wie gesagt, ich hatte mich erst davor gescheut, die Geschichte überhaupt zu "veröffentlichen", weil ich mir schon dachte, dass es vielleicht insgesamt unglaubwürdig wäre, wenn ICH zwei über 30 jährige spreche....Aber ich bin stolz darauf, dass ich es trotzdem geschafft habe, dass ihr alle bis zum Ende durchgehalten habt :-)!

Danke, Gerda. Deine Worte haben mich wirklich sehr erfreut :blumen:.

Ganz doll liebe Grüße zurück
Trixie


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