Hosenstudie

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Schwarzbeere
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Beitragvon Schwarzbeere » 18.05.2007, 11:39

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Hosenstudie


Die Oberhose, von der Unterhose her gesehen, ist fast ein Usurpator, der jener nur ein wenig Luft und selten Licht gewährt.
Doch gibt es Stunden, Nächte meistens, wo beide friedlich schlummern, im Wäschekorb die eine träumt, indes die andere, ausgeleert auf einer Sesellehne hängend, versucht, die frische Haltung und die Bügelfalte aus sich selbst und dem Erinnern wieder herzustellen.

Die erstere aber, die den Duft des Körpers, manchmal auch ein Tröpfchen von Urin durch einen Tag hindurch gesammelt, denkt fast ein wenig traurig, dass sie bald in einer Waschmaschine von beiden wieder losgetrennt und dann vom heißen Bügeleisen zurück in eine glatte Form sich pressen lassen wird, um wieder einen andren Tag erneut und nicht sehr willig sich der Überdeckung durch die Oberhose auszusetzen, denn jene Oberhose ist nun einmal so beschaffen, dass sie sich selbst als Hose nur erkennt und nicht das „ober“ braucht, um ihre Existenz im Worte zu begründen, dieweilen jene arme Unterhose, das „unter“ zur Bestätigung der unterjochten Eigenexistenz wohl essentiell benötigt.

Da aber jenes Denken, das eigen ist dem Träger beider Hosen, die klare Trennung im dualen Sinne postuliert, manichäisch unterscheidet zwischen innen-außen, wie auch dem unter jeweils steht ein ober gegenüber, wobei das ober aber immer über einem unter wird bewertet, kann man als Freundlichkeit der Oberhose es verstehen, dass diese auf ihr Präfix hat verzichtet, und so erscheint es zumutbar, dass sich die Unterhose resigniert dem ihr bestimmten Schicksal und der (Ober)Hose unterwerfe!

Max

Beitragvon Max » 18.05.2007, 22:37

Lieber Schwarzbeere,

ich schwanke bei diesem Text zwischen einem gelegentlichen Schmunzeln und dem Gedanken, dass ich nicht jeden Gedanken meiner Unterwäsche kennen muss.

Etwas gestelzt scheint mir der Passus

as eigen ist dem Träger beider Hosen,


Die Lesung finde ich sehr schön klar - ich hatte, ehrlich gesagt, einen stärkeren Pathos befürchtet.

Liebe Grüße
max

Mucki
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Beitragvon Mucki » 19.05.2007, 02:03

Hallo Schwarzbeere,

dein "lakonischer" Ton in der Lesung passt gut zu diesem verrückten Text,-)
Saludos
Mucki

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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 19.05.2007, 08:54

Hallo Schwarzbär,

inhaltlich gefällt mir deine Betrachtung sehr gut, und dein Ausdruck ist stark. Jedoch strafst du dich beim Lesen selbst des Allzu-lange-Sätze-Bildens, indem du weit mehr Pausen einlegst (einlegen musst), als beschließende Satzzeichen vorhanden sind. Verbunden mit der sehr langsamen Lesart kann ich als Leser/Hörer den Endloskonstrukten nur schwerlich folgen. Entweder müssten diese langen Sätze entschieden flotter durchgelesen werden, oder es bedürfte einiger Atempausen, für deren Ausübung bzw. Nachvollzug sich gelegentlich ein Semikolon bzw. Punkt anböte.

Deine Stimme mag ich aber sehr.

Gruß,
Tom
Menschheit, Du hattest von Anfang an nicht das Zeug dazu... (Charles Bukowski)

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 19.05.2007, 11:22

Hallo Schwarzbeere,

ich stimme Tom in der Kritik zu - trotzdem hat mir das gefallen. Es ist natürlich übertrieben, aber ich habe bei dir schon oft gedacht, dass die Übertreibung immer echt ist. Darum gefällt es mir schlussendlich in seiner skurrilen Liebenswürdigkeit.

Wär fast was für die SOKO! (Textform)

Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 19.05.2007, 11:26

"Wär fast was für die SOKO! "(Textform)

Habe ich auch sofort dran gedacht, Lisa :o)))))

KOTO
(Kommissar Tom)
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Lisa
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Beitragvon Lisa » 19.05.2007, 11:27

Ok, ich geh das Portal verhaften!

(Hol schon mal den Wagen ;-))
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 19.05.2007, 11:30

Is' gut, Stefan!
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moshe.c

Beitragvon moshe.c » 19.05.2007, 18:08

Hallo Schwarzbeere!

Meine Wäsche betrachte ab sofort mit anderen Augen.

SEHR GELUNGEN!!!!

Der Gang der Zeit, nur noch kurze Sätze bilden zu können, und nur noch kurze Gedanken haben zu können, sollte dich nicht beeinflußen.
Deshalb ist man heute oft unfähig die eigenen Klassiker in Literatur und Philosophie entziffern zu können.

MlG

Moshe

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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 19.05.2007, 18:16

Hi Moshe,

sollte ich mich missverständlich ausgedrückt haben: Meine Kritik bezog sich nicht auf die langen Sätze im Allgemeinen, sondern auf die langsame Lesart dieser langen Sätze. Es gibt mehrere Stellen in der Lesung, wo der Sprecher deutlich einen Punkt macht, im Text jedoch ein Komma steht. Und letztlich sollte die Interpunktion des Textes ja so sein, wie sie der Autor selbst empfindet bzw. sie in ihm klingt.

Gruß,
Tom.
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moshe.c

Beitragvon moshe.c » 19.05.2007, 19:12

Hey Tom!

Lange Sätze und Gedanken benötigen eine langsame Lesart, damit sie ankommen.
Dies mache ich auch so.
Es wäre sehr interessant, wenn du es anders könntest.

So long

Moshe

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Schwarzbeere
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Beitragvon Schwarzbeere » 20.05.2007, 14:54

Liebe Blausalonisten und -innen

in Ermanglung einer angemessenen Anrede, die alle jene erfasst, die sich durch die präfixierten und anderen Hosen durchgehört und durchgelesen, griff ich zu der oben gezeigten, die zwar auch nicht besser ist als z.B. liebe Kommilitonen, Freunde und Gönner, Mitstreiter in Apoll, Jünger der Erato, doch den Bezug durch die Identifikation des Kommunikationsrahmens klar herausstellt.

Wie immer, haben alle Recht und verdienen es, für ihr Interesse und Bemühen bedankt zu werden. Um aber einen kleinen Schritt weiter zu gehen, greife ich die Punkte Pathos und Langsamkeit auf und antworte mit einem kleinen Text und Versprechen (das ich vielleicht nie einhalten werde?)

Wie die Hörbar ich entdeckt
Schwuppsdiwupps, schon war ich süchtig!
Meine Eitelkeit geweckt,
legt ich los und fühlt mich tüchtig!

Schnaufte langsam meine Texte,
trug so viel an Pathos auf,
bis es mein Gehör bekleckste,
was ich gerne nahm in Kauf.

Um den Spaß nicht zu betrüben,
meld bald wieder mich zur Stell!
Doch jetzt muss ich fleißig üben,
denn demnächst, da les ich schnell.

Orit

Beitragvon Orit » 20.05.2007, 20:59

Hallo Schwarzbeere,
nun noch ein Nachzüglerkommentar zu deiner klasse Hosenstudie :bussi: !
Lesung und Text passen für meine Ohren sehr gut zusammen. Ich kann mich
im Sessel zurücklehnen und du läßt mir genug Raum und Zeit, während dessen meine Hosen zu betrachten und über sie zu sinnieren ...

:engel: Orit


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