Klara liest Lisa: Meine Sprache...

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Klara
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Beitragvon Klara » 02.11.2007, 10:08

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Meine Sprache habe ich nicht verloren

Meine Sprache habe ich nicht verloren,
nur das, wo hinein ich sie legen kann

Würd so gern wissen, ob deine Augen unterschiedlich riechen,
wenn sie geschlossen, wenn sie geöffnet


Man kann – es ist Unrecht – aber man kann in die Luft greifen, um ein Gedicht zu schreiben
(so wie man auch in die Scheiße greifen kann)
doch meine Hand deinem Körper entwöhnen; da bräucht es schon ein L---

Ach, halt deine weiche Schnauze, du Nichtsnutz von einem W-Schatz, du
du, du, du, immerzu nur du …
zappenduster mach ich’s dir, mir
plustert sich die Sprache übers Herz,

du, du, du, immerzu nur du ...
wieder eine dieser Eulen, es ist zum Heulen
(und nur darum wachsen mir Zähne und Haare auf den Zähnen und Haare auf den Haaren auf den Zähnen und einer nennt es Fell und ich fang die Schafe an zu fressen, die das Futter für die Träume sind)


In Wahrheiten verfallen, die keine sind und doch welche bleiben,
in einen tiefen, immer tieferen Schlaf

Und wie gewaltsam man auch die Kissen aufschüttelt,
Und wie viel man auch von dem Mut aufbringt, der einem durch die Jahre verloren scheint,
man macht einsamer, was einen einsam macht, mehr hat’s damit nicht auf sich

Hör doch, meine Angst, es handelt sich um Menschen!
Will meine Schmerzen wecken, ich bitte dich

(ja ja, Holle, du olle Heulsuse, flenn doch, brenn doch! Brenn das Haus, brenn dein ganzes Haus, dass keine Feder mehr auf der andern)

Trust in me, just in me, like the knife which is in my hand which is in your heart

(ja, genau, ich mach es einfach wie einer dieser unzähligen, importierten Schlager, spreche eine halbbekannte Sprache, Versatzstücke können sich eine Menge leisten ohne Aufsehen zu erregen, denn jeder will ja betrogen werden: um das, was ohne diesen Betrug nicht in der Welt wäre)

Aber nein, ich ekle mich davor, mir ist der Geschmack zu grundsätzlich abhanden gekommen,
(meine Zunge: ein Spiegel)
will nicht mehr anfällig sein für das Fieber der Kulmination, das Phraseneinerlei,
will mich an den Narben, die ich anderen zufügte, gesund zählen,


denn das geht doch, egal wie tot man die Kuh auch macht,
auf keine Haut

(wie du duftest, wie weich du bist, ich erinnere mich, hörst du, ich kann mich erinnern und das heißt doch etwas, das muss doch etwas heißen)


Wo nur lebst du, Heim, den ich suche?


Ich weiß,
das war wieder die falsche Frage gewesen, kriegt man für 1 € poetischer beim Chinesen;
aber bitte, wie soll man formulieren?

Marschieren wie Ein Soldat?

Kondolieren wie ein Lump?

Servieren wie ein Giftmischer?

Krepieren wie, – – wie jemand, der krepiert? (Ja! Krepieren sollst du, mit deiner Seele in deiner Sackgasse aus Gold)

Illusionen, das sind Wohnorte unter einer Sonne mit Dimmfunktion und der Spießer onaniert sie sich zur Poesie


(ich weiß eine Straße, entlang derer stehen Nachtischchen mit Lampen drauf,
ich kenn sie schon lang, aber gestern, so schien mir, da war ich das erste Mal dort,
hab eine Reihe davon angeknipst, im Vorüberschlafen mit dir)

Ha Ha ahwäh, was für ein Kurzschluss, mir ist zum Katzen Kotzen,
aber eines noch (immer eines noch, immer noch eine Lüge, immer noch ein Betrug):

Ein Kundschafter, nein, einen Menschen mein ich, um einen Menschen handelt es sich, hörst du? Gib acht!: Ein Mensch, der vom Tiger angefallen wird, holt auch nicht sein Notizbuch heraus

Und trotzdem braucht er seine Stimme
Und trotzdem brauch ich meine Stimme
Und trotzdem braucht es eine Stimme


Ich bin so klein zwischen den Sternen,
wäre die Moral ein Muskel, ich weinte Milch

Verzeihst du mir die Dunkelheit? Verzeihst du mir, dass es Sterne geben muss?
Oh bitte, verzeih mir.

Und hier brech ich, brech ich mir einen ab. Von den Zweigen der Sträucher, die zu finden sind auf den Wiesen, welche die Frauenkraniche weiden


Im Dunkeln schreiben, ja. Im Dunkeln lieben, nein!

Sebastian

Beitragvon Sebastian » 02.11.2007, 12:15

Beeindruckend, mehr Worte finde ich fast nicht dazu. Manchmal muss (kann) man aber auch gar nicht mehr sagen.

Louisa

Beitragvon Louisa » 02.11.2007, 13:44

Guten Tag!

diesen Text lese und höre ich zum ersten Mal. Wo hatte er sich vorher versteckt?
Deshalb bin ich jetzt erst einmal vom Inhalt eingenommen, wobei die Lesung natürlich treffend und gemeistert ist!

Der Text und der Klang ist hier wieder an manchen Stellen so rauh und verletzt, dass ich immer das Gefühl habe beim Lesen und Hören von Stellen wie "Wie riechen Deine Augen, geschlossen oder geöffnet?" etc... geradezu aufatme und mir denke: "Wie wunderschön, wie sanftmütig ist das plötzlich zwischen dem Rest!"

Diese leichte Zerissenheit gefällt mir sehr.

Ich finde es wieder einmal sehr inspirierend, erfrischend und gelungen!

Ihr seit ein feines Duo!

...ich werde dann mal beim Chinesen schauen, ob ich etwas Brauchbares finde!

:blumen:

l

(Übrigens könnte man einen Kompromiss finden und im Zwielicht schreiben und lieben!)

Klara
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Beitragvon Klara » 02.11.2007, 16:13

Danke fürs Zuhören, Sebastian und Louisa .-)

Der Text ist der Wahnsinn, oder? Den musste ich einfach lesen.

Lieber Gruß aus dem/ins Zwielicht
Klara

Peter

Beitragvon Peter » 02.11.2007, 16:58

Toll, Klara, wie du Texte sein lassen kannst, ich bewundre es mal wieder. (Dieses Nüchterne deiner Lesart, das die Texte einfach hält und sie doch eben deswegen entfaltet.)

Und der Text, dieses Wehen darin. Der Text ist eine Schwangerschaft.

Das werd ich mir noch oft anhören.

Klara
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Beitragvon Klara » 02.11.2007, 17:40

Peter, danke fürs Hören und Zuhören.
Und der Text, dieses Wehen darin. Der Text ist eine Schwangerschaft.

Mag sein. Ich glaub, der Text ist ein Ende und ein Anfang, und weil sich das meistens so sehr vermischt im echten Leben (im Kino ist es anders), und weil der Text dieses Vermischen auf eine verblüffende Weise erzählt, tut es weh: weil sich Ende und Anfang aneinander stoßen. Weil alles längst klar ist und das aber nichts hilft. Es ist ein Text über die Liebe, sehr persönlich und doch bestechend allgemein betreffend, wie ein guter Text sein muss. Statt "Tiger" könnte man auch "Wolf" sagen...
Und trotzdem braucht er seine Stimme
Und trotzdem brauch ich meine Stimme
Und trotzdem braucht es eine Stimme


Ich hoffe, Lisa fühlt sich nicht überrumpelt, dass ich ihrem Text meine Stimme ungebeten geliehen hab...

Lieber Gruß
Klara

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Beitragvon Lisa » 06.11.2007, 13:28

Liebe Klara,

ich schrieb dir ja, dass ich auch internettechnischen gründen, die Version erst zuhause aufs Laptop bannen musste - jetzt habe ich es geschafft, ach Klara! ich bekomme deine Stimme so gern durch meine Texte zu hören. In diesem Sinne schade, dass ich nicht berühmt bin, dann würde ich dich dauermieten!! Vor allem finde ich, dass du bei diesem Text eine Spur trockener gelesen hast als sonst, ich glaube, weil du diesmal nicht so dieses Hyperventilierende betonen wolltest oder konntest - was mich für den text freut (wobei auch das andere fein ist, du entscheidest da für mich immer genau richtig).

ich danke dir sehr und warm!

Es ist immer so schönb, dass ich nur rührselig antworten kann ,-(

Liebe grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

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Beitragvon Klara » 06.11.2007, 14:34

Liebe Lisa,

bin erleichtert und froh. Ich kann einen Text ja nur so lesen, wie er da steht, nicht wahr. Und dein Text steht da wunder, wunderbar .-)

Sobald du berühmt bist, machen wir einen Deal, okay?

Lieber Gruß
Klara

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Beitragvon Lisa » 07.11.2007, 20:40

Liebe Klara,

natürlich! Deals machen & berühmt sein sind ja quasi Synonyme ,-)

Hab mich wirklich gefreut,
liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.


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