niemals (kleinlautes Lied)

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Klara
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Beitragvon Klara » 06.11.2007, 17:42

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Niemals

Niemals werd ich wissen, wo du deine ganz weichen Stellen hast.
Nie werd ich dich küssen und nie deine Flanken berührn
In einiger Zukunft wirst du sogar völlig verblasst
sein, denn ich bleib klein und rein und werd dich nicht verführn

Niemals werd ich reich an dir sein, immer hoffen und schaun
Stets werd ich mich fragen und dir doch nicht sagen warum
Ich werde mich sehnen und wachen und mich doch nicht trauen
So funktioniert Leben in Wirklichkeit: am Existenzminimum!

Nur in meinen Träumen kommst du endlich zu mir, als wär das normal
hältst all unsre stummen Versprechen Wort für Wort
Im Traum weißt du endlich: Du hast keine andere Wahl
und wählst mich und lässt mich nicht gehen und gehst auch nicht fort


Niemals werd ich wirklich verstehen, was mich bindet, und wie
Nie geh ich der Wirklichkeit und der Notwendigkeit voll auf den Leim
Nie werde ich glauben, das alles sei grundsätzlich nichts als Chemie
Wir ersticken, bevor wir dran scheitern, all das, was da ist, und zwar schon im Keim

Niemals werd ich wissen, wie du dich verhältst, wenn du bei mir bist
Das Streichholz wird nicht angerissen, und nie erlieg ich deinem Charme
den Morgen erwart ich allein, als hätt ich dich schon morgen vermisst
Wir bleiben für immer so klug und so dumm und so arm.

Nur in meinen Träumen lebst du wie ein riesiger Bär
vergisst ganz gemächlich, worum es nicht geht
tief in meiner Höhle legst du dich zu mir, nur zu mir
Und unsre Musik ist voll aufgedreht

Niemals werd ich wissen, wo du deine ganz weichen Stellen hast.
Nie werd ich dich küssen und nie deine Flanken berührn
In einiger Zukunft wirst du sogar völlig verblasst
sein, denn ich bleib klein und rein, du wirst mich nicht verführn

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Schwarzbeere
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Beitragvon Schwarzbeere » 12.12.2007, 23:38

Liebe Klara,

Ich will hier nicht auf die Sprachvergewaltigungen eingehen, die du ja im Dienste der Rhythmisierung vorgenommen hast, sondern lediglich auf jene Punkte hinweisen, die mich dazu bewegten, von Identitätswechsel zu reden, was dich wiederum zu der Bitte um Klarstellung trieb.

Vorerst musste ich begreifen, dass es sich nicht um ein Pferd handelt (denn Flanken?) und von da an verstand ich die Erzählerin als Kind oder schwärmerischen Backfisch.

Dann wird die erzählende Person etwas realistischer zur Beobachterin, die schaut (was, das wird nicht gesagt) und sich damit abfindet, dem Phantasiegebilde Leben einzuhauchen.

Das setzt sich in der dritten Strophe fort, wo die stummen Versprechen annehmen lassen, dass vielleicht doch eine wirkliche Person als Traummaterial dient.

Obwohl bis hierher kein physischer Kontakt existieren dürfte, zeigt der Hinweis auf die Chemie an, dass eine Fixierung auf ein vielleicht reales Objekt vorliegen dürfte, wenn auch gleich wieder die tatsächliche Begegnung verneint wird, denn bei einem Zusammenkommen weiß man zwar vielleicht nicht, warum sich jemand in einer bestimmten Weise verhält, doch diese kann zumindest beobachtet werden.
Dem Charme eines anderen Wesens zu erliegen, bedarf einer Konkretisierung.

Ohne Aktualisierung der angesprochenen Person – ich vermeide die Schlagworte LI und LD, die sich bei poetischen Backfischen gut ausnehmen können, bei mir aber sich eher ins Groteske verzerren – vervielfacht sich die Erzählerin und spricht im Plural und im Indikativ für ein imaginäres Liebespaar. Doch schnell wird der lyrische Charmeur wieder in die Traumwelt zurückgeschickt. So kann also die Erzählerin wieder ihre Jungmädchenrolle einnehmen und ihre Frustration wie auch ihre Schuldgefühle (da sie ja recht fleischliche Phantasien zu haben schien) in die Traumgestalt projizieren, von der sie, wenn auch bedauernd, sich niemals verführen lassen will.


Schönen Abend, falls du noch vor dem Bildschirm sitzen solltest. Schwarzbeere

Klara
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Beitragvon Klara » 13.12.2007, 08:51

Aha.
Solcherlei Psycho-Intellektualisierung erscheint mir eher unangemessen.
Ich habe nicht den Eindruck, dass das wenig mit dem Lied zu tun hat - dafür viel mit einer Abwehr, deren Notwendigkeit ich nicht einschätzen kann.
Grüße
Klara


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