Chanson: Berlin raue Mutter

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Klara
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Beitragvon Klara » 04.11.2007, 07:12

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Berlin raue Mutter
drückst mich an dein kantiges Herz
ich stoß mich und hör wie es pocht
in der Nacht und am Tag und weit fort

Berlin raue Mutter
ziehst mich an die klammheiße Brust
Ich zeichne mir Heimat
in all deine Falten
Ich halte die Spur
nur
bei dir

Berlin raue Mutter
du schlägst mich erträgst mich
du weißt stets wie es um mich steht
und sagst nichts und fragst nichts
dein Mund zieht die Fäden
von Westen nach Ost
und niemals - nie! - kommst du zu spät


Berlin raue Mutter
Dein Bauch ist ein Tümpel
dein Kloß sitzt mir eisern im Hals
Du hast nichts vergessen
und trägst alles nach
bringst die große Geschichte
mit haltbaren Märchen ins Bett

Berlin raue Mutter
bei dir sitzt die Liebe
auf keiner Bank du hast es leicht
Sie hastet durch sprudelnde Adern
du hast keine Zeit für die Zeit
und bist niemals, bist niemals bereit

Berlin raue Mutter
du schlägst mich erträgst mich
du weißt stets wie es um mich steht
und sagst nichts und fragst nichts
dein Mund zieht die Fäden
von Westen nach Ost
und niemals - nie! - kommst du zu spät


Berlin raue Mutter
nicht eine kann sich
mit dir messen wie ich
Du bist meine Aussicht mein Schlaflied
das du für mich schreibst
mein Angsthaus, mein Schild, meine Fügung, mein Halt und mein Tod

Berlin raue Mutter
du bleibst

[Das ist eine Rohfassung mit einigen Holprigkeiten, auch zur Sicherung für mich selbst und Eventualitäten. Vielleicht werden wir das ein bisschen anjazzen und arrangieren]

Sam

Beitragvon Sam » 04.11.2007, 07:29

Oh nein liebe Klara, das ist mir wirklich zu harmlos, verzeih bitte! Ich glaube nicht, dass deine Beziehung zu Berlin so emotionslos ist. Ich liebe deine Stimme, aber so, wie du hier singst, könntest du auch über die Ginsterhecke des Nachbarn singen. Auch der Refrain hebt sich nicht vom restlichen Text ab. Das alles klingt wie eine Auftragsarbeit, die du nur angenommen hast, um deine Miete zu bezahlen. Von deiner wunderbaren Kunst steckt da nicht viel drin.
Ich hoffe, du entschuldigst mir meine Offenheit!

Liebe Grüße

Sam

Klara
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Beitragvon Klara » 04.11.2007, 09:38

Hi Sam,

danke fürs Hören.

Ich glaube nicht, dass deine Beziehung zu Berlin so emotionslos ist. Ich liebe deine Stimme, aber so, wie du hier singst, könntest du auch über die Ginsterhecke des Nachbarn singen.

Das ist merkwürdig. Vielleicht liegt es daran, dass ich (sozusagen) tatsächlich über die Ginsterhecke des Nachbarn singe...
Das alles klingt wie eine Auftragsarbeit, die du nur angenommen hast, um deine Miete zu bezahlen.

Schön wär's ja. Dann nähme ich gleich auch deine harschen Worte mit in Kauf ,-)
Von deiner wunderbaren Kunst steckt da nicht viel drin.

Wahrscheinlich überschätzt du mich ebenso wie Berlin und diverse Emotionen.

Ich hoffe, du entschuldigst mir meine Offenheit!

Ich bin froh darüber, ehrlich.

Liebe Grüße
Klara

Gast

Beitragvon Gast » 04.11.2007, 10:37

Liebe Klara,

ich glaube, dass dieser Text schlicht eine andere Melodie und Instrumentierung - weniger weich und romantisch braucht.

Deine Stimme klingt zart und weich passend zur Gitarre, aber für mich klingt alles zusammen unpassend zum Text.

Zärtlich melancholisch, als wenn du ein kleines Städtchen besängst, ein romatischens Fleckchen in Rheinhessen, aber nicht die raue Mutter. :confused:

Liebe Grüße
Gerda

Klara
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Beitragvon Klara » 04.11.2007, 10:50

Hallo Gerda!

Danke. Euer Hören ist sehr hilfreich.

Ich glaube, ich weiß langsam, was ihr meint (du und Sam, mein ich)...

Grüße
Klara

Caty

Beitragvon Caty » 04.11.2007, 11:07

Was für ein wunderschönes Chanson. Raue Mutter Berlin - eine sehr treffende Zeile. Mir gefällt deine Art des Vortrags ausgezeichnet, Klara. Ich glaube sogar, diesen Text kann man nur so ein bisschen verträumt, ein bisschen schnoddrig, ein bisschen traurig singen: Ich kenn dich, aber ich lieb dich. Ich kann mich der Meinung meiner Vorredner nicht anschließen, dass hier Text und Vortrag auseinanderklaffen. Seit wann muss man denn selbst rau sein, um das Raue benennen zu können? Das Lied lebt davon, dass genau das nicht passiert, sonst würde es "typisch berlinisch" durch die Noten trampeln und nur ein Klischee bedient werden. Bravo, Klara! Caty

Sebastian

Beitragvon Sebastian » 04.11.2007, 12:25

Ich frage mich, ob man als Nicht-Berliner (und gleichzeitig auch noch jemand, der noch nie da war) wie Ich überhaupt etwas sagen kann dazu, wie jener Text klingen müsste, glaube jedoch, dass Berlin generell sehr schwierig in einer Stimmung greifbar ist.
Die Stadt wird ja in Chansons und von Liedermachern (ich deke da an Klaus Hoffman) sehr häufig bemüht, in so fern muss man sich große Vergleiche gefallen lassen (obwohl Berlin manchmal sicherlich kleiner ist, als man denkt).
Den Text an sich fand ich wunderbar, ich frage mich jedoch, ob durch eine Vertonung gewinnt, denn nahezu jeder hat seine ganz eigene "Berlin-Melodie" im Kopf.

Klara
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Beitragvon Klara » 04.11.2007, 12:30

Hallo Sebastian,

danke für dein Hören, aber das ist ja ein bedenkenträgerischer Kommentar, bei dem ich mich frage, ob die dahinter stehende Haltung nicht jedes Erfinden töten könnte:

Ich frage mich, ob man als Nicht-Berliner (und gleichzeitig auch noch jemand, der noch nie da war) wie Ich überhaupt etwas sagen kann dazu, wie jener Text klingen müsste, glaube jedoch, dass Berlin generell sehr schwierig in einer Stimmung greifbar ist.
Die Stadt wird ja in Chansons und von Liedermachern (ich deke da an Klaus Hoffman) sehr häufig bemüht, in so fern muss man sich große Vergleiche gefallen lassen (obwohl Berlin manchmal sicherlich kleiner ist, als man denkt).
Den Text an sich fand ich wunderbar, ich frage mich jedoch, ob durch eine Vertonung gewinnt, denn nahezu jeder hat seine ganz eigene "Berlin-Melodie" im Kopf

Wenn ich so "ob-wenn-frage-mich-vielleicht-großer-Vergleich-Angst-undjemandanders-
könntejaanderesdenken"-mäßig drauf wäre wie du, schon bei einem simplen Kommentar zu einem kleinen Song, hätte ich bis heute keinen einzigen Text schreiben können (geschweige denn eine Melodie).
Und wenn du danach gehst: Das Thema "Liebe" oder "Angst" wäre dann ja noch viel vergleichsscheuer als die große kleine Stadt Berlin, oder?

Hallo Caty, danke fürs Zuhören. Du bist Berlinerin, glaube ich mich zu erinnern? Dann hab ichs ja vielleicht doch ein wenig getroffen... Bin noch am Überlegen, ob es tatsächlich zu lieblich vertont/gesungen ist, oder ob gerade der Kontrast (immerhin wird eine "Mutter" besungen) reizvoll und gegen die Erwartungshaltung sein kann. Du bist ja bis jetzt die einzige, die das goutiert :blink2:

Grüße
Klara

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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 04.11.2007, 12:36

Liebe Klara,

da ich weiß, wie gut du bist, traue ich mir (und dir) auch eine Kritik zu, die der von Sam entspricht.

Wie bereits im anderen Faden besprochen, erreichen mich die Bilder textlich schon nicht. Und nach dieser Interpretation leider auch nicht. Die Sprache erhält durch die Musik auch nicht mehr an Belang, als ihr zustünde. Es bleibt (für mich) irgendwie beliebig; ich bin fast geneigt zu sagen: gelangweilt.

Die Akkorde sind zu harmonisch, der Gesang zu lieblich. Ohne Dissonanzen bzw. -harmonien wird sich der Text nicht transportieren, das Raue und Kantige bildet sich hier nirgendwo ab. Das 'Spreizen' und die 'Spannung', was der Gefühlslage wohl entspräche, findet leider nur in der Unterschiedlichkeit von Form und Inhalt statt, nicht in der Einheit derselben. Das muss deswegen, wie Caty schreibt, nicht "typisch berlinerisch durch die Noten trampeln"; es muss nur entsprechend intoniert bzw. moduliert sein. Ob sich das durch 'Anjazzen' (was ist das? durchswingen?) lösen lässt?

Tom
Menschheit, Du hattest von Anfang an nicht das Zeug dazu... (Charles Bukowski)

Sebastian

Beitragvon Sebastian » 04.11.2007, 12:42

Liebe Klara,

Wie ich schrieb finde ich den Text an sich sehr gut. Mir ging es also nicht darum grundlegend in Frage zu stellen, ob man sich mit Berlin auseinandersetzen sollte, sondern die Schwierigkeiten aufzuzeigen, die dies mit sich bringt, vor allem im musikalischen Bereich, da ich persönlich das Berlin Bild in der deutschsprachigen Musik überstrapaziert finde und es daher sehr schwierig ist ihm etwas neues abzugewinnen. Das schmälert allerdings den Mut des Versuchs nicht.
Ich muss allerdings auch gestehen, dass ich Berlin allgemein in der Kunst sehr überstrapaziert finde, ich also weit weg von Unbefangenheit bin :mrgreen:

nichts für ungut und liebe Grüße

Sebastian

Klara
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Beitragvon Klara » 04.11.2007, 12:46

Danke Tom.
Ob sich das durch 'Anjazzen' (was ist das? durchswingen?) lösen lässt?

Das werden wir bei Gelegenheit hören .-)

Hab verstanden, Sebastian.

Wir hören uns
K.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 04.11.2007, 13:41

Hallo Klara,

ich finde das Lied/die Melodie wunderschön. Ich weiß nicht, warum die anderen es grober, kantiger wollen. Mir gefällt gerade das Wehmütige darin sooo gut. Und der Refrain unterscheidet sich sehr wohl vom anderen Text.
Also, ich bin begeistert! :daumen: :blumen:
Saludos
Mucki

Nihil

Beitragvon Nihil » 04.11.2007, 19:00

Hallo Klara,

ich schließe mich Mucki an - ich finde das Lied auch sehr schön und die Wehmut ist auch passend, kein Änderungsbedarf für mich. :daumen:

LG

Nihil

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 04.11.2007, 20:25

Hallo Klara,

ich habe zum Text selbst keinen Zugang gefunden, weil er in mir nichts zum klingen bringt. Das übernimmt aber deine Stimme hier wunderbar. Beim Text lese ich nur Berlin, Berlin im Lied höre ich die Ansprache an eine Mutter, mit all den zwiespältigen Gefühlen. Für mich macht es gerade diese Mischung aus. Auch mag ich deine Stimme hier sehr gern, sie kommt der Natürlichkeit und Echtheit deiner Lesestimme näher (bis auf die aufgedrehte Stelle :eek: das ist mir zuviel gewollte Emotion.)
Ich könnte mir das eher bluesiger oder ein wenig in Richtung country vorstellen, ich weiß nicht ob jazzig nicht zu aufgesetzt wäre, zu verspielt.
Aber ich lass mich gerne überraschen.

liebe Grüße smile


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