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Peng! (Startschuss)
Prosa-Marathon bis zum 01. Mai 2014
Im gerichtsmedizinischen Labor war der lange Robert eben dabei, den Kittel in den Schrank zu hängen. Darunter trug er Jeans und T-Shirt, beides in einem ausgewaschenen Beigeton. Er sah aus wie ein Langzeitstudent ohne Geld und ohne Freude am Dasein.
»Ah, noch da, das passt ja ausgezeichnet«, legte der Kommissar sofort los und streckte ihm den Kamm hin. Erschrocken hob Robert die Hände in Schulterhöhe. »Bitte nicht hauen. Was ist denn das für ein mörderisches Ding?«
»Das hab ich den Wolltanten abgenommen!«, verkündete der Kommissar und präzisierte auf Roberts Stirnrunzeln: »Ich meine, ich hab es in der Volkshochschule gefunden. Was meinst du, könnte das die Waffe sein? Du kannst es ruhig in die Hand nehmen.« In seiner Aufregung verstieg er sich sogar zu dem Du, das er sonst ängstlich vermied.
Robert fasste den Kamm vorsichtig mit zwei Fingern am Griff und ließ ihn vor seiner langen Nase hin und her baumeln. »Sieht sauber aus.«
»Natürlich ist er sauber. Der ist zum Wollekämmen. Wahrscheinlich ist er seit dem Mord schon durch dreißig Schaffelle geharkt worden. Die sind fettig.« Der Kommissar erinnerte sich an den Wollehaufen in den Pappkarton und war sehr stolz auf sein neu erworbenes Wissen.
»Hm.« Robert tupfte vorsichtig mit einem Finger gegen die Zinken. »Die sind ja spitz wie Nadeln, damit kann man doch kein Schaf kämmen? Gut, dass ich mit Wolle nichts am Hut hab. Das scheint ein gefährliches Handwerk zu sein.«
»Die Wolle wird erst nach dem Scheren gekämmt«, erläuterte der Kommissar. »Und nun sei so gut und untersuche das Ding auf Blutspuren. Menschliches Blut, wohlgemerkt.«
Robert besah sich den Kamm von allen Seiten schüttelte gemessen den Kopf. »Kommt als Tatwaffe nicht in Frage. Tut mir leid, wenn ich dich enttäuschen muss, Kurt. Aber das ist ganz falsch aufgebaut.« Er bückte sich in seinen Spind und ließ dabei dem Kamm locker von der Hand baumeln.
»Verdammt. Ich dachte schon, ich hätte die Lösung!«
Robert tauchte wieder aus dem Spind auf, eine zerdrückte Zigarettenschachtel in der Linken. »Nein, das ist ganz verkehrt. Ich sagte dir doch, wir suchen eine Gabel. Das Ding hier ist eher eine Hacke, mit den Zinken im rechten Winkel zum Griff. Damit sticht man nicht zu, sondern man hackt, von oben nach unten. Und das gibt dann einen Bogen zum Objekt, siehst du?« Er packte den Kamm am Griff und ließ ihn mit Schwung durch die Luft fahren. Der Kommissar duckte sich unwillkürlich.
»Wenn das die Waffe gewesen wäre, hätten wir schräge Stichkanäle und auch Risse im Gewebe, weil, wie gesagt, die Spitzen einen Bogen beschreiben. Unser Täter hat aber nicht gehackt, sondern nach vorn gestoßen, im rechten Winkel zum Opfer. Dafür hat dieser Kamm nicht den Hebel, wenn Du verstehst, was ich meine. Tut mir leid!«
Der Kommissar betrachtete trübe den Kamm. »Dann gebe ich ihn gleich wieder zurück. Aber vielleicht gibt es noch andere Formen von Wollkämmen. Ich werde mal diese Wollfrauen fragen.« Im Geist sah er die Frauen vor sich, eine nach der anderen zur Vernehmung bestellt … die junge Stopplige aggressiv, die rundliche Weißblonde distanziert, die ältliche Grauhaarige wahrscheinlich bissig-ironisch. Und alle peinlich darauf bedacht, sich nichts anhängen zu lassen.
Robert schüttelte den Kopf. »Die Form ist nicht allein das Problem, Kurt, die Zinken stimmen auch nicht. Viel zu spitz. Ich habe dir doch gesagt, such nach einem Kamm mit eher stumpfen Enden. Das Ding hier wäre als Mordwaffe gut geeignet, wenn man so richtig wüst drauf ist und keine Angst vor Blut hat … aber der Täter hat es jedenfalls nicht benutzt, auch nicht so was Ähnliches.« Er fischte mit den Zähnen eine Zigarette aus der Packung. »Also, wenn du darauf bestehst, kann ich mir das Ding natürlich mal vornehmen. Aber das wäre eine Arbeit für die Füße. Es passt überhaupt nicht.«
»Für die Füße?« Der Kommissar betrachtete erstaunt den Kamm. »Wo hab ich das heute schon mal gehört?«
Vor der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
(Ikkyu Sojun)
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
(Ikkyu Sojun)
Zwei und vierzig Stufen bis zur Sicherheit, dachte Tanja bei sich am Gebäude angekommen, das sie ihr Zuhause nannte. Sie stieg langsam die Treppen hoch zum zweiten Stock, die Seele dackelte gehorsam und schweigend hinterher. Die Nachbarin kochte Rotkraut und Kasseler, jedenfalls etwas gepökeltes, das ganze Treppenhaus roch nach Fleisch. Sie verspürte Appetit danach, obwohl sie gar keinen Hunger hatte. Gut geht es uns, schmunzelte sie und zog unsanft die Seele zu sich, die von der Tür der Nachbarin Rast machen wollte, wenn man an einem Dienstag Rotkraut mit Kasseler zubereitet. Sie überflog auf die Schnelle in Gedanken den Inhalt des eigenen Kühlschranks und entschied sich für die Tagliatelle mit Spinat, es geht am schnellsten.
Vor ihrer eigenen Wohnungstür blieb sie einen Augenblick stehen und lauschte. Keine Stimme. Weder die ihres Kindes noch die Stimme ihres Mannes. Nur die quakenden Stimmen aus dem Fernsehgerät waren zu vernehmen. Tanja warf sich vor, nicht angerufen zu haben dass sie früher nach Hause kommen wird. Wo waren sie bloß? Vielleicht waren sie spazieren gegangen und haben vergessen den Fernseher auszuschalten, sie beschloss sich dieses eine Mal keine unnötigen Sorgen zu machen. Langsam drehte sie den Schlüssel in dem Schloss und öffnete die Türe. Die Seele drängte sich an ihr vorbei, sprang sofort ins Wohnzimmer und blieb dort wie angewurzelt stehen.
Dort saß der Junge mit dem Rücken zur Tür auf dem Teppich vor dem Fernsehgerät umzingelt mit einem Meer aus Legosteinen und anderem Spielzeugen, wickelte Schokoladenpralinen aus der Silberfolie und aß sie, mit dem Blick gefesselt auf den Schirm. Allem Anschein nach tat er das schon einige Zeit, weil zwischen den Bausteinen viel der zerfetzten Silberfolie lag.
Die Seele stand immer noch da und atmete nicht, um das Kind nicht zu verschrecken. Tanja bog um die Ecke und lief zum Arbeitszimmer. Das Licht im Zimmer leuchtete nicht, aber der Computerbildschirm flimmerte in dem Dunkel. Sie konnte das leise Surren des Rechners hören und
das Klirren der Lanzen und Schwerter. Ihr Mann saß in dem Dunkeln sein Gesicht mal grün mal Blau beleuchtet, sein Blick starr gerichtet auf ein Schlachtfeld an dem mehrere hochgerüstete Gestallten gepfercht in einem Haufen aufeinander oder auf jemanden einschlugen. Sie lehnte ihren Kopf an die Wand und beobachtete das linke Ohr ihres Mannes, sie beobachtete es in tiefster Trauer. Ihr eigenes Empfinden überwältigte sie, Wut hätte sie erwartet, mit Wut käme sie klar. Aber es war Melancholie. Melancholie einer Geschichte die sich dem Ende nähert. Es gab Zeiten, wo sie viel weniger von diesem linken Ohr zu sehen bekam, darum mochte sie damals dieses sich rar machende Ohr, dieses sich manchmal knabbernlassende Ohr, welches dem Augenkontakt Vorrang gestattete. Aber , diese Augen waren seit geraumer Zeit verloren gegangen, das Schwarze der Pupillen hat die Bläue der Iris gefressen und die einzige Bläue war die Bläue eines blaugeleuchteten Ohrs.
Er zuckte zusammen, als er sie bemerkte, erschrak und fasste sich mit der linken Hand an die Brust, mit der rechten hielt er die Maus immer noch fest: „Willst du mich umbringen!?“ rief er und „Wieso bist du schon da? „
Wieso sie schon da war, antwortete sie nicht, erwiderte aber :“Ich dachte du kannst nicht sterben, da du immer wieder respawnt wirst.“
„Haha“ entgegnete er leicht angesäuert, schaute abwechselnd auf sie und auf den Bildschirm, sie unterbrach seine Konzentration. „Mist, jetzt bin ich echt gestorben!“ sagte er und das linke Ohr bekam wieder die Hauptrolle.
„Echt gestorben“ sagte sie, aber das hörte er schon nicht mehr.
Sie ging ins Wohnzimmer, küsste das Kind das überrascht aber erfreut seine Mutter anlächelte, und mit seinem schokoladenverschmierten Gesichtchen so aussah, als käme er aus weiten Fernen. Die Seele betrachtete das Kind mit feuchten Augen, als ihm die Tanja die Schühchen anzog, erst mal das linke dann das rechte, dann die Jacke, und schließlich die Mütze. Tanja öffnete den Wohnzimmerschrank, nahm das Geld, das in einer Teekanne lag und packte es in ihre Tasche. Als sie sich zu dem Kind beugte um es hochzuheben, wisperte die Seele ganz leise: „Ihn werde ICH tragen, mach du uns nur die Türe auf.“ Also machte Tanja die Wohnungstüre breit auf und nicht wieder zu. Mit dem Kind auf den Armen gingen sie hinaus. Im Treppenhaus, am Treppenabsatz, eine Sekunde lang, konnte sie ein leises hundehecheln wahrnehmen und einen leichten Stups an der Wade. Sie sah keinen Hund, aber sie wusste, er war da.
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Vor ihrer eigenen Wohnungstür blieb sie einen Augenblick stehen und lauschte. Keine Stimme. Weder die ihres Kindes noch die Stimme ihres Mannes. Nur die quakenden Stimmen aus dem Fernsehgerät waren zu vernehmen. Tanja warf sich vor, nicht angerufen zu haben dass sie früher nach Hause kommen wird. Wo waren sie bloß? Vielleicht waren sie spazieren gegangen und haben vergessen den Fernseher auszuschalten, sie beschloss sich dieses eine Mal keine unnötigen Sorgen zu machen. Langsam drehte sie den Schlüssel in dem Schloss und öffnete die Türe. Die Seele drängte sich an ihr vorbei, sprang sofort ins Wohnzimmer und blieb dort wie angewurzelt stehen.
Dort saß der Junge mit dem Rücken zur Tür auf dem Teppich vor dem Fernsehgerät umzingelt mit einem Meer aus Legosteinen und anderem Spielzeugen, wickelte Schokoladenpralinen aus der Silberfolie und aß sie, mit dem Blick gefesselt auf den Schirm. Allem Anschein nach tat er das schon einige Zeit, weil zwischen den Bausteinen viel der zerfetzten Silberfolie lag.
Die Seele stand immer noch da und atmete nicht, um das Kind nicht zu verschrecken. Tanja bog um die Ecke und lief zum Arbeitszimmer. Das Licht im Zimmer leuchtete nicht, aber der Computerbildschirm flimmerte in dem Dunkel. Sie konnte das leise Surren des Rechners hören und
das Klirren der Lanzen und Schwerter. Ihr Mann saß in dem Dunkeln sein Gesicht mal grün mal Blau beleuchtet, sein Blick starr gerichtet auf ein Schlachtfeld an dem mehrere hochgerüstete Gestallten gepfercht in einem Haufen aufeinander oder auf jemanden einschlugen. Sie lehnte ihren Kopf an die Wand und beobachtete das linke Ohr ihres Mannes, sie beobachtete es in tiefster Trauer. Ihr eigenes Empfinden überwältigte sie, Wut hätte sie erwartet, mit Wut käme sie klar. Aber es war Melancholie. Melancholie einer Geschichte die sich dem Ende nähert. Es gab Zeiten, wo sie viel weniger von diesem linken Ohr zu sehen bekam, darum mochte sie damals dieses sich rar machende Ohr, dieses sich manchmal knabbernlassende Ohr, welches dem Augenkontakt Vorrang gestattete. Aber , diese Augen waren seit geraumer Zeit verloren gegangen, das Schwarze der Pupillen hat die Bläue der Iris gefressen und die einzige Bläue war die Bläue eines blaugeleuchteten Ohrs.
Er zuckte zusammen, als er sie bemerkte, erschrak und fasste sich mit der linken Hand an die Brust, mit der rechten hielt er die Maus immer noch fest: „Willst du mich umbringen!?“ rief er und „Wieso bist du schon da? „
Wieso sie schon da war, antwortete sie nicht, erwiderte aber :“Ich dachte du kannst nicht sterben, da du immer wieder respawnt wirst.“
„Haha“ entgegnete er leicht angesäuert, schaute abwechselnd auf sie und auf den Bildschirm, sie unterbrach seine Konzentration. „Mist, jetzt bin ich echt gestorben!“ sagte er und das linke Ohr bekam wieder die Hauptrolle.
„Echt gestorben“ sagte sie, aber das hörte er schon nicht mehr.
Sie ging ins Wohnzimmer, küsste das Kind das überrascht aber erfreut seine Mutter anlächelte, und mit seinem schokoladenverschmierten Gesichtchen so aussah, als käme er aus weiten Fernen. Die Seele betrachtete das Kind mit feuchten Augen, als ihm die Tanja die Schühchen anzog, erst mal das linke dann das rechte, dann die Jacke, und schließlich die Mütze. Tanja öffnete den Wohnzimmerschrank, nahm das Geld, das in einer Teekanne lag und packte es in ihre Tasche. Als sie sich zu dem Kind beugte um es hochzuheben, wisperte die Seele ganz leise: „Ihn werde ICH tragen, mach du uns nur die Türe auf.“ Also machte Tanja die Wohnungstüre breit auf und nicht wieder zu. Mit dem Kind auf den Armen gingen sie hinaus. Im Treppenhaus, am Treppenabsatz, eine Sekunde lang, konnte sie ein leises hundehecheln wahrnehmen und einen leichten Stups an der Wade. Sie sah keinen Hund, aber sie wusste, er war da.
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