Buchtipp Rundbrief August 2012 von Rala

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BlauerSalon
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Beitragvon BlauerSalon » 01.08.2012, 08:52

Rundbrief August 2012


Buchtipp und Besprechung August von Rala // Unter dem Tagmond von Keri Hulme



Kia ora koutou katoa – Viel Glück euch allen

Staubgraue raue Worte fallen in die Stille des Papiers und bilden eine kargschöne Landschaft. Eine wilde See zeichnet unablässig immer neue Ornamente in den Sand, überlässt sie dem Wind oder trägt sie selbst wieder davon. Pflanzen wachsen als stumme Botschaften zwischen den Steinen. Zwischen all dem gelegentlich Vögel, Fische, das Aufblitzen von Türkis, Grünstein, Blut. Stimmen, Überlieferungen und Geister der Ahnen. Und drei Menschen: ein Mann, eine Frau, ein Kind. Weder verwandt noch verschwägert, aber ganz offensichtlich vom Schicksal einander zugedacht. Der Mann fand einst das Kind am Strand und verlor dafür seine Frau und sein eigenes Kind. Das gefundene Kind fand die Frau, die sich eigentlich von niemandem mehr finden lassen wollte. Der Mann und die Frau wechseln Worte, gar nicht so wenige, doch die wirklich wichtigen fehlen. Das Kind, das die beiden verbindet, bleibt stumm, drückt sich nur schreibend aus. Alle drei sind sie Versehrte, die ihre Verwundungen hinter dem Nichtsprechen oder dem Anderessprechen verbergen, die sie aber wohl auch gar nicht in Worte fassen können, weil sie zu groß, zu tief, zu ungeheuerlich sind. Weshalb sich das nicht Ausgesprochene bisweilen mit Gewalt Ausdruck verschafft. Die Hölle hat viele Gesichter.
Eine Weile scheint es, als könnte etwas aus den Dreien werden, etwas Ähnliches wie eine neue Familie vielleicht. Doch noch schlummert bei ihnen allen das meiste verborgen, unausgesprochen unter der Oberfläche. Es muss erst etwas geschehen, eine Katastrophe muss zwei weitere nach sich ziehen; sie müssen sich alle drei noch einmal verletzen, dem Tod noch ein Stückchen näher kommen, damit sie – vielleicht – doch noch geheilt werden können.
Der Roman Unter dem Tagmond von Keri Hulme ist ein ganz außergewöhnliches Stück Literatur, das sich nicht um die üblichen Konventionen kümmert, was es der Autorin anfangs auch schwer gemacht hat, einen Verlag zu finden. Doch gerade der Umstand, dass es ohne derartige Beschränkungen direkt aufs Papier gebracht wurde, macht dieses Buch so packend; es wird dadurch ursprünglich, echt, unverfälscht. Joe und Kerewin, die erwachsenen Hauptpersonen, die beide versuchen müssen, sich zwischen der Kultur der Maori und der Weißen und gleichzeitig in der Gesellschaft, ihren Familien und miteinander zurechtzufinden, und der Junge Simon, der in mehrerlei Hinsicht ein völliger Außenseiter ist – der Leser ist direkt und unmittelbar bei ihnen, man kann sich ihrem Leben und ihrer Gefühlswelt nur schwer entziehen. Dabei sind sie keinesfalls als reine Sympathieträger konzipiert, aber vielleicht macht sie das umso lebensnäher. Die Geschichte enthält zudem viele Elemente der Maori-Kultur, was ihr zusätzlich eine ganz eigene Farbe verleiht.
Das im Original 1984 erschienene Buch wurde mit dem Booker Prize ausgezeichnet und erfährt seitdem eine Neuauflage nach der anderen.

Keri Hulme, Unter dem Tagmond, Fischer Taschenbuch 10173, ISBN 978-3-596-10173-5

Mucki
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Beitragvon Mucki » 01.08.2012, 12:13

Diese Rezension hat mich wirklich neugierig gemacht, Rala.
Hab mir das Buch gleich bestellt.

Danke für den Tipp!

Liebe Grüße
Gabi


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