Die Frau des Nobelpreisträgers und der Bergdoktor

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Klara
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Beitragvon Klara » 07.01.2019, 15:24

Die Frau des Nobelpreisträgers und der Bergdoktor

Die Kritik ist von der schwedisch-US-amerikanischen Koproduktion „The Wife“ begeistert: Von „Abrechnung mit dem männlichen Geniekult“ ist die Rede; es handle sich um ein „Emanzipationsdrama“, für das die Hauptdarstellerin Glenn Close endlich ihren Oscar verdient hätte, um eine „Tragikomödie, die das überkommene Rollenbild der sanktionierten Partnerin im Schatten eines großen Mannes ironisch auseinandernimmt“.

Mit entsprechend großen Erwartungen gehe ich ins Kino – und habe mich, pardon, nicht nur gelangweilt, weil der Film langatmig erzählt und keinen Spannungsbogen aufbaut, sondern auch geärgert, weil er die sakrosankte dienende Rolle der Frau nicht wirklich in Frage stellt – und alles vermeintlich dramatische Geschehen in aufdringliche Orchestertöne tunkt, damit auch der letzte Depp begreift, dass da jetzt gerade richtig heftig was abgeht im Kopf der nach außen ruhigen Gattin.
Auf heftige Emotionen der Mutter und Ehefrau Joan („Ich verlasse dich“, „Ich habe es satt, dir die Krümel vom Bart zu picken“ etc.) und Sohn David folgt unweigerlich und prompt die versöhnliche Umarmung, die verzeihende Geste. Die Frau des Nobelpreisträgers bleibt ihrem untreuen und verlogenen Gatten über den Tod hinaus treu ergeben, wahrt das Geheimnis, dass eigentlich sie all seine Bücher geschrieben hat, sein „Lebenswerk“, da allein sie es ist, die echtes schriftstellerisches Talent hat.

Den Teufelspakt waren die beiden schon zu Beginn ihrer Beziehung eingegangen, als klar wurde, dass Joseph (Jonathan Pryce) nicht das Zeug zum erfolgreichen Schriftsteller hat – zu hölzern sind seine Figuren geschnitzt, zu leblos seine Dialoge. Er habe „so viele Ideen“, bescheinigt ihm die junge Joan (Annie Starke), ob er einverstanden sei, wenn sie seinen ersten Roman ein wenig bearbeite, bevor sie ihn dem Verleger, für den sie als Assistentin tätig ist, vorlegt? Da ringt der arme Joseph mit sich, und Joan, die im Büro den Herren Verlegern Kaffee ausschenkt, ahnt den Preis, den sie mit der Unterwerfung ihrer Fähigkeit unter die patriarchalen Vorgaben des Literaturbetriebes zu zahlen hat: Selbsterleugnung. Doch eine schreibende Frau würde in den 50er Jahren kaum verlegt, nicht gelesen und schon gar nicht anerkannt. Also wählt sie den zweitbesten Weg: Schreiben unter dem Pseudonym ihres Gatten. Der dafür später den Nobelpreis erhält. Und sich tränenreich vor aller Welt Augen bei seiner Frau bedankt, ohne die er nichts wäre und nichts geschaffen hätte – ohne dass auch nur ein Zuhörer ahnt, wie wahr dieses Klischee in diesem Fall ist.

Joan verliert nur für Momente die Kontrolle über die Legende, an der sie selbst jahrzehntelang mitgestrickt hat, will nur für Sekunden ausbrechen aus dem Käfig der nach außen aufopferungsvollen Gattin, während tatsächlich ihr Mann die Kinder versorgt, damit sie hinter verschlossenen Türen ihrer geheimen Vollzeit-Schreibtätigkeit nachgehen kann. Warum tut sie sich das an? Über so lange Zeit? Wem will sie entsprechen? Dem Bild einer aufopferungsvollen Mutter, die im Stockholmer Hotelzimmer unter Tränen zur Großmutter wird, weit entfernt vom neugeborenen Enkelkind, bereuend, nicht da zu sein – da, wo es das Leben wirklich von Bedeutung ist, anders als im Nobelpreiszirkus? Die mit fast jeder Sequenz gesendete Botschaft geht mir auf die Nerven: Eine Frau ist nunmal Frau, sie stellt die Gefühle über alles, die Beziehungsarbeit. Ihr Ehefrau- und Mutterdasein ist auch ihr wichtiger als der Erfolg, als die verdiente Anerkennung der eigenen Leistung. So ist die Frau. Punkt. Nicht mal ansatzweise kratzt der Film an diesem Klischee, gerät an keiner Stelle unter die Oberfläche. Nach dem dritten „Ausbruch“, dem sofort Tränen der Rührung und wortreiche Bindungsbestätigung folgen, weiß man: Es wird nichts passieren. Es wird alles beim Alten bleiben. Die Frau dient dem Mann, stellt seine Interessen vor ihre. Bis zum Ende, wenn der Deus ex machina auf billigste Theaterdonnerweise alles zum Tragischen, aber doch zum „Guten“ wendet, und „gut“ heißt in diesem Fall: Joan muss ihr Verhalten nicht ändern. Der Schluss sei hier nicht verraten, falls sich doch noch jemand diesen Film antun will, obwohl es mir lieber gewesen wäre, wenn die Kritiken, die ich vorab las, gespoilert hätten: Dann hätte ich rechtzeitig erfahren, dass in dem Film nichts passiert, auch kaum etwas berührt, und neun Euro und 101 Minuten gespart.

Der Film mag eine Hommage an Glenn Close ein, okay, und mit kleinlicher Schadenfreude darf man beobachten, wie die Herren Nobel-Berühmtheiten auch nur kleinliche menschliche Wesen sind, die einer lächerlichen Choreografie zu folgen haben. Aber das reicht nicht für einen guten Kinoabend. Das Einzige, was ich lobend hervorheben kann, ist der wunderbar schmollende Darsteller Max Irons als Sohn David, der als „Der Sohn des Nobelpreisträgers“ eine eigene Geschichte verdient hätte. Er als einziger hat das Zeug dazu, die Selbstbeweihräucherungsmaschine der Stockholmer Nobelpreis-Macher in Frage zu stellen, indem er die geforderte gute Laune und den erwarteten Witz in den small-talk-Nichtigkeiten verweigert. Er bleibt bei sich, verkrümmt in sich selbst, in sein Los als nicht ganz so talentierter, aber ehrgeiziger schreibender Sohn einer erdrückenden Berühmtheit. Dass davon nichts wahr ist, soll er unter dem Siegel der Verschwiegenheit von seiner Mutter erfahren: Es bleibt alles in der Familie. Nach außen ist die heile patriarchale Welt nicht gefährdet. Wo da die „Ironie“ oder die „Abrechnung“ mit dem männlichen Geniekult sein soll, ist mir ein Rätsel.

Um Klischees zu sehen, halte ich mich künftig besser an den „Bergdoktor“: Der kostet nur GEZ und spielt dasselbe Spiel, aber ohne pseudofeministische, nur scheinbar intellektuelle Überfrachtung, z.B. in der letzten Folge, die ich sah, als – Obacht! – tatsächlich zwei Paare in Gefahr gerieten, einen Partnertausch zu machen! Das ist für 20:15 Uhr im ZDF ein gewagtes Arrangement! Doch die Zuschauerinnen konnten sich rasch beruhigen: Erstens waren die Paare (noch) nicht verheiratet, so dass ein regulärer Ehebruch nicht stattfand, und zweitens kamen am Ende wieder die zusammen, die auch am Anfang zusammen waren. Hach! Meine völlig unkultivierte Schwäche für den Darsteller den unglaublich gütigen, engelhaften Dr. Martin Gruber (Hans Sigl) sei hier eingestanden, der in jeder Folge zwar nicht die Welt, aber doch den einen oder anderen Menschen rettet, sei es durch eine Operation, sei es durch ein Gespräch, sei es einfach durch gute Gedanken. Diese Serie macht keinen Hehl um ihr Zehren vom Klischee und bedient sich erfrischend freimütig jenes deus ex macchina: Zum Beispiel taucht dann doch noch, oh Wunder!, das Medikament, das dem untreuen Mann das Leben rettet auf und, oh noch größeres Wunder!, gibt dem von ihm Gehörten die Chance, seine Vergebung auszustellen. Da produziert jener geheime Ort in meiner Seele, der vom Klischee beherrscht wird, unweigerlich die programmierten Tränen, und danach kann ich besser schlafen als nach einer halbherzigen Geschichte, die sich als Kunst ausgibt. Diese zaghafte, unwahrscheinlich gütige Mutter Joan hätte sich mal von Dr. Gruber beraten lassen sollen. Dann wäre vielleicht ein hübsches Stück Kinotrash entstanden.

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 09.01.2019, 22:45

Diese Rezension bestätigt meinen ersten Eindruck von den Ausschnitten, die ich gesehen und gehört habe. Und da bin ich noch nicht einmal an der Geschichte. Es reichen mir diese üblichen Schauspiel-Gesichts-Regungs-Einheiten aus dem Standard-Baukasten; diese US-kommerzielle, stets wiederholte weil tausendfach erfolgreich gewesene Darstellung von Mimik und Gestik in Standardsituationen; diese Sterilität, Vorhersehbarkeit, dieser aalglatte Lack, das ist alles dermaßen 08/15-Hollywoodgesetzbuch -- ich könnte den Film nicht länger als eine Minute ertragen. Schon die Ausschnitte haben mich gequält. Aber ich bin in der Hinsicht auch sehr empfindlich, und auch nicht im Zielpublikum -- vom filmischen Geschmack her.


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