Groß gegen Klein
Verfasst: 19.03.2017, 14:29
Groß gegen Klein
Im Fernsehen („öffentlich–rechtlich“) gibt es eine Show, in der Kinder Erwachsene herausfordern. Meine Kinder und ich haben diese Sendung auch gestern wieder gesehen, hin– und hergerissen zwischen Bewunderung und Unbehagen.
Die Kinder werden begleitet von ihren Familien – stets sind es Vater–Mutter–Kind–Kind–(Kind)–Familien, keine Alleinerziehenden, keine Einzelkinder, das gute deutsche hart arbeitende Bürgertum. Stets haben die Eltern (zumindest der Vater) eine anständige Arbeit, die Kinder saubere Kleidung und gute Manieren.
Der Moderator ist geschickt bemüht, den Kindern den Weg zu ebnen, gibt Zuspruch und Anfeuerung. Seine Zuwendung ist nur erhältlich im Tausch gegen die Leistung der Kinder – sie sollen möglichst reibungslos ihre möglichst ausgefallene Showeinlage bringen, damit die möglichst authentischen Kindergesten uns Zuschauer rühren.
Zwischen den Einlagen ertönt aus dem Off eine männliche Werbestimme mit Superlativen, der die noch ausstehenden Kunststückchen anpreist, damit wir nicht etwa umschalten. Zusätzlicher Anreiz sind mehr oder weniger prominente Gäste, die auch selbst gegen die Kinder antreten und auf einen der beiden „Duellanten“ setzen. Der Promi, der die meisten Punkte erzielt, erhält 30.000 Euro für einen karitativen Zweck seiner Wahl. Soweit, so "gut".
Bei den Kunststückchen geht es ausschließlich um Leistung, die ausschließlich in Schnelligkeit gemessen wird. Darum, wer besser = schneller ist. Der Druck, vor Kamera und Publikum zu zeigen, was man kann, ist groß – und alle Kinder funktionieren erschreckend gut: Keines weint, keines kneift, keines flippt aus – sie „liefern“ das Verlangte, sind höflich, selbstbewusst, Gewinnertypen. Nehmen die zuvor geübten Positionen und Gesichtsausdrücke ein, tun, was ihnen gesagt wird.
Vermutlich drücken auch die anderen Zuschauer – wie wir zuhause vorm Fernseher – dem Kind die Daumen und nicht den Großen gewinnen sehen wollen. Selten verliert ein Kind seine Wette gegen einen Erwachsenen, oft wirkt es wie ein abgekartetes Spiel, als sei der Erwachsene präpariert, das Kind gewinnen zu lassen. Wenn es doch einmal verliert, verhält es sich stets vorbildlich und fair. „Negative“ Gefühle sind nicht vorgesehen.
Meine Kinder und ich, die wir weniger sensationell durchs Leben gehen und auch mal das Mensch-Ärgere-Dich-Brett durchs Zimmer werfen vor Wut, lernen beim Zuschauen: Leistung muss man bringen. Können muss man möglichst vielen Leuten auf möglichst professionelle Weise zeigen. Und Lächeln dabei, bis der Kiefer schmerzt. sein, Dann wird man geliebt, oder jedenfalls beklatscht. Nichts ist umsonst.
Eine ganz eigene Arena ist das, ein Zirkus, der die Niedlichkeit und das zum Wettbewerb („Duell“) umfunktionierte Hobby der Kinder zur Schau stellt.
Jedes Kind erhält eine Belohnung dafür, dass es sein – stets „spektakuläres“, „sensationelles“ – Können unter Beweis gestellt und sich in aller Öffentlichkeit zum Affen macht.
Diese Belohnung nennt der Moderator „Geschenk“. Das hätten sie sich „verdient“. Er betont das, obwohl das Wesen eines Geschenks gerade darin liegt, dass es geschenkt – und eben nicht verdient wird.
In der Show erscheint es zentral – nicht für die Kinder, sondern für den Moderator bzw. die Regie. Jedes Mal steuert er möglichst schnell auf dessen Übergabe zu.
Während ein Mädchen noch ihren Triumph auskosten möchte, zu den Eltern rennen zur Umarmung, oder ein Junge um Fassung ringt, weil er nicht gewonnen hat, drängt der Moderator voran, zum „Geschenk“, als sei dies der eigentliche Zweck der Show. Jedes Mal ist es etwas Teures, das das Kind sich zuvor gewünscht hat.
Nun muss es noch Überraschung heucheln und durch möglichst überschwängliche Freude glänzen – „du kannst dich jetzt freuen!“ – dann ist es überstanden.
Ist es das?
Im Fernsehen („öffentlich–rechtlich“) gibt es eine Show, in der Kinder Erwachsene herausfordern. Meine Kinder und ich haben diese Sendung auch gestern wieder gesehen, hin– und hergerissen zwischen Bewunderung und Unbehagen.
Die Kinder werden begleitet von ihren Familien – stets sind es Vater–Mutter–Kind–Kind–(Kind)–Familien, keine Alleinerziehenden, keine Einzelkinder, das gute deutsche hart arbeitende Bürgertum. Stets haben die Eltern (zumindest der Vater) eine anständige Arbeit, die Kinder saubere Kleidung und gute Manieren.
Der Moderator ist geschickt bemüht, den Kindern den Weg zu ebnen, gibt Zuspruch und Anfeuerung. Seine Zuwendung ist nur erhältlich im Tausch gegen die Leistung der Kinder – sie sollen möglichst reibungslos ihre möglichst ausgefallene Showeinlage bringen, damit die möglichst authentischen Kindergesten uns Zuschauer rühren.
Zwischen den Einlagen ertönt aus dem Off eine männliche Werbestimme mit Superlativen, der die noch ausstehenden Kunststückchen anpreist, damit wir nicht etwa umschalten. Zusätzlicher Anreiz sind mehr oder weniger prominente Gäste, die auch selbst gegen die Kinder antreten und auf einen der beiden „Duellanten“ setzen. Der Promi, der die meisten Punkte erzielt, erhält 30.000 Euro für einen karitativen Zweck seiner Wahl. Soweit, so "gut".
Bei den Kunststückchen geht es ausschließlich um Leistung, die ausschließlich in Schnelligkeit gemessen wird. Darum, wer besser = schneller ist. Der Druck, vor Kamera und Publikum zu zeigen, was man kann, ist groß – und alle Kinder funktionieren erschreckend gut: Keines weint, keines kneift, keines flippt aus – sie „liefern“ das Verlangte, sind höflich, selbstbewusst, Gewinnertypen. Nehmen die zuvor geübten Positionen und Gesichtsausdrücke ein, tun, was ihnen gesagt wird.
Vermutlich drücken auch die anderen Zuschauer – wie wir zuhause vorm Fernseher – dem Kind die Daumen und nicht den Großen gewinnen sehen wollen. Selten verliert ein Kind seine Wette gegen einen Erwachsenen, oft wirkt es wie ein abgekartetes Spiel, als sei der Erwachsene präpariert, das Kind gewinnen zu lassen. Wenn es doch einmal verliert, verhält es sich stets vorbildlich und fair. „Negative“ Gefühle sind nicht vorgesehen.
Meine Kinder und ich, die wir weniger sensationell durchs Leben gehen und auch mal das Mensch-Ärgere-Dich-Brett durchs Zimmer werfen vor Wut, lernen beim Zuschauen: Leistung muss man bringen. Können muss man möglichst vielen Leuten auf möglichst professionelle Weise zeigen. Und Lächeln dabei, bis der Kiefer schmerzt. sein, Dann wird man geliebt, oder jedenfalls beklatscht. Nichts ist umsonst.
Eine ganz eigene Arena ist das, ein Zirkus, der die Niedlichkeit und das zum Wettbewerb („Duell“) umfunktionierte Hobby der Kinder zur Schau stellt.
Jedes Kind erhält eine Belohnung dafür, dass es sein – stets „spektakuläres“, „sensationelles“ – Können unter Beweis gestellt und sich in aller Öffentlichkeit zum Affen macht.
Diese Belohnung nennt der Moderator „Geschenk“. Das hätten sie sich „verdient“. Er betont das, obwohl das Wesen eines Geschenks gerade darin liegt, dass es geschenkt – und eben nicht verdient wird.
In der Show erscheint es zentral – nicht für die Kinder, sondern für den Moderator bzw. die Regie. Jedes Mal steuert er möglichst schnell auf dessen Übergabe zu.
Während ein Mädchen noch ihren Triumph auskosten möchte, zu den Eltern rennen zur Umarmung, oder ein Junge um Fassung ringt, weil er nicht gewonnen hat, drängt der Moderator voran, zum „Geschenk“, als sei dies der eigentliche Zweck der Show. Jedes Mal ist es etwas Teures, das das Kind sich zuvor gewünscht hat.
Nun muss es noch Überraschung heucheln und durch möglichst überschwängliche Freude glänzen – „du kannst dich jetzt freuen!“ – dann ist es überstanden.
Ist es das?