sch(n)eiden

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Mucki
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Beitragvon Mucki » 06.06.2008, 13:00

.
Endfassung

Er knallt die Schlüssel auf den Boden
und die Tür hinter sich zu.

Sie schneidet eine Zwiebel.


Alternativ-Fassung

Er knallt die Schlüssel auf den Boden
und die Tür hinter sich zu.

Sie schneidet ihre Zwiebel.


2. Fassung

Er knallt die Schlüssel auf den Boden
und die Tür hinter sich zu.

Sie schneidet eine Zwiebel.


1. Fassung

Er knallt die Schlüssel
auf den Boden
und die Tür
hinter sich zu.

Ich schneide eine Zwiebel.

(c) G.M.C.
06.2008
Zuletzt geändert von Mucki am 10.06.2008, 17:50, insgesamt 3-mal geändert.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 07.06.2008, 00:28

Hi Ferdi,
Man könnte noch ein paar andere Wortstellungen porbieren, aber was da an Worten steht, sollte wohl auch bleiben...

wenn du Vorschläge hast, nur her damit! Ich habe versucht weiter zu kürzen, doch mehr ging m.E. nicht. Aber wenn du eine Idee hast, gerne!

Du meinst, ein Titel wäre nicht nötig? Ja, stimmt eigentlich. Ist kein Muss. Ich finds halt nur immer doof, Texte, die keine Haiku oder Aphorismen sind, ohne Titel einzustellen.

Hi Stefan,

so kann man es natürlich auch sehen *lach* Ich hatte aber im Untertitel reingeschrieben, dass ich noch einen Titel suche. Wenn du über das Forum in die Rubrik gehst, siehst du die Untertitel.
Saludos
Mucki

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Sethe
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Beitragvon Sethe » 07.06.2008, 00:53

Hallo Mucki,

mir gefällt Dein "Textlein". Nur weil er kurz ist, ist es kein Textlein, es ist ein "erwachsener" Text.

Ich bin auf das Wort Gleichgültigkeit nicht gekommen, wollte das aber mit meiner zweiten Lesart ausdrücken. Nur den Schlenker dahin, daß sie sich selbst zu weinen bringen möchten, habe ich nicht hinbekommen. Wenn sie dies ja möchte, kann sie ja so gleichgültig nicht sein.

Außerdem wäre mir mit dem Wort "häuten" der Bezug zu G. Grass zu sehr involvier


Ist mir auch in den Sinn gekommen. Dein schneiden ist besser als sein häuten. (Wer will schon in Bezug zu Grass gesetzt werden... *ähm* gut ich mag Grass nicht, ich gebs ja zu)

Gute Nacht.
Was ich tu, das tu ich, was ich tat, das wollte ich tun.
(aus: "Ich schließe mich selbst ein" von Joyce Carol Oates)

Mucki
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Beitragvon Mucki » 07.06.2008, 01:05

Hi Sethe,

ich freu mich, dass dir der Text! *g* gefällt :)
Nur den Schlenker dahin, daß sie sich selbst zu weinen bringen möchten, habe ich nicht hinbekommen. Wenn sie dies ja möchte, kann sie ja so gleichgültig nicht sein.

Sie denkt, dass sie es der Beziehung sozusagen schuldig ist, ihr Tränen nachzuweinen, fühlt so eine Art "Pflicht", dies zu tun und zwingt sich deshalb durch die Zwiebel dazu. Sie würde sich also - im Umkehrschluss - schämen, schuldig fühlen, wenn sie nicht weinen würde, wobei sie sich natürlich etwas vormacht, weil die Tränen ja nicht echt sind. Doch durch die "Zwiebeltränen" fühlt sie eine Erleichterung, befreit sich auf diese Weise von diesem "Schuldgefühl", benutzt die Zwiebel als Alibi.
Saludos
Mucki

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 07.06.2008, 12:02

Liebe Mucki,

ich habe überlegt, ob der Text nicht etwas mehr Textcharakter (als Beschreibung) bekommt, wenn du das "ich" am Ende in ein "sie" änderst? Moshes Idee "meine Zwiebel" finde ich eigentlich klasse, weil das Bild der Zwiebel dadurch metaphorischer wird: für mich würde das die Selbstkreation des Ichs betonen, die du ja auch intendiert hast: er haut ab, sie ist emotionslos und spielt ihr spiel (schneidet ihre Zwiebel)

Den Umbruch nach Boden verstehe ich gar nicht, das liest sich komisch: er knallt die schlüssel - als ob er sie abschießt oder so .-). Ich sehe hier keinen Grund dafür, einen Umbruch zu setzen, außer den Text damit lyrischer zu gestalten.

Eine Titelidee ist mir bisher noch nicht eingefallen...

liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 07.06.2008, 12:36

Liebe Lisa,

das "ich" in "sie" umzuändern, finde ich gut. Bei "meine", also dann "ihre" Zwiebel frage ich mich, ob das nicht doppeldeutig wird, verstehst du? *g*

Also, du meinst so:

Er knallt die Schlüssel auf den Boden
und die Tür hinter sich zu.

Sie schneidet ihre Zwiebel.


Auch wenn man "ihre Zwiebel" nicht doppeldeutig liest, überlege ich, ob man sich dann nicht fragt, warum "ihre Zwiebel", ob das eine besondere Zwiebel ist, ob sie metaphorisch gemeint ist. Der Vorgang ist als Metapher gedacht, die Zwiebel hingegen jedoch nicht, es soll ja wirklich eine Zwiebel sein, hm? Was meinen die anderen?
Saludos
Mucki

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 07.06.2008, 12:58

Liebe Mucki,

ja, beide Änderungen wären wohl schlecht zu kombinieren - in der "sie"-version würde ich bei "eine Zwiebel "bleiben. Die weitere Setzung finde ich vorteilhaft!

liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
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Mucki
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Beitragvon Mucki » 07.06.2008, 13:06

ok, ich stelle eine zweite Version oben ein, danke dir, Lisa!
Saludos
Mucki

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ferdi
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Beitragvon ferdi » 07.06.2008, 16:12

Hallo Mucki!

Tja, wie ihr meint... Ich fand die erste Fassung, in der alle Substantive am Zeilenende zu finden waren, offengestanden besser ;-) Ich mache mal einen "Ferdi-Text" draus:


Er

knallt die Schlüssel
auf den Boden,
zu die Tür
hinter sich.


Ich

schneide eine Zwiebel.




Die abgesetzten Pronomen stellen den Gegensatz schön heraus, finde ich. Das "und" würde ich rausschmeißen, weil es einen zu konturlosen und friedlichen Übergang zwischen den beiden Handlungen "ers" schafft. Das "zu" kommt in die dritte Zeile aus zwei Gründen: Einmal um die Emotion des Handelnden auch in einer gewissen Satzspannung präsent zu haben, zum anderen, umd das "hinter sich" isoliert & ausdrucksstärker in der letzten Zeile zu haben. Außerdem haben beide Handlungen so ihr eigenes Metrum, und das der letzten beiden Zeilen "X x X" hat ja auch was schön abschließendes ;-)

Aber nichts von dem muss dich interessieren - ich finde, die erste Version war schon wirklich "dein" Text.

Ferdigruß!
Schäumend enthüpfte die Woge den schöngeglätteten Tannen. (Homer/Voß)

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 07.06.2008, 17:27

Liebe Mucki!

Die neue Setzung und die Wendung zu 'Sie' finden ich sehr gelungen.

'Ihre' oder 'eine' Zwiebel ? : Eigentlich lese ich jetzt alle Doppeldeutigkeiten sowieso, jedoch könnte das 'ihre' betonen, daß die Zwiebel nun ganz die Ihre ist, da sie nicht mehr zur Zubereitung einer gemeinsamen Mahlzeit verwendet werden wird. :-)

Nun fehlt ein Titel. Da niemand was sagt, traue ich mich mal vor: Schreibe doch einfach Ende drüber.

Mit bestem Gruß

Moshe

Mucki
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Beitragvon Mucki » 07.06.2008, 17:38

Hallo Ferdi,

deine Version hat in der Tat eine ganz andere Wirkung. Sie wirkt auf mich wesentlich emotionaler und baut, wie du es auch schreibst, eine Spannung zwischen beiden auf.
Ich habe dabei jedoch folgendes Problem: der Text soll die Emotion, die sie empfindet (Gleichgültigkeit ist auch eine Emotion) ausdrücken, jedoch nur unterschwellig.
Hier:

zu die Tür
hinter sich.


klingt die Inversion in meinen Ohren nicht so gut. Und durch das deutlich abgetrennte "Er" und "Sie" lese ich es so, als ob beide Handlungen parallel stattfinden. Doch sie schneidet die Zwiebel erst, als er gegangen ist. Ich kann deinem Gedankengang gut folgen, aber so würde ich es nicht schreiben, wäre nicht mehr "Mucki" ,-)
Danke dir für die Auseinandersetzung mit dem Text!
Saludos
Mucki

Mucki
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Beitragvon Mucki » 07.06.2008, 17:43

Hi Moshe,
Die neue Setzung und die Wendung zu 'Sie' finden ich sehr gelungen.

fein. Ich finde die Idee von Lisa mit der dritten Person auch gut.
Eigentlich lese ich jetzt alle Doppeldeutigkeiten sowieso, jedoch könnte das 'ihre' betonen, daß die Zwiebel nun ganz die Ihre ist, da sie nicht mehr zur Zubereitung einer gemeinsamen Mahlzeit verwendet werden wird.

Stimmt, da ist etwas dran! Geht vielleicht doch mit "sie" und "ihre".

Als Titel schlägst du "Ende" vor. Hatte ich auch schon im Sinn, kam mir aber zu langweilig vor. Ich dachte an etwas, dass indirekt mit der Zwiebel und den künstlichen Tränen zu tun hat, ohne jedoch zu viel im Titel zu verraten, hm.

Ich stelle auf jeden Fall mal oben als Alternativ-Version "ihre Zwiebel" mit ein.
Noch ist das letzte Wort nicht gesprochen,-)
Danke dir!
Saludos
Mucki

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Sethe
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Beitragvon Sethe » 07.06.2008, 17:48

Hmm.
Die erste Fassung gefällt mir auch besser. Ich denke, dies liegt daran, daß die 1.Fassung emotionaler ist als die 2. Fassung. Dies liegt an der Setzung, wie es scheint. Man liest die 1. Fassung durch die Setzung mit mehr Emotionen als die 2. Fassung. Auch durch das in 1. Fassung noch "Ich schneide..." wird mehr Emotion erzeugt, als durch das "Sie" in der 2. Fassung. Das "Sie" schafft mehr Distanz, zumindest bei mir.

Aber Mucki möchte ja die Emotion auf bestimmte Art und Weise ausdrücken, und dafür scheint dann doch die 2. Fassung die bessere Fassung zu sein.

viele Grüße
Sethe

Edit:

Also das "ihre Zwiebel" finde ich nicht besonders gelungen. Das wird jetzt wieder zu persönlich. Das "eine Zwiebel" drückt auch durch das unpersönlichere mehr die Gleichgültigkeit aus, als "Ihre" Zwiebel, finde ich.
Zuletzt geändert von Sethe am 07.06.2008, 17:52, insgesamt 1-mal geändert.
Was ich tu, das tu ich, was ich tat, das wollte ich tun.

(aus: "Ich schließe mich selbst ein" von Joyce Carol Oates)

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ferdi
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Beitragvon ferdi » 07.06.2008, 17:52

Hallo Mucki!

Mucki hat geschrieben: Und durch das deutlich abgetrennte "Er" und "Sie" lese ich es so, als ob beide Handlungen parallel stattfinden. Doch sie schneidet die Zwiebel erst, als er gegangen ist.

Huch! Lesen die anderen das auch so?! Durch die beiden Verben im Präsens ist für mich automatisch die Gleichzeitigkeit da!

aber so würde ich es nicht schreiben, wäre nicht mehr "Mucki" ,-)

Sag ich doch ;-)

Moshes "Ende" wäre mir übrigens zu (vor-)erklärend.

Ferdigruß!
Schäumend enthüpfte die Woge den schöngeglätteten Tannen. (Homer/Voß)

Mucki
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Beitragvon Mucki » 07.06.2008, 18:07

Hi Sethe,
Also das "ihre Zwiebel" finde ich nicht besonders gelungen. Das wird jetzt wieder zu persönlich. Das "eine Zwiebel" drückt auch durch das unpersönlichere mehr die Gleichgültigkeit aus, als "Ihre" Zwiebel, finde ich.

im Moment ist die 2. Fassung auch mein Favorit. Die Setzung aus der ersten Fassung war nicht so gelungen.
Aber, wie gesagt, noch steht da nicht Endfassung.
Danke dir!

Hi Ferdi,
Huch! Lesen die anderen das auch so?! Durch die beiden Verben im Präsens ist für mich automatisch die Gleichzeitigkeit da!

ja, das stimmt schon. Da ich aber nur einen Absatz drin habe, kann man trotz des bleibenden Präsens eine Zeitfolge lesen, meine ich. Durch die deutliche Trennung der Pronomen und die drei Absätze in deiner Version, wird die Gleichzeitigkeit m.E. sehr viel stärker ausgedrückt. Und die möchte ich vermeiden, ohne jedoch das Präsens zu verlassen.

Und wegen "ihre Zwiebel": es ist eine Alternative. Ich hab sie oben mal eingestellt, damit man besser vergleichen kann.
Danke dir!
Saludos
Mucki


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