Einsamkeit

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Xanthippe
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Beitragvon Xanthippe » 30.06.2008, 10:14

3. Fassung

Einsamkeit

einen Samen in die Zeit legen
niemals Socken tragen
täglich Bäume knipsen

Urheberschaft beanspruchen
nur ganz eigene Gedanken schöpfen
Zwerg auf den Schultern von Riesen

wer will schon Zwerg sein?
und wer sich die Mühe machen
ureigenes zu schöpfen?

Erschöpfung
Eigentumsdelikt
Plagiatsvorwurf
Nachdenklichkeit

und die Berufsverben eines Richters

urteilen
anordnen
anhören
festsetzen

Einsicht in die Akte

der Relativität der Zeit
der Relativität der Relation
zur Wirklichkeit
zum Beispiel



2. Fassung

Einsamkeit

einen Samen in die Zeit legen
niemals Socken tragen
täglich Bäume knipsen

Urheberschaft beanspruchen
nur ganz eigene Gedanken schöpfen
Zwerg auf den Schultern von Riesen

wer will schon Zwerg sein?
und wer sich die Mühe machen
ureigenes zu schöpfen?

Kreativität heißt Lösungen zu finden
oder Möglichkeiten ohne Lösungen zu leben

Die Relativität der Zeit
die Relativität der Relation
zur Wirklichkeit
zum Beispiel




Einsamkeit

einen Samen in die Zeit legen
niemals Socken tragen
täglich Bäume knipsen

Urheberschaft beanspruchen
nur ganz eigene Gedanken schöpfen
Zwerg auf den Schultern von Riesen

wer will schon Zwerg sein?
und wer sich die Mühe machen
wirklich selbst ureigenes zu schöpfen?

Erschöpfung
Eigentumsdelikt
Plagiatsvorwurf
Nachdenklichkeit

und die Berufsverben eines Richters

urteilen
anordnen
anhören
festsetzen

Kreativität ist Lösungen zu finden
oder Möglichkeiten ohne Lösungen zu leben

Die Relativität der Zeit
die Relativität der Relation
zur Wirklichkeit
zum Beispiel
Zuletzt geändert von Xanthippe am 09.07.2008, 08:50, insgesamt 2-mal geändert.

Last

Beitragvon Last » 01.07.2008, 15:25

Hallo Xanthippe,

auch wenn du noch verdauen musst möchte ich mich hier noch zu Wort melden.

Zuerst: Mir hat dein Gedicht außerordentlich gut gefallen. Ich werde etwas abstrakter herangehen und Bezüge zum einsamen Poeten nicht mehr eingehen.

Warum? Ich finde du hast ein sehr gutes Zusammenspiel zwischen Sprache und Inhalt gefunden. Einsamkeit ist ein komplexes Gefühl, es lässt sich nicht leicht erklären. Viel mehr steckt eine Art Gedankengebilde dahinter, du findest ein Schlupfloch in diese Gebilde hinein.

"Einen Samen in die Zeit legen" - Im ersten Vers öffnest du die Türe zum ganzen Gedicht. Ein-Sam-Keit bedeutet nun sich auf diesen Samen zu konzentrieren, es wächst höchstens ein Baum, aber kaum ein Wald (obwohl die Hoffnung dahin fährt). Die zweite Zeile drückt den Trotz aus, der mit der Einsamkeit verbunden ist sowohl als Ursache (ich setze nur einen Samen) als auch als Wirkung (Mehr habe ich nicht). Die dritte finde ich schließlich wichtig um den Text (Max nannte ihn collagenhaft) in eine Ordnung zu bringen. Der Baum (und andere) wird nun in seiner Entwicklung gezeigt in der Form, das immer wieder Fotos geschossen werden, man also die Ist-Zustände der eigenen Entwicklung über die Zeit hinweg geliefert bekommt, wie in einen Fotoalbum. (Es gibt so Leute die machen jeden Tag ein Foto von sich um zu sehen, wie sie altern...)

Unter dieser Voraussetzung deute ich den Text. Ich fasse zusammen:
a) Momentaufnahmen
b) Ursache und Wirkung

Strophe zwei und drei setzen die Thematik fort, betonen aber das Emotionale. Ursache und Wirkung werden durch zwei Unsicherheiten ausgedrückt Angst vor der Unbedeutsamkeit und Scheu vor den Mühen Großes zu leisten (evtl. gepaart mit Versagensangst). Hier gefällt mir die Ellipse zwischen beiden Strophen. So stärkst du ihren Zusammenhang und veranschaulichst die Offenheit der Zeit (vgl. Schlussstrophe), das fehlende Verb [Sein] {<--- so lese ich jedenfalls} steht noch nicht fest. Evtl. ist mein kein Zwerg.

Dann die beiden Collagenstrophen. Zunächst Selbstreflektion und Konfrontation mit Schwierigkeiten. Immer noch dieses Nicht-Wisen, nicht entscheiden zu können ob dieser Stolz den man hat, dieser Samen den man gesät hat überhaupt etwas wert ist. So wird man zu seinem härtesten Richter. Aus Nachdenklichkeit und Unsicherheit wird ein Prozess. Was ist der Wert der eigenen Existenz?

Nun das nächste Foto. Eine Definition von Kreativität. Zwei Arten werden vorgestellt. Wieder beide Richtungen. Ursache-Wirkung = Zaudern-Versuchen = Angst-Mut. Da Vinci denkt sich einen Flugapparat aus, der tatsächlich funktioniert hätte und Ikarus probiert tatsächlich einen Flugapparat aus, der nicht funktioniert.

Die Schlussstrophe erkennt schließlich es ist das Problem der Zeit, dass man zu lösen hat. Man lebt immer nur in der Gegenwart, die sich lediglich durch Zukunftsorientierung und Vergangenheitsbewältigung (wieder Ursache-Wirkung) definiert. Darin liegt irgendwo das kreative Element (man selbst) nach dem man auf der Suche ist. Da man selbst also das betrachtete Objekt war, man selbst der Samen war, baut sich die gesamte Wirklichkeit um diese Suche auf. ---> Es wurde nur ein Samen gesetzt ---> Dies ist also das Gebilde "Einsamkeit", ein richtendes Gefühl zwischen Stolz, Trotz, Unsicherheit, Angst. Ein Gefühl das den Anspruch hat einziges Gefühl zu sein und alle anderen Gefühle schlucken möchte.

Änderungsvorschläge habe ich nicht, ich plediere aber dafür, nicht zu viel zu ändern.

LG
Last

Xanthippe
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Beitragvon Xanthippe » 01.07.2008, 15:54

Lieber Last,

darf ich Dich mal kurz drücken, dafür, dass Du mein Gedicht offenbar viel besser verstanden hast, als ich selbst?

elke

Xanthippe
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Beitragvon Xanthippe » 03.07.2008, 11:52

Liebe Leute,

ich habe jetzt eine neue Fassung eingestellt, die ohne euch so nicht enstanden wäre, dafür erstmal vielen Dank.
Das Collagenhafte, Max, gefällt mir einerseits und war auch beabsichtigt, trotzdem bin ich mittlerweile selbst davon überzeugt, dass die "Richterpassage" in diesem Text nichts zu suchen hat.
Erklären oder selbst deuten, kann ich meine Lyrik generell nicht. Vielleicht ist das ein Zeichen von Unprofessionalität. Gedichte sind für mich in erster Linie Stimmungsbilder, so lese ich andere Lyrik und so entsteht meine eigene. Das heißt natürlich nicht, dass handwerklich daran nicht gearbeitet werden kann und sollte, aber mir fällt es eher schwer, analytisch an Lyrik heranzugehen.
Nochmals vielen Dank an euch alle
xanthippe

Estragon

Beitragvon Estragon » 03.07.2008, 12:04

Ich hoffe Du erschiesst mich nicht, aber die erste Version ist doch bereits das Gedicht, da steht doch schon alles drin

Klara
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Beitragvon Klara » 03.07.2008, 12:17

Hallo Xanthippe,

da sind ein paar schöne Stellen drin, aber mir ist das Ganze noch arg kompliziert und verschwurbelt.

Erstmal verstehe ich den Titel nicht in diesem Zusammenhang.
Dann fängt es so schön konkret an, Bilder, die ich sehen kann.

einen Samen in die Zeit legen
niemals Socken tragen
täglich Bäume knipsen


geht dann etwas unvermittelt über ein Juristenwort (Urheberschaft) und einen Widerspruch in sich ("ganz eigene Gedanken schöpfen") zu einer Metapher, die sich mir nicht erschließt. Da wird zu wenig gesagt, finde ich. Ich fühle mich als Leserin verloren.

Urheberschaft beanspruchen
nur ganz eigene Gedanken schöpfen
Zwerg auf den Schultern von Riesen


Dann wird gefragt:
wer will schon Zwerg sein?

und ich frage mich, dass ein Zwerg auf Riesenschultern doch gar so klein gar nicht ist, bzw. dass die Riesenschultern sich aus lauter aufeinandergestapelten Zwergen zusammen setzen und deshalb keiner größer als der andere ist, im Grunde, nur kann der oberste am weitesten gucken.
und wer sich die Mühe machen
ureigenes zu schöpfen?

"Ureigenes" wird als Substantiv großgeschrieben, aber es ist ein aufgeblähtes Wort, ein versteckter Superlativ. "Eigenes" reicht doch völlig, eigener als "eigen" kann etwas nicht sein nicht. Warum "ur"?

Und jetzt bekomme ich Definitionen, die ich nun gar nicht mit dem Titel zusammenbringen kann.

Kreativität heißt Lösungen zu finden
oder Möglichkeiten ohne Lösungen zu leben

in einer unpoetischen, Lebensratgebersprache.

Ich meine zu verstehen: Es geht darum, den Mut zum künstlerische Tätigsein nicht zu verlieren, zum Ausdruck des Eigenen. Weil es so vieles gibt, was einem besser erscheint, anerkannter, älter, etc. Wenn es das, ist, was das GEdicht ausdrücken will, empfinde ich den Ausdruck als nciht gelungen. Ziel verfehlt. Wenn ich missverstanden habe, weiß ich nicht.

Die Relativität der Zeit
die Relativität der Relation
zur Wirklichkeit
zum Beispiel

Das sind hingeworfene Worte ohne Prädikat, ohne TUn, also kann ich sie auch nicht zuordnen, kann nur raten, was möglicherweise gemeint sein könnte, also eigentlich könnte alles gemeint sein. "Alles ist relativ" - bof.
Was ist Wirklichkeit?
Was wäre die Zeit ohne Raum?
Was wäre ein Gedicht ohne Klarheit?

Nicht böse sein, das sind nur meine sicherlich ganz dussligen Eindrücke.

Lieber Gruß
Klara

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ferdi
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Beitragvon ferdi » 03.07.2008, 13:30

Hallo Elke!

Die neue Version mag ich gar nicht - klingt nach "Lyrik-Norm2005-7b". Im Gegensatz zu Klara schätze ich "Verschwurbeltheit", daher: zurück zu den Anfängen!

Ferdigruß :-)
Schäumend enthüpfte die Woge den schöngeglätteten Tannen. (Homer/Voß)

Estragon

Beitragvon Estragon » 03.07.2008, 13:52

Hallo Elke!

Die neue Version mag ich gar nicht - klingt nach "Lyrik-Norm2005-7b". Im Gegensatz zu Klara schätze ich "Verschwurbeltheit", daher: zurück zu den Anfängen!

Ferdigruß :-)



Sag ich doch...

Xanthippe
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Beitragvon Xanthippe » 03.07.2008, 14:51

Ich fühl mich ganz einsam inmitten so gegensätzlicher Meinungen :a050:
Geht euch das manchmal auch so?
Na ja, ich werde noch ein paar Mal drüber schlafen, bis dahin freue ich mich einfach, dass so viel passiert

Also den Richter mitsamt seinen Berufsverben doch nicht rausschmeißen? :neutral:

Xanthippe
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Beitragvon Xanthippe » 03.07.2008, 15:42

Hallo Klara,

meine verlorene Leserin ;-)
Erstmal ganz besonderen Dank an Dich, dass Du Dich trotz Deiner "Unzufriedenheit" mit meinem "Werk" auseinander gesetzt hast, das ist viel schwieriger als zu loben, weiß ich aus eigener Erfahrung. Und Deine Assoziationen zu den Zwergen auf den schultern von Riesen finde ich wunderbar. So bildhaft, dass in meinem Kopf fast eine neue Geschichte anspringt.
Gemeint habe ich mit dem "Zwerg auf den Schultern von Riesen" (das ist übrigens ein feststehender Ausdruck, also nichts was ich mir ausgedacht habe, wobei ich vergessen habe auf wen es ursprünglich zurückgeht), jedenfalls finde ich es ein sehr treffendes Bild dafür, dass wir auf den Leistungen anderer aufbauen und dank der Überlieferung und Vorleistungen unserer Ahnen nicht immer wieder bei Null anfangen müssen, die andere Seite dieses Vorteils ist gleichzeitig die Erklärung dafür, dass mir "eigenes" hier nicht genügen würde, es muss schon ureigen sein, weil es für einen Zwerg auf den Schultern von Riesen eben ncith mehr so einfach ist, eigenes zu denken, Urheberschaft für sich allein zu beanspruchen.
Vielleicht bringen ja diese Erklärungen ein bisschen Licht in das, was ich aussagen wollte.
Dank Dir für Deine Auseinandersetzung

Last

Beitragvon Last » 03.07.2008, 16:51

Hallo Xanthippe,

schwierig, das mit den Änderungen. Besonders bei diesem Text und den Reaktionen darauf. Es gibt sowohl Leser, denen dein Gedicht sehr gut gefallen hat, als auch solche, die damit nur stellenweise etwas anfangen können. Alle wird man nie glücklich machen...

Ich gehöre du der Fraktion, die mit den Änderungen weniger glücklich sind. Der ersten Version habe ich eine Stimme in der Wahl zum Text des Monats gegeben. Bei der neueren hätte ich das vielleicht nicht getan.

Fest steht, dass der Ursprungstext durchaus eine Wirkung hatte. Selbst die Stellen an denen begründete Kritik geübt wurde. Mir gefällt das Definitionshafte, das Rationalisierende, das zwanghaft Ordnende. In dessen scheiternden Versuch lag für mich die Bedeutung des Gedichts.

Letztlich musst du selbst entscheiden, was dir besser gefällt. Ich persönlich finde, dass Estragon es gut ausgedrückt hat: "aber die erste Version ist doch bereits das Gedicht"

LG
Last

[Edit]: Das Ureigene habe ich gelesen, wie du es beschreibst. Es darf nicht nur eigen sein, nur ureigen drückt die Unmöglichkeit dieses Wunsches aus.

Klara
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Beitragvon Klara » 04.07.2008, 12:04

Hallo Xanthippe,

freue mich sehr über deinen Kommentar zu meinem Kommentar.
Du reagierst souverän und ohne überflüssiges Beleidigtsein oder gar Aggression auf teilweise polemisch von mir formulierte, subjektive Kritik, das finde ich stark - danke!
So macht es Spaß, Kommentare zu schreiben und über Gedichte zu sprechen :)

Das Bild mit den Zwergen auf Riesenschultern ist mir bekannt, aber das betrifft ja auch jeden Vorgänger, vor dem Zwerg. Weißt du, was ich meine? Der Riese wächst ja erst allmählich, durch jeden, der sich neu auf die Schultern eines Vorgängers stellt. Deshalb ist das kein Argument für eigene Schwäche oder Mangelhaftigkeit, sondern - selbstverständlich.

Das Thema deines Gedichts sind glaub ich zwei:

- Wie kann ich etwas künstlerisch ausdrücken, ohne mich von all dem Guten Gewesenen entmutigen zu lassen?

und:

- Wie kann ich es eigen ausdrücken, ganz originell und originär.

Die Antwort auf die zweite Frage wäre m. E. ein Widerspruch: Es ist unmöglich, aber der Versuch ist dann doch eigen, wenn er gelingt. Ich vermute, dass es nichts "Ureigenes" gibt. Das ist eine Klischeevorstellung. Man kann nichts alleine denken, erschaffen. Es entsteht immer durch Kommunikation, durch Abnehmen von anderen, Anregungen, Verwerfungen etc. Nimm allein die Sprache, die so vieles in sich einschließt, was war, und so vieles, was parallel existiert in der Gegenwart. Lebendige gegenwärtige Geschichte UND Zukunft. Ein Kind kann sprechen nicht allein lernen, obwohl das Sprachzentrum im Gehirn angelegt ist. Wir lesen und können nicht anders, als unser Drumherum aufnehmen, und durch unsere Eltern, Großeltern, Alten auch das Gewesene in verschiedenen Interpretationen aufzunehmen - so oder so. Bewusst und unbewusst.
Ob das unbedingt schlimm ist, weiß ich nicht. Was zählt ist ja auch, WAS gesagt/gedacht/gemalt... wird, und nicht so sehr WER. Oder? Jeder Künstler, der zurecht so genannt wird, ist ein Katalysator, oder eine Black Box, die alles Mögliche um ihn herum aufnimmt und neu ausspuckt. Dafür muss man, glaub ich, zugleich extrem durchlässig sein, empfindsam, aber auch größenwahnsinnig.

Du siehst: Die Fragestellung(en) deines Textes finde ich hochinteressant!

Viele Grüße
Klara

Last

Beitragvon Last » 04.07.2008, 13:03

Hallo Klara,

ja, das scheint hier wirklich eine sehr ansprechende Diskussion zu werden :smile:

Das Thema deines Gedichts sind glaub ich zwei:

- Wie kann ich etwas künstlerisch ausdrücken, ohne mich von all dem Guten Gewesenen entmutigen zu lassen?

und:

- Wie kann ich es eigen ausdrücken, ganz originell und originär.

Die Antwort auf die zweite Frage wäre m. E. ein Widerspruch: Es ist unmöglich, aber der Versuch ist dann doch eigen, wenn er gelingt. Ich vermute, dass es nichts "Ureigenes" gibt. Das ist eine Klischeevorstellung. Man kann nichts alleine denken, erschaffen. Es entsteht immer durch Kommunikation, durch Abnehmen von anderen, Anregungen, Verwerfungen etc. Nimm allein die Sprache, die so vieles in sich einschließt, was war, und so vieles, was parallel existiert in der Gegenwart. Lebendige gegenwärtige Geschichte UND Zukunft. Ein Kind kann sprechen nicht allein lernen, obwohl das Sprachzentrum im Gehirn angelegt ist. Wir lesen und können nicht anders, als unser Drumherum aufnehmen, und durch unsere Eltern, Großeltern, Alten auch das Gewesene in verschiedenen Interpretationen aufzunehmen - so oder so. Bewusst und unbewusst.
Ob das unbedingt schlimm ist, weiß ich nicht. Was zählt ist ja auch, WAS gesagt/gedacht/gemalt... wird, und nicht so sehr WER. Oder? Jeder Künstler, der zurecht so genannt wird, ist ein Katalysator, oder eine Black Box, die alles Mögliche um ihn herum aufnimmt und neu ausspuckt. Dafür muss man, glaub ich, zugleich extrem durchlässig sein, empfindsam, aber auch größenwahnsinnig.


Genau zwischen deinen Fragen entsteht das Gedicht. Zwischen nicht wahrhaben wollen, wie es sich mit dem Ureigenen wirklich verhält, und es doch erkennen. Das Gedicht bringt diesen Prozess zum Vorschein (einen Samen setzen ---> das Gedicht entspricht dem baum der daraus wächst).
Am Ende steht die Erkenntnis, die Relation zur Wirklichkeit ín diesem Prozess verloren zu haben (das beendet den Prozess aber nicht). Daher sehe ich in deinem Kommentar keine Abweichung vom Text. Der Text zeigt wie nicht funktioniert, was du als Unmöglichkeit beschreibst.
Ich lese es als psychologische Entsprechung zu deinen Eräuterungen, wie Sprache funktioniert. Eben als Kommuniktation mit anderen und nicht allein. Deshalb erklärt sich ja auch das Gefühl 'Einsamkeit' (---> Titel) im Misslingen dieses Versuchens. Deshalb funktioniert auch die Richterstrophe (und die davor), hier wird in sich selbst nach einem Vergleich gesucht, der nur in der Außenwelt besteht. Deshalb wird der Sprecher in der ersten Version auch immer 'abstrakter' bis hin zu Definitionen, was für ein Versuch da eigtl unternommen wird. Im Abstraktesten findet sich dann schließlich doch die Selbsterkenntnis.

LG
Last

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Beitragvon Klara » 04.07.2008, 14:48

Hallo Last,

ich vermute dunkel, dass Xanthippe gar nicht unbedingt in die Richtung wollte, die du (und ich) teilweise einschlagen...

aber warten wir ab, was sie sagt.

lg
klara

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Beitragvon Xanthippe » 08.07.2008, 15:22

Hallo Klara, hallo Last,

tut mir leid, dass ich erst jetzt Stellung nehme, zu eurer Diskussion.
Inzwischen habe ich eine dritte Version im Kopf, bin mir aber noch nicht sicher...
Na ja, jedenfalls glaube ich daran, dass wir alle gemeinsam daran arbeiten dem Unaussprechlichen eine Gestalt zu geben (uns also auf die Schultern von Riesen stellen), nichtsdestotrozt glaube ich daran, dass jeder von uns in der Lage ist, etwas ureigenes (Scheitern oder Gelingen) zu diesem Mosaik hinzuzufügen.

Ich danke euch für die lebhafte Auseinandersetzung
xanthippe


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