Stück von Stille

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Caty

Beitragvon Caty » 27.07.2008, 05:45

Stück von Stille

Still. Stille.
Was still? Nicht der Säer des Van Gogh
An der Wand. Er schreit. Ums Leben,
Verflucht, ums nackte Leben.

Die Zeitung, auch sie:
Einziger Schrei. Das Fenster reißt
Das Maul auf, die Türen.
Die Straße: Gebrüll.

Sogar die Rose verliert
Ihr Blütenblatt mit Gestöhn.
In diesem Moment der Himmel ächzt
Unterm Aeroplan.

Mein Ohr, mein Leib haben sich daran
Gewöhnt. Taub bin ich, fress
Ohropax, inwändig Kolophonium,
Friedhofsgelärm, Staub. Aber still.
Zuletzt geändert von Caty am 27.07.2008, 17:54, insgesamt 1-mal geändert.

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 27.07.2008, 11:03

Bumm!

Liebe Caty, das ist ein großer Wurf für mich.

Über den Säer die Brücke zu den aktuellen Katastrophen zu schlagen und die Gewöhnung des Menschen an all das, eingebettet in ohropaxische Stille.

Sehr begeistert,
ELsa
Schreiben ist atmen

Xanthippe
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Beitragvon Xanthippe » 27.07.2008, 11:27

liebe caty,

auch ich finde dieses spiel mit stille sehr gelungen, einzig die inversion in der vorletzten strophe stört meinen lesefluss ein wenig, sonst finde ich es wunderbar, wie du unsere abstumpfung hier lyrisch beschreibst und gerade mit der stelle etwas weckst.

Niko

Beitragvon Niko » 27.07.2008, 12:04

ich finde, caty auch hier, wie schon andernorts erwähnt, deine gedichte zunehmend gleich. es dichtet sich bei dir immer nach dem selben schema. vielleicht sind sogar die anzahl der kommata strophenmäßig immer gleich in jedem gedicht.
das finde ich sehr schade, denn du hast ein tolles gespür für worte. und ich verstehe nicht, warum du das alles immer in die gleiche jacke zwängst.
es ist vergleichbar mit irgendwelcher musik, anfangs ist es toll, ein bestimmtes stück wird der renner, es kommt gut an. die folgenden stücke schreibt man dann ähnlich. auch die kommen gut an. aber irgendwann hört man immer ungenauer hin, weil sich der charakter immer mehr zu etwas immer gleichem formt.
das ist kein angriff. weißt du ja. es ist mein empfinden. und wirklich caty: warum versuchst du nicht mal neue wege? du hast es drauf! ich halte dich für eine sehr gute lyrikerin. probiers. setzt es anonym rein oder steh dazu in experimenteller lyrik....-egal. ich würde mich riesig freuen, wenn du mehr wagst. zum einen für dich. und zum anderen hätte ich auch wieder (noch) mehr lesegenuss.

lieben gruß: Niko

Caty

Beitragvon Caty » 27.07.2008, 12:07

Liebe Elsa,

ja, der Säer. Er regt mich zu immer neuen Gedanken an, ein sehr "lyrisches" Bild. Er hängt überm Computertisch, und immer sehe ich drauf. Es gibt nicht viele Bilder mit solcher Tiefe. Danke, Elsa, fürs Kommentieren.

Liebe Xanthippe,

vorletzte Zeile eine Inversion? Nicht, dass ich wüsste. Grundsätzlich habe ich aber absolut nichts gegen Inversionen, sie gehören zur lyrischen Sprache. Wer hat diese Legende nur aufgebracht, man dürfe keine Inversionen schreiben (von Zeit zu Zeit taucht so etwas auf)? Inversion bedeutet: Anordnung des Subjekts hinter dem Prädikat. Also statt: Ich schreibe einen Brief = Einen Brief schreibe ich. Du meinst vielleicht: "inwändig Kolophonium"? Das würde ich als prädikatlosen, verkürzten Hauptsatz bezeichnen, Bedeutung: inwändig ist (befindet sich) Kolophonium, ganz normale lyrische Ausdrucksform.

Dankeschön, Xanthippe, fürs Kommentieren.

Liebe Grüße, Caty

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ferdi
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Beitragvon ferdi » 27.07.2008, 12:16

Hallo :-)

Caty, Xanthippe schrieb "vorletzte Strophe", nicht "vorletzte Zeile" ;-) Obwohl man gar nicht weiß, ob da wirklich eine Inversion vorliegt oder der Leser sich hinter "Moment" ein Satzzeichen denken soll. Ich meine daher auch, dass diese Stelle nicht ganz "sauber" ist...

Ansonsten schließe ich mich den allgemein lobenden Worten an :-)

Ferdigruß!
Schäumend enthüpfte die Woge den schöngeglätteten Tannen. (Homer/Voß)

wüstenfuchs

Beitragvon wüstenfuchs » 27.07.2008, 13:12

Leider kann ich mich nicht anschließen hier.

Pathos überhobenes Pathos, das zum Lachen reizt.

Stöhnende Rosenblätter, grelle Bilder, ächzender Himmel.

Für mich ist das eine seltsame Art der Pseudolyrik.

Die Bilder sind allesamt nicht neu, sondern seit Munch altbekannt.

Sie werden immer und immer wieder umgerührt.

Sie tragen einen Rahmen und sprengen ihn nie

Gruß
Wüstenfuchs

Xanthippe
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Beitragvon Xanthippe » 27.07.2008, 13:26

hallo caty,

nein, ich mein den himmel, der ächzt unterm aeroplan, aber wer bin ich denn dass ich sage, man darf das nicht, alles darf man, und ferdi hat recht, klar könnte man da auch ein satzzeichen denken, vielleicht war es das, was mich gestört hat, war nur rein intuitiv vom lesefluss her, und subjektiv sowieso

Caty

Beitragvon Caty » 27.07.2008, 17:21

Liebe Xanthippe, lieber Ferdi,

mein Fehler, nicht richtig geschaltet. Du meinst also die Zeilen: "In diesem Moment der Himmel ächzt/Unterm Aeroplan".

Tja, was ist dazu zu sagen? Eine Inversion ist es auch nicht, bei "in diesem Moment" handelt es sich ja um eine Temporalbestimmung (nicht um Subjekt oder Prädikat). Hier hab ich, um das Plötzliche hervorzuheben, Aufmerksamkeit darauf zu lenken, die Temporalbestimmung vor das Subjekt "der Himmel" gesetzt (wie es in der Nachricht gemacht wird, das Wichtigste zuerst). Überhaupt nicht unüblich. Vielleicht liest man das selten in der Lyrik, aber alles korrekt. In der Prosa wird das häufig gemacht. Manche machen Doppelpunkt oder Gedankenstrich, manche nicht.

Nein, Ferdi, ein Satzzeichen ist da nicht nötig. Man kann, man muss aber nicht. Mich würde ein Satzzeichen hier stören.

Liebe Grüße, Caty

Caty

Beitragvon Caty » 27.07.2008, 17:37

Lieber Niko,

ich wundere mich, mit welcher Verve du dir meinen Kopf zerbrichst, muss ich schon sagen. Ich kann deinen Eindruck nicht ungeschehen machen, bin aber dir zuliebe nicht bereit, sogenannte neue Wege wie du zu beschreiten und dann das Geschwür über der Eichentür zu reimen. (Nun ja, zumindest neu wars schon.)

Ich denke, ich bin erwachsen genug, um herauszufinden, was für mich gut ist. Wenn wir alle neue Wege beschreiten würden, Niko, dann drängelten wir uns eines Tages auf den "neuen Wegen" wie die Lemminge. Und wohin die sprangen, ist bekannt. Ich gehe nun mal gern eigene Wege.

Dass du hier deine Ansicht nicht ganz uneigennützig kund gibst, dies zu begreifen, bin ich nicht dumm genug. Irgendein Grund findet sich immer, sofern man nach ihm sucht, falls man eigene Motive verfolgt, nicht wahr? Welcherart deine Motive sind (sag nicht, du wolltest mich "aufrütteln" oder so), weißt du am besten selbst.

Und jetzt sei nicht eingeschnappt, probiere deine eigenen "neuen Wege" aus, sei aber nicht allzu erstaunt, wenn ein paar Leute kopfschüttelnd am Wegrand stehen. Damit musst du rechnen, gelegentlich.

Liebe Grüße, Caty

Caty

Beitragvon Caty » 27.07.2008, 17:50

Lieber Wüstenfuchs,

ich kenn ja nicht viel von dir, aber ich habe schon so etwas wie einen "Eindruck" gewonnen. Am lautesten krähen immer die jungen Hähnchen, sagt ein Sprichwort. Damit meine ich nicht, dass du erst so kurze Zeit dabei bist. Bei dir war alles schon mal da. Warum schreibst du dann eigentlich? Neues hast du doch auch nicht geschrieben, sehe ich von den verkorksten Sachen ab.

Was mich stört, ist die wegwerfende Arroganz, mit der du dich hier gibst. Um dahin zu kommen, dass sie akzeptiert wird, muss man schon eine ganze Menge geleistet haben, denke ich. Und das, lieber Wüstenfuchs, hast du noch nicht ausreichend herausgearbeitet - jedenfalls nicht in meinen Augen.

Im übrigen hab ich es ganz gern, wenn man eine Meinung nicht unbedingt frontal äußert, sondern sachlich. Das liegt im Interesse des Umgangstons hier im Salon.

Wenn du mir Weiteres mitzuteilen hast in dieser Angelegenheit, würde ich dich bitten, dies per Privatnachricht zu tun. Im übrigen, darf ich daran erinnern, bist du mir noch einen Nachweis schuldig, wer was gesagt hat zum Thema Musik, das betrifft meinen Text "Sonatine". Ich bin echt daran interessiert, wenn ich auch der Meinung bin, dass ich mich wenig darum scheren werde.

Liebe Grüße, Caty

wüstenfuchs

Beitragvon wüstenfuchs » 27.07.2008, 18:25

Hallo Caty, mir liegt es fern, hier dich beleidigen zu wollen.

Du schreibst gute Lyrik, aber ich will mehr.

Ich schreibe zu deinen Texten, weil ich glaube, dass mehr drin ist.

Ich bin auch mit mir selbst sehr kritisch und vermülle fast alles.

Das Einzige, was mir bei mir gefällt sind die Muttertexte/Vatertexte.

Ich vermülle täglich.
Ich möchte was Neues schaffen, nicht steckenbleiben in hergebrachten Formen.

Das klingt vielleicht verrückt oder kühn, aber was anderes lohnt sich nicht für mich.

Bei dir ist das auch möglich, also streben wir nach dem Unmöglichen.

Nur deshalb schreibe ich hier.

Es geht ja auch nicht um unsere Vorlieben allein, sondern letztlich darum, was Neues zu machen, was das Alte transzendiert.

Das ist jetzt mein Manifest,

Sonntagsgrüße

Wüstenfuchs

Caty

Beitragvon Caty » 27.07.2008, 18:44

Lieber Wüstenfuchs,

nein, das hatte ich nicht gedacht, dass du mich beleidigen wolltest. Du leidest wahrscheinlich am selben Syndrom wie Niko: Du zerbrichst dir meinen Kopf. Aber wie ich lese, hast du selbst ein Problem mit dem Schreiben. Du willst bessere Lyrik als ich schreiben, das ist ein guter Vorsatz.
Nur, Wüstenfuchs, wenn man das will, muss man erst mal anfangen. Und jeder Anfang ist klein und beschwerlich. Bis jetzt habe ich noch kein Gedicht von dir gelesen. Pass auf, dass es nicht beim Wollen bleibt, gewollt hat schon mancher manches.

Bist du nicht auch der Meinung, dass es eine sehr umfassende Geste ist, in dieser Beziehung von einem "Manifest" zu sprechen? Probiers mal ohne, schreib einfach mal dein erstes Gedicht.
Ich wünsch dir ein gutes Händchen.

Liebe Grüße, Caty

Maija

Beitragvon Maija » 27.07.2008, 19:25

Hallo Caty,

Man hat bei dir den Eindruck, das du keine Meinungen akzeptieren kannst, die nicht in deinen Rahmen passen!
Ich lese deine Gedichte gerne, weil ich darin viel Liebe und Gefühle sehe. Deine Bildersprache oft perfekt.
Da du aber schon sehr viele Gedichte geschrieben hast und wenn ich sie so vor meinen Augen vorbei spazieren lasse, dann weiß ich, was Nico und füstenwuchs meinten.
Wenn sie auf der Suche sind, neue Wege zu gehen, finde ich das fantastisch und sehr mutig. Deshalb hätte ich mir von dir mehr Mitgefühl gewünscht! Man hat den Eindruck, das du sehr schnell beleidigt bist, wenn es nicht nach deiner Nase läuft!
Ich wünschte mir mehr Toleranz und Taktgefühl!

Dein Gedicht hat mich schon berührt und es wurde ja auch schon etwas dazu gesagt. Gegen die Abstumpfung zu mahnen finde ich gut, aber mehr auch nicht.

Lieben Gruß, Maija


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