Die Bohrinsel

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Last

Beitragvon Last » 11.08.2008, 15:15

Die Bohrinsel

Ein Stahlgerüst beantwortet Kindheitsfragen:
Fischer, Fischer. Das Wasser ist tief.

Drinnen starten die Maschinen. Ein Traum, den wir deuten,
dreht sich am Bohrkopf. 130m unter dem Meeresspiegel

fräst er ein Loch in den Boden, das nächsten Sommer heißt.
So kommen wir hier raus. Denken wir uns

einen Urlaub in Utersum. Bei Ebbe schwimmen.
Nächsten Sommer, wenn er kommt,

dann laufen wir. Flut.

Xanthippe
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Beitragvon Xanthippe » 11.08.2008, 17:25

hallo last,

ich bin zwiegespalten, was das stück angeht,
einerseits mag ich das spiel mit dem kinderspiel
fischer fischer wie tief ist das wasser
dieses leichte, kindliche im kontrast
zum ernst
andererseits ist da zu viel - ja wie soll ich es nennen?
klischee? nachrichtenbetroffenheit?
mein vorläufiges fazit läuft darauf hinaus, dass ich den ansatz sehr vielversprechend finde,
die ausarbeitung aber noch nicht so

xanthi

Last

Beitragvon Last » 12.08.2008, 13:39

Hallo Xanthippe,

danke für deinen Kommentar.

andererseits ist da zu viel - ja wie soll ich es nennen?
klischee? nachrichtenbetroffenheit?


Ich denke ich verstehe was du meinst. Ich bin mir aber nicht sicher wo ich die Ursache festmachen kann. Sind die Bilder nicht anregend genug? Die Sprache zu plump? Vielleicht einfach das Thema nicht interessant genug? Oder stört die Allgemeinheit meiner Umsetzung? Wo liegt das Klischee?

LG
Last

Xanthippe
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Beitragvon Xanthippe » 12.08.2008, 13:46

ja ich glaube es ist die allgemeinheit der aussage
irgendwie lese ich einen zeigefinger mit
das mag ich nicht
und du eigentlich auch nicht
da bin ich mir sicher

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 12.08.2008, 23:10

Lieber Last!

Ich empfinde es als zu gewollt.

Du bist nicht in der Sache, sondern versuchst sie von aussen.

MlG

Moshe

Last

Beitragvon Last » 12.08.2008, 23:10

Hallo Xanthippe,

dann habe ich noch eine Anschlussfrage. Funktioniert eine Lesart ohne Zeigefinger gar nicht oder überlagert die Zeigefingerlesart nur andere Interpretationen, die darunter, darüber oder daneben liegen?

LG
Last

Xanthippe
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Beitragvon Xanthippe » 13.08.2008, 09:36

ja, ich fürchte für mich liest es sich nicht ohne zeigefinger, und moshe sagt es auch ganz gut, wenn er erwähnt, dass du so eine außenbetrachtung vornimmst, ich glaube, das könnte zumindest ein grund sein.

viele grüße
xanthi

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 13.08.2008, 09:58

Hallo Last,

ich scheue mich immer ein wenig in dieser Rubrik zu kommentieren, weil ich fürchte, dass ich etwas wesentliches Politisch/Kritisches übersehe. Wahrscheinlich ist das hier auch so, denn ich sehe den Zeigefinger gar nicht. Vermutlich liegt das daran, dass ich es gerne unter Liebeslyrik lesen würde und es dann ein sehr feines Gedicht ist, das mehr sehen lässt, als es zeigen will.

Diese Verknüpfung von Kindlichem und Erwachsenem und wie sich diese Bilder, Gedanken, Fragen ineinander spiegeln, aufeinander aufbauen, rückbeziehen und nach vorne schauen lassen, gelingt dir hier wieder sehr leicht, ohne aufdringlich oder pathetisch zu werden.

Wieder sehr gern gelesen, wenn es mir vielleicht auch etwas völlig anderes erzählt hat, als intendiert war. ;-)

liebe Grüße smile

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 13.08.2008, 10:16

Lieber Last,

ich sehe es auch als Liebesgedicht, daher empfinde ich es nicht gewollt sondern als eine Metapher, was aber, wie smile auch konstatiert, nicht zur Rubrik passt.

Hm.

Lieben Gruß
ELsa
Schreiben ist atmen

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 13.08.2008, 20:26

Komische Art von Liebe.

Moshe

Max

Beitragvon Max » 20.08.2008, 21:47

Lieber Last,

ich habe die obigen Kommentare nur überflogen, lese aber viel von "gewollt"und "zeigefinger" und kann das nicht ganz nachvollziehen. Ich habe den Eindruck, dass sich einige Leser hier zu sehr von der Rubrik, in der es steht, leiten lassen. In Liebeslyrik hätte mich dieser text zwar auch erstaunt, aber ich denke, die meisten empfänden ihn in der freien Rubrik als weit weniger gewollt.

Die erste Strophe beispielsweise

Ein Stahlgerüst beantwortet Kindheitsfragen:
Fischer, Fischer. Das Wasser ist tief.


gefällt mir sehr, weil sie den Text durch den Bezug auf den Kinderreim leicht macht.

In Strophe 2

Drinnen starten die Maschinen. Ein Traum, den wir deuten,
dreht sich am Bohrkopf. 130m unter dem Meeresspiegel


kann ich den Traum zwar nicht deuten, aber das macht nichts, es ist eine sehr eigenständige Bezugnahme auf das Gesehene und gefällt mir daher.

fräst er ein Loch in den Boden, das nächsten Sommer heißt.


finde ich seltsam ... weil das "nächsten Sommer" mitgebeugt ist .. heißt das Loch nicht "nächster Sommer"? Aber von hier an vestehe ich sowieso zu wenig .. die ganze Flut, dass das Lyr ich bzw. Wir gerade bei Ebbe schwimmt und ob es von der Bohrinsel weg oder zu ihr hin schwimmt, bleibt mir schleierhaft ... das wird mir das Wasser zu tief.

Liebe Grüße
Max

Last

Beitragvon Last » 21.11.2008, 21:20

Hallo zusammen,

eine verspätete Antwort flattert ein.

Mit gewisser Distanz zur Diskussion, ziehe ich nun größere Änderungen am Text in Betracht. Entweder radikale Streichungen: die letzte vier Verse weg! oder eine Neuverarbeitung des Stoffes.

Ein Liebesgedicht wollte ich nicht schreiben. Diese Interpretation hat mich deshalb etwas verwundert, aber der Text bietet wohl die assoziative Grundlage dafür; wahrscheinlich über die Distanz, welche die Bohrinsel symbolisiert gepaart mit den Familienurlaubsträumen der Bohrarbeiter(?).

Sowohl beim Schreiben, als auch jetzt beim Lesen empfinde ich eine ähnliche Gewolltheit, wie sie Moshe und Xanthippe schildern. Für mein Gefühl beginnt sie in Strophe drei.
Den Zeigefinger kann man sicherlich auch herauslesen. Ich denke aber, man muss das nicht unbedingt machen. Außerdem habe ich nichts dagegen ein aktuelles gesellschaftliches Thema anzusprechen, auch wenn dabei Gedanken verarbeitet werden, die nicht nur das feine Gespür eines Poeten empfinden kann. Hier stimme ich Max zu, dass es in einer anderen Rubrik vielleicht anders gewirkt hätte (wegen einem schwächeren Bezug zum Umweltschutz).

Wie bald eine Überarbeitung geschieht weiß ich nicht. Momentan kreisen meine Gedanken in anderen Regionen.

LG
Last

Mucki
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Beitragvon Mucki » 22.11.2008, 01:10

Hallo Last,
Mit gewisser Distanz zur Diskussion, ziehe ich nun größere Änderungen am Text in Betracht. Entweder radikale Streichungen: die letzte vier Verse weg! oder eine Neuverarbeitung des Stoffes.

Wenn du erwägst, die letzten vier Verse zu streichen, bleibt ja nicht viel übrig. Ich würde deshalb an deiner Stelle eine Neuverarbeitung des Stoffes vorziehen.
Übrigens: ich las hier weder was von einem Zeigefinger oder etwas in Richtung Liebeslyrik, sondern bezog den Inhalt ausschließlich auf das Thema Umweltverschmutzung.
Saludos
Mucki

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 23.11.2008, 18:38

Hallo Last,

Ein Liebesgedicht wollte ich nicht schreiben. Diese Interpretation hat mich deshalb etwas verwundert, aber der Text bietet wohl die assoziative Grundlage dafür; wahrscheinlich über die Distanz, welche die Bohrinsel symbolisiert gepaart mit den Familienurlaubsträumen der Bohrarbeiter(?).


Nein, zumindest ich lese das Ganze (die einzelnen Wortbilder) übertragen und nicht 1:1 (und trotzdem freu ich mich über die „reale“ Ebene der Bilder, da sie auch stimmig ist) und es passt für mich noch immer wunderbar zusammen. Je öfter ich es lese, desto begeisterter bin ich, auch wenn du das so gar nicht schreiben wolltest. Vielleicht wollten es ja die Worte, oder ich wollte es einfach so lesen. ;-) Ich habe mir auch überlegt, wie ich zu der Interpretation kommen kann, wenn sie doch von dir im Text nicht so angelegt war, vielleicht liegt es daran, dass ich die „wir“ und die „uns“ auf zwei konkrete Menschen beziehe und nicht auf die Menschheit, oder die Bohrinselarbeiter. Und dazu werde ich von den Kindheitsfragen, dem Traum, dem Meeresspiegel, dem Sommer, dem Urlaub, dem Schwimmen bei Ebbe, der Flucht vor der Flut....also fast von allem .-) verleitet, da mir das sehr persönliche Bilder scheinen?
Ich fände es sehr schade, wenn du irgendetwas streichen würdest. Vielleicht lässt sich ja das Thema, das du im Sinn hattest anders umsetzen, damit dieses Gedicht erhalten bleiben kann. Wer weiß, ob es dir nicht auch irgendwann etwas über die Liebe oder das Leben oder Träume erzählt. :o)

liebe Grüße
smile


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