Prognose

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Benutzeravatar
Zakkinen
Administrator
Beiträge: 1768
Registriert: 17.07.2008
Geschlecht:

Beitragvon Zakkinen » 15.08.2008, 22:01

Von Augenblick zu Augenblick gefühlt
Dämonen gefüttert, zu teuer bezahlt
Hände klammern an fremdes Leben
Süßsaurer Schweißdunst in der Luft
Muskeln zucken in der Ruhe der Nacht
Ein Geschmack wie von Eisen auf Lippen rot
Die Glaskugel in den Händen zersprungen
Geschlossene Augen hören das Rufen nicht

Zweite Fassung:
Von Augenblick zu Augenblick gefühlt,
Dämonen gefüttert, zu teuer bezahlt.
Hände klammern an fremdes Leben.
Süßsaurer Schweißdunst in der Luft.
Muskeln zucken in der Ruhe der Nacht.
Ein Geschmack wie von Eisen auf Lippen rot,
und die Glaskugel ist
in den Händen zersprungen.
Zuletzt geändert von Zakkinen am 19.08.2008, 21:39, insgesamt 1-mal geändert.

Mucki
Beiträge: 26644
Registriert: 07.09.2006
Geschlecht:

Beitragvon Mucki » 19.08.2008, 00:11

Hallo Henkki,

hier geht es wohl um eine Transplantation (Hände klammern an fremdes Leben). LI muss teuer bezahlen für etwas (zu viel geraucht, zu viel gesoffen, irgendsowas), das die Transplantation erforderlich macht. Die OP (Süßsaurer Schweißdunst in der Luft) geht schief. Der Traum vom neuen Leben zerplatzt (Die Glaskugel in den Händen zersprungen).
Deine Zeilen strahlen eine sehr düstere Stimmung aus. Und am Ende, so meine Lesart, stirbt der Patient.
"Geschlossene Augen hören das Rufen nicht"
Doch mit diesem Satz hab ich insofern Probleme, weil Augen nicht hören können.
Hierüber würde ich noch mal nachdenken, ob du ihn anders formulieren kannst.
Saludos
Mucki

Benutzeravatar
Zakkinen
Administrator
Beiträge: 1768
Registriert: 17.07.2008
Geschlecht:

Beitragvon Zakkinen » 19.08.2008, 08:33

Hallo, Mucki,

interessante Interpretation. An eine OP habe ich nicht gedacht. Geht natürlich. Ist ja das Schöne am Prozess, die Interpretation durch die Leser.

Und Du hast recht, der letzte Satz ist nicht gut. Gezielt den herausgepickt, den ich dazugemogelt habe, weil die letzte Abrundung noch fehlte. Also nochmal nachdenken.

Gruß
Henkki

Nicole

Beitragvon Nicole » 19.08.2008, 09:09

Hallo Henkki, hallo Mucki,

Transplantation? Uih, da hab ich ein ganz anderes Bild vor Augen... Für mich ist das in der "zahmen Variante" ein Stück Nachtleben, gesoffen, geraucht, vielleicht noch was eingeschmissen,
Von Augenblick zu Augenblick gefühlt
Dämonen gefüttert, zu teuer bezahlt

laute Musik, (miteinander) tanzen,
Hände klammern an fremdes Leben
Süßsaurer Schweißdunst in der Luft
Muskeln zucken in der Ruhe der Nacht

eine Frau küssen
Ein Geschmack wie von Eisen auf Lippen rot
(Blut auf den rot geschminkten Lippen)
Lasse ich den letzten Satz jetz mal weg, wäre für mich die zerbrochene Glaskugel (Wahrsageer benutzen sie ja, um in die Zukunft zu sehen) ein Synonym für zerbrochene / vergebene Zukunft oder zumindest für die fehlende Perspektive... => Titel Prognose.
Kann man, m.E.n. auch in einer weniger zahmen Variante lesen..
irgendwo in einer Kneipe unstet, vermutlich ebenfalls gesoffen, eine Frau aufgegabelt, dann "One-night-stand", das Klammern an einen fremden Körper, der Schweißdunst und die zuckenden Körper kann man ja auch so lesen... Und auch hier dann wieder die "Ernüchertung" mit der zerbrochenen Glaskugel.

Wenn ich mir dann den letzten Satz vornehme, finde ich auch, daß er nicht so ganz "rund" ist. Ich weiß ganr nicht, ob es den braucht.

Nicole

Benutzeravatar
Zakkinen
Administrator
Beiträge: 1768
Registriert: 17.07.2008
Geschlecht:

Beitragvon Zakkinen » 19.08.2008, 09:15

Obwohl, wenn ich drüber nachdenk, so schlecht ist "Geschlossene Augen hören das Rufen nicht" auch nicht. Es muss nicht immer alles logisch sein.

H

Benutzeravatar
Zakkinen
Administrator
Beiträge: 1768
Registriert: 17.07.2008
Geschlecht:

Beitragvon Zakkinen » 19.08.2008, 09:17

Nicole ist schon eher auf meinem Pfad. Etwas weiter gefasst muss es nicht nur Nachtleben sein. Aber stop, ich hatte mir vorgenommen, nie zu erklären.

Danke
H

Mucki
Beiträge: 26644
Registriert: 07.09.2006
Geschlecht:

Beitragvon Mucki » 19.08.2008, 11:52

Hallo Henkki,

ist schon interessant, wie unterschiedlich man einen Text interpretieren kann, nicht?
Ich hab ihn so oft gelesen, kam jedoch immer wieder zu meiner obigen Lesart.
Und da du es unter "Freies Weben - themenunspezifisch" gestellt hast, war keine Richtung vorgegeben. Was Nicole schreibt, man durchaus auch einen Sinn, ja.
Den letzten Satz braucht es m.E. nicht.
Saludos
Mucki

Benutzeravatar
Zakkinen
Administrator
Beiträge: 1768
Registriert: 17.07.2008
Geschlecht:

Beitragvon Zakkinen » 19.08.2008, 17:57

Findet Ihr nicht, dass es ohne den letzten Satz etwas abrupt endet?

Mucki
Beiträge: 26644
Registriert: 07.09.2006
Geschlecht:

Beitragvon Mucki » 19.08.2008, 18:10

Hallo Henkki,

wenn es in die Richtung von Nicoles Interpretation geht, ist der Satz:

"Die Glaskugel in den Händen zersprungen"

auch eine Art von Ende, der deshalb m.E. den Satz mit den Augen überflüssig machen würde.
Es sei denn, deine Intention des Textes geht in eine andere Richtung. Dann musst du für dich entscheiden, was stimmiger ist. Den letzten Satz vielleicht nur etwas kürzen oder umformulieren?
Saludos
Mucki

Benutzeravatar
Zakkinen
Administrator
Beiträge: 1768
Registriert: 17.07.2008
Geschlecht:

Beitragvon Zakkinen » 19.08.2008, 19:16

Was haltet Ihr von:

Von Augenblick zu Augenblick gefühlt
Dämonen gefüttert, zu teuer bezahlt
Hände klammern an fremdes Leben
Süßsaurer Schweißdunst in der Luft
Muskeln zucken in der Ruhe der Nacht
Ein Geschmack wie von Eisen auf Lippen rot
Und die Glaskugel ist
In den Händen zersprungen

Mucki
Beiträge: 26644
Registriert: 07.09.2006
Geschlecht:

Beitragvon Mucki » 19.08.2008, 19:38

Hallo Henkki,

ja, das Ende finde ich nun stimmiger.
Was mich stört, aber das ist wohl Geschmackssache, ist die Großschreibung vorne und die fehlende Interpunktion (nur ein einzelnes Komma befindet sich im Text).
Saludos
Mucki

Mucki
Beiträge: 26644
Registriert: 07.09.2006
Geschlecht:

Beitragvon Mucki » 19.08.2008, 19:46

Nachtrag, da ich gerade in deinem Faden "noch ohne Titel" las.
Ich kam nicht auf meine Interpretation durch den Titel "Prognose". Im Gegenteil, der Titel hat mich sogar irritiert, weil er gerade nicht zu meiner Assoziation passte. Was hat eine Transplantation, bei der ich den Patienten sterben sehe, mit Prognose zu tun? Nüscht.
Saludos
Mucki

Max

Beitragvon Max » 19.08.2008, 21:05

Lieber Zakkinen,

ich habe das Gefühl du beschreibst eine Art Nachwehen eines intensiven Moments.
Dabei finde ich das gedicht dort am stärksten, wo es nicht in Partizipien spricht - bei Zeile 1 und 2 überkommt mich z.B. das gefühl: das muss auch anders gehen.

Ein Geschmack wie von Eisen auf Lippen rot


gefällt mir als Bild sehr gut, auch wenn die Wortstellung seltsam ist - während ich das

Die Glaskugel in den Händen zersprungen


sehr bekannt finde.

Liebe Grüße
Max

Benutzeravatar
Zakkinen
Administrator
Beiträge: 1768
Registriert: 17.07.2008
Geschlecht:

Beitragvon Zakkinen » 19.08.2008, 21:36

@Mucki:
Nachtrag, da ich gerade in deinem Faden "noch ohne Titel" las.
Ich kam nicht auf meine Interpretation durch den Titel "Prognose". Im Gegenteil, der Titel hat mich sogar irritiert, weil er gerade nicht zu meiner Assoziation passte. Was hat eine Transplantation, bei der ich den Patienten sterben sehe, mit Prognose zu tun? Nüscht.


Na dann ist ja gut:-) Ich sollte es lassen mit den Titeln. Die helfen mir nicht. Zeichensetzung spendiere ich noch.


@Max: Ich mag den Teil mit den Partizipien, obwohl ich Dein Argument verstehen kann. Woher kommt Dir das Glaskugelbild bekannt vor? Ich meine, ausser dass man allgemein mit der Glaskugel Wahrsager assoziiert? Aus einem anderen Text?

Liebe Grüße,
Henkki


Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 20 Gäste