Der Zweifel

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Xanthippe
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Beitragvon Xanthippe » 29.08.2008, 21:03

Der Zweifel

Der Mann hängte den Zweifel in den Schrank
des kleinen traurigen Jungen
mit dem schwarzen Koffer
(Er wusste dass der Junge einen Schrank hatte
aber nicht wo er wohnte
Das machte die Sache sicherer)
Das Kind war noch sehr jung
So jung dass sich seine Haare lichteten
weil der Glanz seiner Augen vor Jahren einem Rangierunfall zum Opfer gefallen war
Der Mann hängte den Zweifel in den Schrank dieses Jungen
weil er wusste wie sie betteln konnte
Und wenn sie einzog
würde sie jeden Tag um einen Zipfel des Zweifels betteln
und behaupten dass sie ihn als Hosenträger brauchte
als Hosenträger für eine schildkrötengrüne Hose
der die Lust zu laufen längst vergangen ist
Damals
sagte sie
als noch jemand mitging
im Schein des sonnigen Spinnennetzes
Was ist denn das für eine Verletzung
die im Bahnwärterhäuschen sitzt
und wartet bis ihr ein Bart wächst
Sie könnte Kinder bekommen
und sich von Rattengift ernähren
wenn die Verwunderung knapp wird
weil er Socken im Koffer hat
und Haarwasser
und vielleicht sogar Hoffnung
aber der Zweifel
hängt im Schrank
und niemand zieht ein

Estragon

Beitragvon Estragon » 31.08.2008, 10:43

Weil den Zweifel keiner mag, aber Rattengift mögen
die Leute auch nicht und Haarwasser, Haarwasser ist ja das schlimmste
überhaupt..

Da trinke ich lieber grünen Tee und lese das ganze noch einmal

Xanthippe
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Beitragvon Xanthippe » 31.08.2008, 11:46

Aber der Zweifel ist doch das Wichtigste.
Ohne Zweifel gäbe es doch keine Hoffnung.
Ohne Zweifel bleibt nur Verzweiflung.
Und grüner Tee
Vielleicht

Estragon

Beitragvon Estragon » 31.08.2008, 12:12

natürlich ist er wichtig, aber es mag ihn trotzdem keiner

Xanthippe
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Beitragvon Xanthippe » 31.08.2008, 13:04

Aber nur weil keiner nachdenkt

Estragon

Beitragvon Estragon » 31.08.2008, 13:19

ohne Zweifel würden wir nicht schreiben...zweifeln und scheitern ist das wichtigste Werkzeug des Dichters

Xanthippe
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Beitragvon Xanthippe » 31.08.2008, 13:24

Und das letzte Wort zu haben der wichtigste Auftrag des Estragon ;-)

Niko

Beitragvon Niko » 31.08.2008, 15:20

hi xanthi!
ich hab mal vor kurzem hier den aphorismus eingestellt, der an"gezweifelt" wurde:
Ungewissheit ist ein lähmender Giftpfeil der Hoffnung.
vielleicht ist ungewissheit nötig, um hoffung haben zu können. aber ungewissheit ist auch "mutter der zweifel" und zweifel kann ebenfalls zur ver-zweiflung führen. denn dann, wenn sie die hoffnung verringern.
nuja...soweit meine gedanken dazu.

zum text selbst:
mit solch langen texten tue ich mich immer etwas schwerer. was wohl daran liegt, dass ich das kurze bevorzuge. und in der tat sehe ich auch hier verknappungspotential. wenn man - du - das denn mögen würdest. aber genau daran habe ich meine "zweifel".
insgesamt finde ich es sehr feinsinnig gewoben. die idee ist genial, aber immer noch wäre mir kürzer lieber ;-)

lieben gruß: Niko

DonKju

Beitragvon DonKju » 31.08.2008, 15:24

Hallo Xanthippe,

bei mir bleibt da nur der "Zweifel", was dieser Text mir denn nun "zweifelsohne" sagen will, wo will er hin, stellt er nur "zweifelnd" alles in Frage, da sind die Bilder, die sich nicht "zweifelsfrei" erschliessen wollen, und ich als Leser "verzweifelnd"

am Sonntagnachmittag trotzdem grüßend Bilbo

Niko

Beitragvon Niko » 31.08.2008, 15:27

schlüssig finde ich die bilder auf jeden fall, wollt ich da nur mal nachtragen....

nicht-das-letzte-wort-haben-wollende grüße: Niko

Xanthippe
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Beitragvon Xanthippe » 31.08.2008, 19:16

Hallo Niko,

fein, dass Du den Zweifel auch so ergiebig findest und die Idee magst. :smile:
Hm, kürzer. Ja. Also in diesem Fall eher nicht. Tatsächlich. Da wollte ich schon auch erzählen und dem Zweifel sozusagen Raum geben. Aber ich schau es mir noch mal daraufhin an.
Vielen Dank, besonders auch dafür, dass Du die Bilder schlüssig findest. Da war ich mir nicht so sicher, ob das nachvollziehbar ist.

schon fast abwesende Grüße
xanthi

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Beitragvon Xanthippe » 31.08.2008, 19:21

Hallo Bilbo,

verzweifelnde Leser möchte ich natürlich nicht. :blink1:
Andererseits nehme ich das jetzt als Hinweis darauf, dass der Text so angekommen ist, wie er wohl ankommen muss, wenn jemand nach Texten mit Richtung und zweifelsfreien Botschaften sucht (ui, das ist jetzt nicht so böse gemeint, wie es klingt... also eigentlich meine ich das ganz nett, mit freundlichem Gesichtsausdruck und so...) Jedenfalls will der Text natürlich nichts zweifelslos sagen, sondern eher dem Zweifel einen Raum geben, und sei es nur in einem Schrank...

Danke fürs Lesen
xanthi

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Schwarzbeere
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Beitragvon Schwarzbeere » 01.09.2008, 00:12

Also ich komme mit dem Geschlechtswechsel nicht zurecht, da er auf einmal eine sie ist und überhaupt alles und sich selbst und daher auch die anderen mit Zweifel behängt. Und ist er auch Eigentümer seines eigenen Zweifels, den er in den Schrank bei sich selbst einstellt, um die anderen nicht suchen zu müssen.

Ich las dreimal, weil ich Estragon übertreffen wollte, doch ist mir nicht verständlich, warum ich den Surrealismus so gequält finde. Bleibt mir meine Meinung zu bezweifeln.

Nachtgrüße. Schwarzbeere

Xanthippe
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Beitragvon Xanthippe » 10.09.2008, 12:46

Danke.
ich mag deinen Kommentar.
urlaubsgrüße
xanthippe


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