stunden

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
moshe.c

Beitragvon moshe.c » 26.08.2008, 21:37

stunden
verstreicht den tag
mit eingehenden worten
aufs brot

käse und wurst
und quark

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 31.08.2008, 23:45

Lieber Herby!

Mein Duden :-) ist da etwas freimütiger, wenn wir den schon brauchen:

stunden = etwas aufschieben oder zur Aufschiebung zulassen, bzw. etwas noch nicht einlösen.

Das entspricht auch meinem Verständnis des Wortes.

Schlicht zum Text: Es gibt Menschen, die beständig sich selbst oder anderen etwas stunden = aufschieben.

Ob das was hilft?

Moshe

Jürgen

Beitragvon Jürgen » 31.08.2008, 23:53

Hallo Moshe,

stunden könnte als Verb nur Frist zur Schuldungstilgung meinen.

Mein Angebot zur Frist
verstreicht den tag (löst/lockert die Ungeduld/eigene Forderung)
mit eingehenden worten (die (Selbst)-maßregelumg)
aufs brot

und so bringt das Stunden als Fristsetzung oder einfach Zeit lassen zur Tilgung der Schuld, reichlich Ertrag auf´s Brot. So kann ich mich dem Text nähern und poche darauf, nicht der deutschen Sprache mächtig zu sein, uff!

So betrachtet, wenn ich denn richtig liege, hat er was, Dein Text, aber erwarte von Deinen Lesern keine Weltwunder ;-)


Späte Grüße

Jürgen

Jürgen

Beitragvon Jürgen » 31.08.2008, 23:55

Huch---Überschneidung... mal sehen, ob es mir hilft

Mucki
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Beitragvon Mucki » 01.09.2008, 00:54

Hi Moshe,
Es gibt Menschen, die beständig sich selbst oder anderen etwas stunden = aufschieben.

Ob das was hilft?

jep! Wenn ich das Wort "stunden" durch "aufschieben" ersetze, macht es durchaus Sinn. Danke für die Aufklärung ,-)
Saludos
Mucki

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Zakkinen
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Beitragvon Zakkinen » 01.09.2008, 09:50

Sehr unübliche Nutzung des Wortes, würd ich sagen. Im gängigen Sprachgebrauch wird es eigentlich nur im rechtlichen Zusammenhang gebraucht. Zahlungen, Verbindlichkeiten, vielleicht auch noch andere fristgebundene Dinge. Selbst das etymologische Wörterbuch von Kluge lässte eigentlich nur "Zahlungsaufschub gewähren" zu. "Aufschieben" kann es auf keinen Fall heißen, wenn, dann "Aufschub gewähren".

Bin nicht 100% überzeugt.

LG
Zakkinen
(bittet vorab um Vergebung für einen Anfall der Pedanterie)

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 01.09.2008, 10:13

Hallo,

dazu fällt mir ein: Bachmann nannte ihren Gedichtband ja z.B. auch "gestundete Zeit" - ich finde den Einsatz als Verb durchaus möglich und poetisch - allerdings würde ich unbedingt dazu raten, diesen Gebrauch in einen grammatisch intuitiven Rahmen zu betten, um den Leser zu helfen, also keinen Imperativ folgen lassen, wie wäre es mit:


stunden
den tag verstreichen
mit eingehenden worten
aufs brot

käse und wurst
und quark


Zudem würde ich den Text nicht in gemäßigter Kleinschreibung setzen, da dann klar ist, wenn stunden klein ist, dass nicht das Subjekt gemeint ist.

liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

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Beitragvon Zakkinen » 01.09.2008, 10:17

Absolut richtig mit dem Bachmann-Titel. Verstehe ich dann so, als ob ich jemandem Zeit schulde, und mir wird Aufschub gewährt (von wem auch immer). Also wieder im Sinne von Zahlungsaufschub, nur dass die Währung hier die Zeiteinheiten sind. Oder?

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Beitragvon Lisa » 01.09.2008, 11:39

Ja, genau - wobei das auch nochmal verdeutlicht, dass in dem Gedicht zum Bandtitel es ja heißt "die bis auf Widerruf gestundete Zeit" - ich verstehe es ein bisschen so, dass die Bachmann hier anschließt auf den Entgrenzungszustand von Musil - der ja nur eine Utopie ist (die Möglichkeit Geliebter fern den (sozialen, anthropologischen etc.) Gesetzmäßigkeiten, also den Koordinaten von Raum und Zeit im übertragenen Sinne, zu sein ). Man nimmt sich also als Liebende etwas, was man eigentlich nicht nehmen kann, aber das geht eben nicht nur ewig. das "wem auch immer" ist dabei natürlich besonders interessant.

liebe Grüße,
Lisa
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moshe.c

Beitragvon moshe.c » 01.09.2008, 19:40

Liebe Lisa!

Besten Dank, daß du dich mit diesem Text beschäftigst. Das er nicht einfach ist, weiß ich, aber ich bin ja oft ein wenig schwierig. :-) , und ich finde, daß dies ja auch sein darf und sollte.

Wenn ich nun deinem Vorschlag folgen würde, ergäbe sich für keinen Leser mehr der eigentlich gemeinte Umstand einer Stundung im fortlaufenden Sinne.

Würde ich die Kleinschreibung aufgeben und bei dem Verb stunden bleiben, ergäbe sich:

stunden
verstreicht den Tag
mit eingehenden Worten
aufs Brot

Käse und Wurst
und Quark

Einen Fortschritt gegenüber meinem ursprünglichem Text sehe ich hier nicht. Die Kleinschreibung habe ich gewählt, um den Impuls auf 'stunden' zu lassen.

Insgesamt handelt es sich hier um eine nicht eigentlich gerechtfertigte Stundung, sondern es wird eine Schwäche des LyrIchs aufgezeigt.

MlG

Moshe

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 01.09.2008, 19:46

Lieber Zakkinen!

Der unübliche Gebrauch von Worten und Weiteres, ist ein Kern der heutigen Lyrik. Da steckt die Freiheit drinn, den Horizont zu erweitern, den nicht nur ich weiter suche.

MlG

Moshe

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 02.09.2008, 14:43

Lieber moshe,

Besten Dank, daß du dich mit diesem Text beschäftigst. Das er nicht einfach ist, weiß ich, aber ich bin ja oft ein wenig schwierig. biggrin , und ich finde, daß dies ja auch sein darf und sollte.


na klar sollst du das, das ist ohen Frage eine deiner Qualitäten :-)

Aber deine Antwort als eine Antwort auf meine Vorschläge versteh ich trotzdem nicht :blink2: :smile:

Wenn ich nun deinem Vorschlag folgen würde, ergäbe sich für keinen Leser mehr der eigentlich gemeinte Umstand einer Stundung im fortlaufenden Sinne.


wieso nicht?


Würde ich die Kleinschreibung aufgeben und bei dem Verb stunden bleiben, ergäbe sich:

stunden
verstreicht den Tag
mit eingehenden Worten
aufs Brot

Käse und Wurst
und Quark

Einen Fortschritt gegenüber meinem ursprünglichem Text sehe ich hier nicht. Die Kleinschreibung habe ich gewählt, um den Impuls auf 'stunden' zu lassen.


willst du es denn nicht als verb gelesen haben?

liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
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