Warten auf Godot

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Estragon

Beitragvon Estragon » 02.09.2008, 10:49

"wir finden doch immer was, um uns einzureden, dass wir existieren, nicht wahr, Didi?"

Estragon aus Warten auf Godot von Samuel Beckett



glaubst du das gott mich sieht
fragte estragon
die lippen weit auseinander
als könnte man alle spuren verwischen

der himmel versteckt sich in solchen fragen
atmet
hegt die hoffnung
das alles gesagte wieder begraben
und vergessen wird

wir lachen und wenn wir lachen
versöhnen wir uns mit den irrwitzigsten

wir breiten uns aus
da sind ufer
da wachsen steine
die sind so groß wie unsere ratlosigkeit

wir erfinden einen tag
an dem alles gut ausgeht
godot kommt
und erzählt uns
dass es nicht besser wird
später
wenn wir an ihn denken
und schon vergessen haben
wer er eigentlich war

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 03.09.2008, 18:00

Lieber Estragon!

Dieser Text spricht mich sehr an wegen dieser Feinfühligkeit in Verbindung mit Tiefe.

Ganz unverbindlich würde ich den Text am Ende straffen:

'wir breiten uns aus
da sind ufer
da wachsen steine
so groß wie unsere ratlosigkeit

wir erfinden einen tag
an dem alles gut ausgeht'

MlG

Moshe

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leonie
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Beitragvon leonie » 03.09.2008, 18:44

Lieber Estragon,

ja, mir gefällt der Text auch sehr, so wie er ist, einige Sätze mag ich besonders, den zum Beispiel:

der himmel versteckt sich in solchen fragen


auch den von Moshe zitierten Teil.

In der ersten und zweiten Strophe brauchen die "dass" jeweils noch ein "s". Sonst habe ich nichts zu kritisieren. Schöner Text!

Liebe Grüße

leonie

Xanthippe
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Beitragvon Xanthippe » 10.09.2008, 12:45

Ja,
nur schade, dass godot nie kommt
aber wenigstens kann man solche tage erfinden

Estragon

Beitragvon Estragon » 10.09.2008, 22:08

man kann doch keine tage erfinden

Max

Beitragvon Max » 12.09.2008, 22:05

Lieber E.,

für mich fügt sich der Text sehr gut in das Stück .. ich denke, sähe ich ihn auf der Bühne, würde ich mich fragen, warum mir diese Stelle bislang immer entgangen ist.

Liebe Grüße
max

Maija

Beitragvon Maija » 13.09.2008, 10:12

Estragon (Wladimir?!) Interessantes Thema, Danke! ;-)

LG., Maija

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 08.03.2009, 15:27

Hallo Estragon,

lange nichts Neues mehr von dir gelesen. :sad:
Dafür habe ich dieses hier wiederentdeckt und mich noch einmal darüber gefreut. Ein in sich sehr rundes Gedicht, das durch seine Kanten besticht .-) und gerade durch diese offenen Widersprüchlichkeiten, Wendungen ein Zwischen aufwirft, das eine einfache und doch nicht zu fassende Wahrheit einzufangen scheint.

Liebe Grüße
smile


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