Wir drei Schulmädchen

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Louisa

Beitragvon Louisa » 20.04.2009, 21:34

Wir drei Schulmädchen trinken die Träume aus
Trinkpäckchen durch Strohhalme, wir halten
uns fest am Unschlaf und am Stundenplan.

Morgens um sieben liegen die Klarheiten brav
in unseren Kleiderschränken, man sieht sich
bis zur Hochzeit, bis zur Chef-Etage, man

Zieht sich an, was man ist, einen Kleidungs-
charakter trägt man heute und morgen
an seiner Haut, anstatt mit scharfer Munition

laufen wir Amok mit mit Papierkügelchen,
wir drei Schulmädchen kennen einander,
aber keine physikalische Formel genau

Da treibt es mich auf die Straße,
wo meine Schulmädchenliebe noch wartet
im Schwarzen treffen wir uns noch einmal

Während die anderen Mädchen die Bänke
drücken, bis die Klasse zu Trümmern zerfällt,
wir aber draußen im Schwarzen erzählen

uns von der Zeit, sodass wir lachen müssen,
sodass wir kotzen könnten, so zum Kotzen
schön war die Zeit, so witzig ist sie vorbei.

Dir läuft der Schaum weiß aus dem Mund,
dir ist es peinlich, ich tue, als säh´ ich nicht hin
und wir fürchten uns bei der Umarmung
noch weh zu tun.
Zuletzt geändert von Louisa am 24.10.2009, 21:48, insgesamt 4-mal geändert.

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 20.04.2009, 22:06

Ich möchte auch endlich mal ein Schulmädchen sein.

!!!!

Das hatte ich mir schon als Schuljunge gewünscht.

¦¦¦¦¦¦¦¦¦¦¦¦

Moshe

Louisa

Beitragvon Louisa » 21.04.2009, 08:32

Also ob das wünschenswert ist stelle ich mal so dahin ;-)

Trixie

Beitragvon Trixie » 21.04.2009, 17:07

liebe lou,

1.eindruck:
das hört sich so wahr an, dass ich gar nicht sagen kann, ob es gut oder schlecht ist oder war oder sein wird... das ist wirklich verblüffend. es ist so fremd und doch so vertraut und irgendwie so lange her und dennoch so nah und einiges davon wünschenswert und anderes beneidenswert und manches einfach nicht. ich bin total fasziniert grade :-).
wie lange brauchst du für so ein textlein?
wenn du "morgens" jetzt noch ohne "d" schreibst, dann fände ich es noch wahrer ;-).
grüßchen
die trix

Lydie

Beitragvon Lydie » 21.04.2009, 17:18

LOVE IT 2!

:nicken:

Lydie

Louisa

Beitragvon Louisa » 21.04.2009, 22:46

Hallo Trixie!

Freut mich sehr, dass es dir gefallen hat. Also in manchen Rechtschreibdingern bin ich wirklich ein Vollidiot, das weiß ich auch :smile: ... Ja, "Morgens" klingt besser :smile: ... Danke...

Mm... das fragten mich schon viele, "wie lange schreibst du an diesem Text" ? - Ich schreibe gar nicht lange daran, höchstens eine viertel Stunde - Aber bevor ich das schreibe denke ich manchmal einen Monat lang immer über dieselben Formulierungen, Metaphern, Gefühlszustände, Träume und Gedanken nach... mache mir manchmal Notizen dazu... Bis dieser Zeitpunkt gekommen ist, das ich überhaupt etwas schreiben kann...ist also relativ viel Zeit vergangen.... Aber dann weiß ich eigentlich auch schon sehr genau, was ich schreiben will. Das ist dann so, als hätte ich mir wochenlang im Kopf dasselbe Lied vorgesungen und würde es jetzt nur noch abtippen... und oft verzweifle ich dann in dieser Zeitspanne des Nachdenkens, weil ich denke es wird mir niemals etwas einfallen, dass dieses "Gefühl" veranschaulichen, verwirklichen könnte... Es macht mich dann immer sehr glücklich, wenn ich es für mich selbst oder nur für eine einzige andere Person "verwirklicht" sehe... aber auch das gelingt nicht oft.

Ich bin übrigens mal wieder ziemlich angetütert *lach*, weil heute eine Verlegerin von Suhrkamp mir geschrieben hat, dass sie "gefesselt" vom ersten Teil des Romans sei und diese Woche wieder schreiben würde, ob sie es haben wollen oder nicht... Deshalb haben eine Freundin und ich schon den ganzen Tag gelebt, getrunken und gegessen wie Könige *schmunzel* ... Denn ich glaube: So lange es noch keine Absage ist, muss alles gefeiert werden :smile:

Lalala.... Ist das nicht irre :smile: ?

Danke auch dir vielmals, Lydie!

Ein schöner Tag :wub: !

:blumen:

l

Last

Beitragvon Last » 21.04.2009, 23:19

Ich bin übrigens mal wieder ziemlich angetütert *lach*, weil heute eine Verlegerin von Suhrkamp mir geschrieben hat, dass sie "gefesselt" vom ersten Teil des Romans sei und diese Woche wieder schreiben würde, ob sie es haben wollen oder nicht... Deshalb haben eine Freundin und ich schon den ganzen Tag gelebt, getrunken und gegessen wie Könige *schmunzel* ... Denn ich glaube: So lange es noch keine Absage ist, muss alles gefeiert werden smile


Als Kritik zu diesem Text wollte ich gestern schon schreiben, dass du ein gewisses Limit überschritten hast. Ich finde deine Texte nicht nur gut, ich würde bezahlen um sie lesen zu können. Und sowas sage ich nicht nur so dahin.
Für heute habe ich erstmal diesen Text ausgedruckt und zur Uni mitgenommen, weil ich eine längere Pause zwischen zwei Veranstaltungen hatte (das mache ich auch nicht oft). Es haben sich auch ein paar Gedanken entwickelt. Die schaffe ich aber heute nicht mehr niederzuschreiben.

LG
und Prost :prost:

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Zakkinen
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Beitragvon Zakkinen » 22.04.2009, 09:17

Habe diesen Text auch gern gelesen. Beinahe hätte ich schon bei "Unschlaf" aufgegeben, weil das so ein Wort ist, so eine "Kreation", die mir nicht behagt. Es ging danach aber gut weiter. Die Zeichensetzung lässt mich manchmal stutzen. Vielleicht ganz weg damit?
Verstehe auch nicht jedes Bild, muss ich aber nicht.
Gruß
Z

Louisa

Beitragvon Louisa » 22.04.2009, 14:10

Huhu Last!

ich freue mich, dass der Text/die Texte dich zu Tätigkeiten veranlassen, die nicht häufig sind :smile: und ich versuche dies als allgmein positive Bilanz zu interpretieren ;-) ...

Ich würde mich auch über eine Karierre als Gedanken-Prostituierte freuen :smile: ...

Viele eng stehende Leute antworten auf diesen kleinen Hoffnungsschimmer jetzt immer mit:

"Stell dir doch mal vor, die nehmen dich! Stell dir doch mal vor!"

und ich sage immer: "Ja, ich stell´s mir ja vor! Ich stell´s mir ja vor!"

und die anderen: "Na, was machen wir denn dann? Na, was machen wir denn dann?"

und ich: "Na, was sollen wir dann machen? Was sollen wir denn schon machen? Feiern natürlich! Das müssten wir dann feiern!"

und ein anderer einmal: "Ja! Das müssten wir feiern! Aber wo müssten wir das feiern??? Auf dem Mars müssten wir das feiern! Auf dem Mars!"

... und so geht es jetzt schon seit Monaten... ich werde langsam verrückt! Das ist ja furchtbar diese Verlagssuche, wenn man niemand kennt und keinen Preis gewonnen hat... Mich macht das jedenfalls richtig wahnsinnig :smile: ... Das fühlt sich an, als ob man jeden Tag ein Kind kurz vor Weihnachten ist, dass nicht ins Zimmer zu den Geschenken gehen darf!

Aber zurück zum Text :smile: !

Huhu Zakkinen!

Haha...wie schön! Auch mich lässt die Zeichensetzung oft stutzen! An welchen Stellen stutzt du denn besonders?

(Früher dachte ich immer man könnte als Ausrede nehmen, dass ich ja als Kind noch die alte Rechtschreibung gelernt habe, aber in Wirklichkeit habe ich gar keine, weder die alte, noch die neue je wirklich gelernt, sondern immer alles nach Gefühl entschieden :smile: ... Ich habe auch erst im Abitur verstanden wieso es manchmal "dass" heißt :smile: ... Aber ich freue mich immer, wenn es richtig ist... Beherrscht hier also jemand die Rechtschreibung?)

Ich weiß nicht ganz, was du mit "Bild verstehen" meinst. Ich "verstehe" auch nicht jedes Bild, zum Beispiel von Picasso - kann mir aber trotzdem etwas darunter vorstellen, was gemeint sein "könnte"... was für mich gemeint ist...

Liebe Grüße an alle!
l

Louisa

Beitragvon Louisa » 22.04.2009, 14:14

PS: Zakkinen, dir Frage bei mir war: Was "hat" man, wenn man "keinen Schlaf" hat? Und es funktioniert meiner Ansicht nach nicht zu sagen "Müdigkeit" - Weil das ja eher ein Zustand ist wie "Wachheit" - Aber ich finde es gibt nichts, es gibt kein Substantiv, dass man haben kann, wenn man keinen Schlaf hat. Jedenfalls fällt mir keines ein - Schon gar keines, an dem man "festhalten" könnte...

Louisa

Beitragvon Louisa » 22.04.2009, 16:01

PS II: Ich weiß, man soll nicht auf seine eigenen Beirtäge antworten, aber es geht nicht anders :smile: ... Ich wollte nämlich nur auf Grund der Allgemeinheit die Euphorie wieder stoppen, da die Dame des Suhrkamp-Verlages anrief und meinte ich solle lieber bei meinem kleinen Verlagspartner bleiben und ihr nächstes Jahr ein neues Buch schicken... Ein normaler Mensch würde sich wahrscheinlich darüber freuen, ich bin aber zu größenwahnsinnig, um mich darüber zu freuen :smile: ... Naja, vielleicht ist ein kleiner Verlag doch nicht so schlimm :smile: .... So werde ich jedenfalls nie meine Miete bezahlen können :smile: ! Hilfe! Hilfe! Vielleicht könnte man mich aus sozialen Gründen verlegen :smile: ?
- Den kleinen Verlag treffe ich nächste Woche... der erste, den ich treffe... hoffentlich bedeutet das etwas Gutes.

(Suhrkamp hätte jedenfalls wissen müssen, dass ich eine Kampagne sondergleichen gestartet hätte, die uns alle miteinander steinreich gemacht hätte, die sozusagen die Finanzkrise überwunden hätte, jawohl :smile: !)

Sprecht ruhig weiter über das Gedicht und ignoriert mich :smile: !

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Zakkinen
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Beitragvon Zakkinen » 22.04.2009, 16:05

Hmm, das deutsche Wort ist Schlafentzug. Klingt nicht richtig gut. Ebensowenig wie Übermüdung.

Das Schwarze ist mir nicht klar. Vielleicht, weil ich kein Mädchen bin.

Und Schaum vor dem Mund erinnert mich an Tollwut - ist vermutlich nicht gemeint.

Servus,
Z

Louisa

Beitragvon Louisa » 22.04.2009, 16:12

Ich finde aber nicht, dass "Schlafentzug" und "Übermüdung" wirklich das Gegenteil von "Schlaf" sind. Das erste schon eher... aber ich glaube "unschlaf" trifft es doch besser... Darin steckt ja auch, dass der Schlaf, der betrieben wird, kein "wirklicher" ist.

Mm...Vielleicht fällt dir ja auf, dass das Gedicht einen Bruch, einen Bild- und Stimmungswechsel besitzt. Dann dürfte dir auch das "Schwarze" etwas heller erscheinen ;-)

Von mir aus ist "Tollwut" gemeint. Es reicht ja schon, dass es etwas Unangenehmes ist oder?

Guten Tag!
l

Last

Beitragvon Last » 23.04.2009, 18:23

Hallo Louisa,

ich habe ja versprochen, meine Gedanken zum Text zu schreiben, und finde jetzt auch die Zeit dazu. Mal schauen ob mich das Schreiben selbst dem Text und seinen Mysterien, deren es viele gibt, näher bringen kann.

Ich werde versuchen einmal das zu schildern, was ich als zentrale Aussagen des Textes ansehe, und zum anderen seine Mysterien etwas aufzulösen. So ganz wird das nicht funktionieren, weil alles auf wunderbare Art miteinander verwoben ist. Das verschafft mir den Vorteil, dass ich nur eine Skizze meiner Gedanken verfassen muss, und mir somit die Option offen halte mir selbst zu widersprechen.


Ein Umbruch


Das strukturell bedeutsamste Mysterium des Textes ist wohl der Bruch zwischen Strophe vier und fünf. Hier wechselt scheinbar die Thematik. Was leise Gesellschaftskritik war, wird plötzlich zum schüchternen Liebesgedicht. Was sich erhält ist lediglich der hintergründige Humor, der so vielen deiner Texte zu eigen ist.
Ich frage mich was dieser Umbruch zu bedeuten hat. Welche Aussage ist damit verbunden? Welche Hinweise geben mir die Strophen? Was bricht sich noch alles an dieser Stelle?
Nun, es tritt auch das lyrische Ich in den Vordergrund, indem es sich aus dem lyrischen Wir löst. Das scheint mir auch ein emanzipatorischer Gedanke zu sein. In Strophe sechs lautet es: „Während die anderen Mädchen die Bänke/ drücken, bis die Klasse zu Trümmern zerfällt“. Deshalb sind es auch genau drei Schulmädchen. Man könnte nicht von den anderen im Plural sprechen, wenn lyr. Ich nur eine Freundin hätte. Andererseits würden sich die Mädchen untereinander immer weniger gut kennen, desto mehr sie sind: „wir drei Schulmädchen kennen einander,/ aber keine physikalische Formel genau“. Woraus sich lyr. Ich da löst, muss jetzt festgestellt werden, genau so wie das, wo es nun hinein gerät.


Gesellschaftskritik

Ich erkenne einen zurückhaltenden Feminismus, der sich durch diesen Text zieht. Er grenzt sich scharf ab von dem lauten Feminismus der letzten Jahrzehnte, der gesellschaftliche Verhältnisse kippen wollte und jede noch so kleine Form des Patriachismus entschieden angriff, indem z.B. plötzlich statt von Gott, dem Herrn, dem Vater, von einer Göttin gesprochen wird. Der Feminismus dieses Gedichts ist selbstkritischer. Trotzdem macht er auf Geschlechterrollen aufmerksam. Wie schnell man ihnen verfällt, wie leicht es sich darin leben lässt, welchen Kummer sie gleichzeitig bereiten.
Die Unmündigkeit der Schulmädchen steht im Vordergrund. Ihr kleines Leben ist portioniert bis in ihre Träume („trinken die Träume aus/ Trinkpäckchen“), wobei das Enjambement darauf aufmerksam macht, wie diese kleinen Portionen leer gesaugt werden. Und genau das geschieht vor dem großen Bruch des Textes. Die Geschlechterrolle wird leer gesaugt. So liegen die Klarheiten, also die Ordnung, die die kleine Schulmädchenwelt durch das Portionierte gewinnt, nicht brach sondern brav. Das Bravsein ist die Schuld der Mädchen, sie nehmen die Rolle an, die sie gleichermaßen glücklich wie unglücklich macht. Ähnlich verhält es sich mit der Kleidung, der zu ihrem Charakter wird, weil sie ihn dazu machen, mit der Gefahr, daran für immer verhaftet zu sein („heute und morgen“) und ein Ausbruch ist nicht möglich („anstatt scharfer Munition“).
Die schwachen Waffen der Mädchen verpuffen an der groben Oberfläche („Papierkügelchen“), was für ein innerer Schmerz muss sich also hinter der Fassade verbergen? Die Mädchen sind wehrlos, weil sie unmündig sind, kennen ihren inneren Schmerz, ihren Unschlaf, aber wissen nicht heraus („kennen einander,/ aber keine physikalische Formel genau“).


Liebe als Ausbruch und Zusammenbruch

Nun muss lyr. Ich diese schmerzhafte Alltagswelt verlassen, es kann sie nicht mehr ertragen („Während die anderen Mädchen die Bänke/ drücken, bis die Klasse zu Trümmern zerfällt“). Wohin flüchtet die Protagonistin und Ich-Sprecherin? In den gesellschaftlichen Umbruch nicht. Sie flüchtet sich in ein naives Techtelmechtel, das leider Gottes nicht nur als Leidenschaft eine Flucht aus den geordneten Verhältnissen ist, sondern auch ein Überbleibsel aus dieser Ordnung, deshalb lautet es auch „wo meine Schulmädchenliebe noch wartet“, obwohl diese Liebe vorher nie erwähnt wurde. Lediglich kam sie in diesem Vers vor: „man sieht sich/ bis zur Hochzeit, bis zur Chef-Etage, man“ Eine Vers, der auf „man“ (=Mann?) endet und damit eben auch die Geschlechterrolle anspricht, man macht das eben so.
Neben dem Ausbruch ist die Liebe also auch ein Einbruch. Das lyrische Ich gibt einem Druck nach, dem es nichts entgegenzusetzen hat. Der Text rüttelt gleichermaßen wach und entschuldigt. Diese Widersprüchlichkeit wird thematisiert in Strophe sieben („so zum Kotzen schön war die Zeit, so witzig ist sie vorbei“). Witzig bedeutet oberflächlich, trivial, unbedeutend aber auch fröhlich.


Die Vereinigung von Geschlechterrollen als Fazit des momentanen Stands der Emanzipation

In der letzten Strophe werden wir Zeuge einer Umarmung des weiblichen Protagonisten mit ihrer Jugendliebe, die nicht als Erinnerung sondern als gesellschaftliche Funktion zu werten ist. Die Jugendliebe bringt aber auch die Rolle der Männlichkeit mit einem vermeintlichen Überschuss an Testosteron zur Sprache („Dir läuft der Schaum weiß aus dem Mund“), wobei das dem lyrischen Du peinlich ist, was auf eine ähnliche innere Zwiegespaltenheit der männlichen Geschlechterrolle hinweist. Diesen Konflikt des lyrischen Du versucht lyr. Ich zu übersehen, nach gesellschaftlicher Etikette ist das höflich, nicht den Schmerz der anderen zu sehen und sie damit alleine fertig werden zu lassen. Der Grund ist eine gewisse Angst voreinander. Würde man den Schmerz des Anderen, die gesellschaftliche Last, die er mit seiner Rolle mit sich herumschleppt, sehen, dann bedeutete das ja auch Konfrontation mit dem eigenen Schmerz und der eigenen Schwäche und letztlich der eigene Schuldigkeit (Kant sprach von selbst verschuldeter(!) Unmündigkeit): „und wir fürchten uns bei der Umarmung/ noch weh zu tun.“ Außerdem möchte man dem gesellschaftlichen Druck, vor dem man in die Liebe geflohen ist, ja entgehen, indem man ihm nachgibt und hat dementsprechend Angst in der Liebesbeziehung die gleichen Geschlechterrollen annehmen zu müssen, die wieder den gleichen Druck evozieren.


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