Acrylmalerin

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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Amanita
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Beitragvon Amanita » 04.09.2010, 23:27

Acrylmalerin


Heut lässt sie
sich feiern
von blinden
Vergoldern
vermählt sich munter
mit ihrem Cyan

stellt raschelnde
Blüten auf
klackernde Schemel
ihr rüschiges
Kleid streift
Leinwandgeflügel

die großen Worte
die sie
gern hätte
zerknallen
auf rosa
Plastiktapete.

Max

Beitragvon Max » 13.09.2010, 11:38

Liebe Amanita,

da bin ich gerade mal neugierig: Was ist an Cyanblau schlechter als an Eisenrot oder Limongelb ... vielleicht kann ich das nur fragen, weil ich das Malen (fast) immer meinem Bruder überlassen habe :-)

Liebe Grüße
Max

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 13.09.2010, 11:43

Hallo Amanita,

die Schwierigkeit für mich ist, dass ich ja nur die Aussage des Gedichtes habe und weder die Bilder sehe, noch die Künstlerin erlebe, noch die Redner höre. Ich kann mir kein eigenes Bild machen. Von daher beleuchtet es für mich eher das sprechende, urteilende Ich und ich frage mich, was zu dieser "Kritik", dieser Sicht auf die Künstlerin motiviert. Für mich schwingt durch den Tonfall, die Art des mit dem Finger auf die Künstlerin Zeigens eine gute Portion Missgunst und Neid mit, eine eigene Unzufriedenheit...
Doch wer sensibel genug ist, spürt, dass es das leider doch nicht "war", also auch die Künstlerin selbst spürt es.

Kritik ja, aber weniger an ihren individuellen Bildern, sondern am Prinzip des inflationären künstlerischen Schaffens, das sich als Kunst gibt aber immer noch einen Schritt von wirklicher Kunst entfernt ist.
Das impliziert aber, dass die eigene, sensible Wahrnehmung die einzig wahre ist? Dass man sich selbst in einer Position sieht, um dieses Urteil sprechen zu können und auch noch in die anderen Menschen und ihre Wahrnehmung hineinschauen zu können, ihnen zu sagen, wie sie in Wirklichkeit fühlen? Mich lässt dieses Herabschauen, die eigene Erhöhung eher zurücktreten und hinterfragen, als dass ich das dem Gedicht dann als gezeigte "Wahrheit" und somit auch als Kritik am tatsächlichen "Sosein" abnehmen würde. Vielleicht wäre es für mich aus der Ich-Perspektive heraus tatsächlich eher möglich gewesen das Gedicht deiner Intention gemäß zu lesen.

Liebe Grüße
Flora
Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 13.09.2010, 11:57

Keine Farbe ist "schlecht", aber Cyanblau ist eine soooo durchdringende Farbe, und in manchen "Kreisen" wird sie halt gern ohne Abtönung benutzt. Eventuell wird dagegen sogar noch eine unbunte Farbe gesetzt, die den Eindruck ungut verstärkt.

Es wurde (und wird wohl noch) in diesen Malkursen übermäßig stark vermittelt, dass man "von der Leber weg" malen soll/darf, und viele wünschen ein leuchtendes Blau - und wissen nicht, dass Cyan in der Druckereitechnik nur eine "Grundfarbe" ist, die sich mit (hauptsächlich) Magenta* erst zu einem wirklich leuchtenden Blau mischt.

* "Pink" - auch so eine aufdringliche Farbe, wenn sie pur benutzt wird (kommt aber seltener vor)

und an Quoth: Ja, ich habe viele Jahre mit Farbe gearbeitet, es ist nicht so, dass ich meinen Grisailles der letzten Monate das Wort reden will.

Nein, weder Neid noch Missgunst, Flora.

Vielleicht bin ich zum Teil sogar selbst gemeint - das lasse ich offen. Ich habe auch mal angefangen und wäre vor Stolz fast geplatzt. Die "blinden Vergolder" sind ja auch als erstes mal Verwandte und Freunde!

- vielleicht entbindet mich das vom Vorwurf der Arroganz?

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 13.09.2010, 12:06

Hallo Amanita,
Nein, weder Neid noch Missgunst, Flora.

Vielleicht bin ich zum Teil sogar selbst gemeint - das lasse ich offen. Ich habe auch mal angefangen und wäre vor Stolz fast geplatzt. Die "blinden Vergolder" sind ja auch als erstes mal Verwandte und Freunde!

- vielleicht entbindet mich das vom Vorwurf der Arroganz?
Es geht doch gar nicht um dich, sondern um den Text. Der Text vermittelt mir dieses Gefühl, er zeigt für mich, wenn ich mir deine Intention dazu anschaue, in die falsche Richtung, nämlich auf den Sprechenden, Urteilenden und nicht auf die Künstlerin oder die Kunstszene.

Liebe Grüße
Flora
Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

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leonie
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Beitragvon leonie » 13.09.2010, 12:15

Liebe Amanita,

vielleicht ist es wirklich diese Perspektive: Geht es um die Wahrnehmung der Acrylmalerin, um die Selbsterkenntnis, die ja trotzdem durch die "sie"-Form von außen konstatiert würde? Oder deckt die Autorin auf, was die Acrylmalerin nicht bemerkt (was eher dem "Hurz" nahe käme)?

Ich glaube, das verwirrt an dem Text und ist nicht ganz deutlich.

Ich meinte gar nicht alle Adjektive, sondern eher das ein oder andere...

Liebe Grüße

leonie

Trixie

Beitragvon Trixie » 13.09.2010, 12:57

Hallo Amanita,

also, ich lese: Eine Frau will Kunst machen. Experimentiert herum, macht alles hübsch und schön und Schleifchen fertig und kriegt dafür übermäßiges Lob von bestimmten Menschen, das sie aber nicht befriedigt, da das wohl nicht die Meinung derer ist, die ihr wichtig wären, sprich "echte" Kunstkritiker oder sowas und beinah trotzig macht sie einfach weiter mit "ihrer Kunst" - vielleicht auch ein Teufelskreis, weil sie sich selbst nicht darum bemüht, die "richtigen" Leute zu finden und anzusprechen, sondern die Eitelkeit/Arroganz besitzt (Hochzeitskleid etc.) entdeckt zu werden und die Enttäuschung sie dann immer mehr festfahren lässt, von wegen "das was ich mache, ist aber gut, pah!" - da kommt für mich schon was an, ein Bild, wie eine einsame Täzerin in rosa tütü, die in ihrem Wohnzimmer tanzt und sich nicht verbessert, weil sie denkt, das hat sie nicht nötig, sie ist ja Künstlerin, und dass jemand an ihre Türe klopft und ihr sagt "dich wollen wir beim Ballett XY". Ein bisschen stupide, festgefahren, uneinsichtig, trotzig, eitel, aber auch einsam und enttäuscht. Das sind so die Gefühle, die ich aus den Worten herauslese. Eine verkannte Künstlerin, die vielleicht gar keine ist? Das bleibt letztendlich dem Leser überlassen, er wird quasi miteingebunden in die gewünschte Kritik.

Für mich schon irgendwo ein tiefsinniger Text, den man auch von der Malerei auf andere (künslerische) Lebensbereiche übertragen kann.

Was für mich ein wenig unpassend ist, ist der Wunsch nach "großen Worten" - das könnten genau so gut die Worte der Vergolder sein. Da wäre für mich zum besseren Verständnis ein anderes Wort passender, vielleicht wichtig/kritisch/hilfreich/objektiv/konstruktiv/ernsthaft/authentisch - das stellt für mich den Wunsch nach einer "professionellen" Meinung besser dar, denn große Worte sind ja eben genau das, was du auch hier irgendwo in dem Faden kritisierst von wegen "große Worte und nix dahinter" und genau den Wunsch hat sie ja, meinem Verständnis nach, nicht, sondern eben den Worten von jemandem "der Ahnung hat".

So verstehe ICH den Text und ich mag das Bild, das er in meinem Kopf malt.

Liebe Grüße
Trixie

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 13.09.2010, 14:19

Liebe Trixie, besser hätte man den Text nicht zusammenfassen können - genau das will er sagen, mit allen individuellen "Schwankungen" natürlich.

Mit den "großen Worten" hast Du vielleicht auch recht, ich habe sie wegen des schlichten Klangs gewählt - und weil sie m. E. am besten auf die öffentliche Rede verweisen. Die sich die "vergoldenden" Verwandten meist doch nicht zutrauen. Oder, was auch vorkommt: Die "großen Worte" werden zur Peinlichkeit - das wäre dann mein Hurz - und (Träume) zerplatzen.

"Wichtig" hätte in dem Zusammenhang noch mehr "Überhebliches", finde ich; Deine anderen Vorschläge stimmen alle, aber sie haben mir zu wenig "Öffentlichkeit". Hilfreich z. B. wäre ein Künstler, der mit der Acrylmalerin ganz in Ruhe durch die Ausstellung geht - nur mit ihr allein - und ihr ein paar Details erklärt.

Trixie

Beitragvon Trixie » 13.09.2010, 14:27

Hi Amanita,

ja, ich verstehe die Problematik-alles andere würde einfach von der Sprachform her nicht so gut passen.

Darf ich mal ganz blöd fragen (ich hab bei google irgendwie nix gefunden) was es mit dem Wort "hurz" auf sich hat?! Nie gehört und nie gesehen :eek: ...

Grüße
Trixie

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Zefira
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Beitragvon Zefira » 13.09.2010, 14:42

Liebe Trixie, schau mal hier: http://www.youtube.com/watch?v=MJ7jbQJXF68
Ich glaube, das Wort "Hurz" steht sogar in der Wikipedia.
Seit Hape Kerkelings Sketch ist es ein Synonym für sich als Kunst ausgebenden Schwachsinn.
Welcher ja manchmal durchaus auf der Metaebene als Kunst daherkommt.

Viel Spaß,
Zefira
Vor der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.

(Ikkyu Sojun)

Trixie

Beitragvon Trixie » 13.09.2010, 14:59

hi zefi,
dankesehr (hab doch kein tooon), auf die wikiseite von hape wurde ich auch verwiesen, aber da hab ich dann gedacht, das kann nich sein, da hatt ich dann auch keine lust, mir die ganze seite durchzulesen, nur um am ende festzustellen, dass es war ganz anderes ist als das, was ich gesucht habe, öhm.
wieder schlauer :-)!
grüßle
trix

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 13.09.2010, 15:04

Mit anschließender Diskussion:


http://www.youtube.com/watch?v=RAx0P-8n5K4&NR=1


(aber da ist das Bild so schlecht, dass es ohne Ton eine Quälerei wäre - HURZ!)

Quoth
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Beitragvon Quoth » 13.09.2010, 18:25

Hallo, Amanita und andere Beteiligte,

das mit dem "Hurz" halte ich für ein Nebenthema. "Hurz" war ein bewusster Ulk, mit dem Hape Kerkeling ein verunsichertes Publikum aufs Glatteis führte.
Einen solchen Ulk hatte die "Acrylmalerin" mit Sicherheit nicht im Sinn, sie hat an Wert und Bedeutung ihrer Arbeit geglaubt - nach Deiner Auffassung, Amanita, unberechtigter Weise. Wie unberechtigt das war, können wir nicht nachvollziehen, da wir die Bilder der "Acrylmalerin" nicht kennen. Wir müssen uns da auf Dein sehr selbstbewusst, ja, herablassend vorgetragenes Urteil verlassen.
Wäre die "Acrylmalerin" Kollegin hier im Forum, ich bin sicher, Du hättest den Text nicht oder sehr viel anders geschrieben. Der Eindruck, hier werde eine unbekannte und abwesende Künstlerkollegin mit Häme bedacht, da sie sich ja nicht wehren kann, ist nicht an den Haaren herbeigezogen.
Einen Ansatz dafür, Du bezögest Dich auf Dich selbst, kann ich dem Text nicht entnehmen
Gruß
Quoth
Barbarus hic ego sum, quia non intellegor ulli.

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leonie
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Beitragvon leonie » 13.09.2010, 18:49

Also, Quoth, ehrlich gesagt finde ich es auch befremdlich, dass Du offenbar besser weißt, was Amanita aussagen will als sie selbst...
Selbst wenn sie das intendieren würde, was Du herausliest (was sie ja nicht einmal tut), könntest Du ihr doch durchaus das Recht zugestehen, sich kritisch zur Kunst anderer zu äußern. Vor allem, nachdem Du ihr doch gerade ziemlich unverblümt (vielleicht sogar herablassend?) gesagt hast, dass Du mit ihren Linolschnitten nichts anfangen kannst.

Erstaunte Grüße

leonie

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 13.09.2010, 19:00

Ich versichere, Quoth und anderen: Ich hatte keinen realen Menschen im Sinn, als ich diesen Text schrieb. Es ging wirklich um eine Summe von Begegnungen.
Es stimmt, man kann dem Text nicht entnehmen, dass ich selbst (mit-)gemeint sein könnte; deshalb habe ich es in meine Erläuterungen aufgenommen. Das ist aber auch nicht wesentlich.

Wer mir schreibt, er würde meine Ausstellung vermutlich nicht besuchen, selbst wenn er sich in der entsprechenden Stadt aufhielte ... hm, hm, hm. Ganz ehrlich, das ärgert mich jetzt noch (obwohl ich weiß, dass ich das überleben werde, Quoth) - eben wegen Herablassung. Steckt nicht in uns allen ein Fünkchen Herablassung ... :daumen: ???


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