Acrylmalerin

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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Amanita
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Beitragvon Amanita » 04.09.2010, 23:27

Acrylmalerin


Heut lässt sie
sich feiern
von blinden
Vergoldern
vermählt sich munter
mit ihrem Cyan

stellt raschelnde
Blüten auf
klackernde Schemel
ihr rüschiges
Kleid streift
Leinwandgeflügel

die großen Worte
die sie
gern hätte
zerknallen
auf rosa
Plastiktapete.

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fenestra
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Beitragvon fenestra » 14.09.2010, 16:30

Was einige von uns Künstlern schon immer störte, nämlich, dass wir jedes Mal "mit drauf" sollten aufs Foto, wo doch ein Blick in den Galerieraum viel schöner gewesen wäre


Ich bin persönlich da vollkommen deiner Meinung! Ich mache in meinem Beruf viel Pressearbeit - und habe dort die Erfahrung gemacht, dass eben meistens das Bild mit "Köppen drauf" veröffentlicht wird. Das Interesse für die Sache an sich wird offenbar erst durch bestimmte Repräsentanten, die sich für diese Sache auch interessieren, geweckt.

Das Beispiel der Sportberichterstattung habe ich nur genannt, weil man dort die Latte, ab der etwas veröffentlicht wird, auch nicht so hoch hängt. Warum sollte man das bei anderen Freizeitbeschäftigungen denn tun? Weil der Begriff "Kunst" vor Inflation geschützt werden soll? Wer sich wirklich intensiver mit Kunst auseinandersetzt, wird die Unterschiede schon bemerken.

Das Herumstöckeln und Arrangieren (auf das die Rüschen verweisen sollen) kommt sehr schön herüber in deinem Text.

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leonie
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Beitragvon leonie » 14.09.2010, 16:33

Im Grunde ist es doch in der Literaturlandschaft ähnlich. Wenn Du einen bekannten Namen hast, kannst Du den letzten Scheiß schreiben, es wird trotzdem veröffentlicht. Und wenn Du dann noch ordentlich provozierst, ist das Klingeln der Kasse gebont. Das zählt. Qualität ist doch da in vielen Fällen reichlich egal...

Quoth
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Beitragvon Quoth » 14.09.2010, 20:19

Hallo, Flora,

schon in Deinem vorletzten Kommentar hast Du mit
Es geht doch gar nicht um dich, sondern um den Text. Der Text vermittelt mir dieses Gefühl, er zeigt für mich, wenn ich mir deine Intention dazu anschaue, in die falsche Richtung, nämlich auf den Sprechenden, Urteilenden und nicht auf die Künstlerin oder die Kunstszene.

ein weises Wort ausgesprochen, für mich das Weiseste dieses Fädchens. Du hast es in Deinem letzten Kommentar noch ein wenig erweitert:
(...) immer bleibt mir das Gefühl zurück, dass der Text, das sprechende Ich, mich auf seine Seite ziehen möchte, ich einstimmen soll ins Urteil, nicken und tatsächlich "blind" mitlästern/kritisieren. Und da nehme ich zumindest dann eher eine kritische Haltung ein und hinterfrage, egal, ob er nun ein schlechtes Licht auf die angebliche Möchtegern-Malerin, die mit ihrer "Kunst" protzt, werfen soll, oder den Ausstellungsbetrieb, oder inzwischen auf die "dümmliche Umgebung". Wie gesagt, für mich geht es so nicht auf.

Prägnanter kann man die Schwäche des Textes nicht herausarbeiten!
Gruß
Quoth
Barbarus hic ego sum, quia non intellegor ulli.

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 14.09.2010, 20:32

Quoth hat geschrieben:Prägnanter kann man die Schwäche des Textes nicht herausarbeiten!


Na, das ist doch ein Donnerwort!

Nicole

Beitragvon Nicole » 15.09.2010, 08:05

Guten Morgen alle zusammen,

diskutieren wir hier nun den Kunstbegriff, den Unterschied zwischen (Mal) Technik und Kunst oder das Niveau von Volkshochschulkursen?
Meiner Ansicht nach ist die Bezeichnung eines solchen Kurses "Malen mit Acryl" doch erstmal völlig wertneutral und kann auch gar nicht gewertet werden. Es ist doch bloß die Bezeichnung WAS mit WELCHEM Material getan werden soll. Damit man es von einem Malkurs mit Öl oder Aquarellfarben unterscheiden kann. Ich habe noch nie einen Kursplan gesehen, in dem stünde "wir machen Kunst mit Acryl" oder "wir klatschen Acrylfarbe auf eine Leinwand und nennen uns Künstler"... Die "Lästerei" oder Wertung liegt da m.E.n einzig und allein im Auge des Betrachters.
Grundsätzlich ist es so, daß man nunmal eine Technik braucht um etwas herstellen zu können. Sei es nun Kunst, Handwerk oder einfach nur "ein Erzeugnis".
Mir ist nicht bekannt, das es eine allgemein gültige Messlatte gibt, die objektiv angibt "bis hierhin Murks, ab hier Kunst". Auch da liegt doch vieles im Auge des Betrachters. Ohne Technik geht es nicht aber auch die ausgefeilteste Technik macht noch keinen Künstler. Und, um das Thema Stricken nochmal aufzugreifen: Auch ein Fair-Isle Pullover mit 20-25 aufeinander abgestimmten Farben, mit einem durchdachten und designten Muster ist für mich mindestens meisterliches Handwerk, in vielen Fällen ein Kunstwerk, ähnlich einem Gemälde. nur, das das Material eben nicht Acryl, sondern Faser heißt.
Ein Bildhauer in meiner Nähe gibt Kurse. An einem Wochenende entstehen dort kleine Skulpturen und Reliefs, von "Otto-Normalos" hergestellt. Ist der irische Knoten, der in meinem Garten steht nun Kunst? Oder nicht?
Was unterscheidet einen "echten Künstler" von einem "Möchtegernkünstler"? bzw wer hat das Recht, dies zu entscheiden?
Und, um nun auf dem Text zu kommen - er macht sich bei mir unbeliebt. Weil er, so wie ich ihn lese, trieft vor Herablassung. Er gibt mir als Leser nicht die Chance, mir selber ein Bild zu machen, ob ich das Tun nun großartig finde, oder nicht. Er schiebt mir mit seinen Formulierungen schon die Deutung des Geschehens unter. Und das paßt mir nicht, ich bin "groß" und mag selber entscheiden.
Und, noch eine Anmerkung, quasi off topic:
Ja, ich finde es legitim, wenn sich jemand (eine 80 jährige Oma als Malerin oder auch ein 9 jähriger im Judo) feiern läßt. Wenn sich jemand findet, der das Getane großartig findet, ist das eine tolle Sache. Und, ob das am Ende nur "Möchtegern" oder "Kunst" war, spielt für mich da keine entscheidende Rolle.
Wenn die Acrylmalerin (ob nun eine spezielle oder eine Gruppe von VHS-Malern, echt, oder fiktiv) ein Publikum findet, das sowohl den Rahmen, als auch die Werke toll finden - fein. Das "Künstler-sein" oder nicht, entscheidet weder der Auftritt noch die Darbietung der Werke.

Nicole

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 15.09.2010, 08:27

Nicole hat geschrieben:Auch ein Fair-Isle Pullover mit 20-25 aufeinander abgestimmten Farben, mit einem durchdachten und designten Muster ist für mich mindestens meisterliches Handwerk [...]


Genau das schrieb ich aber selbst schon - wenn auch nicht bezogen auf so ein schönes Beispiel.


Den Kunstbegriff lasse ich offen, ich will mich nicht anmaßen zu urteilen, was Kunst ist oder nicht. Daher "zeige" ich die Bilder der Acrylmalerin ja auch nicht. Gleichwohl gibt es eine Grenze; das werdet Ihr als Autoren doch auch erfahren? Bis hierhin akzeptabel, aber jenseits davon Stümperei? Ich kann mir nicht vorstellen, dass Ihr jedes Gebilde aus Worten ernst nehmen könnt; mir fallen da diese Geburtstagsgedichte ein, die sich im Anzeigenteil der Tageszeitungen tummeln. Könnt Ihr die ohne jede "Herablassung" ansehen? Das kann ich nicht glauben!
Es geht mir doch nicht darum, Kollegenschelte zu betreiben!
Ich schrieb schon an anderer Stelle, dass es (u. a.) die Selbstüberschätzung ist, die ich zum Thema gemacht habe - die eben auch durch eine "dümmliche" Umgebung gefördert wird. Habe ich eine Ausstellung, muss da ja was dran sein an den Bildern, und wer so gar nicht malen kann (oder will), entwickelt allein schon vor der Tatsache, dass ich die Ausstellung mache, Respekt ...
Im übrigen finde ich es gar nicht schlimm, wenn ich Euch nicht mit einem wohligen Gefühl zurück lasse.
Der Text hat sicher seine Schwächen, aber er zieht immerhin einen Rattenschwanz von Kommentaren hinter sich her - das finde ich schon okay, zumal sich diese Reaktionen im Detail ja durchaus unterscheiden.

Klara
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Beitragvon Klara » 15.09.2010, 09:01

mir fallen da diese Geburtstagsgedichte ein, die sich im Anzeigenteil der Tageszeitungen tummeln. Könnt Ihr die ohne jede "Herablassung" ansehen? Das kann ich nicht glauben!


Na klar kann man das. Es geht vielleicht um die Frage der "Liga" (wenn man das mal versuchsweise sportlich betrachtet): Schaut ein Profi-Fußballer auf die kickende F-Jugend oder auch auf die Altherren des FC Posemuckel mit Herablassung - aber nein! Waurm sollte er! Er spielt doch in einer ganz anderen Liga und tritt nicht gegen sie an - und wenn er es täte, dann nicht mit Herablassung, sondern mit sportlich-menschlich-freundschaftlicher Förderungshaltung. Weil es gut ist, wenn Leute Sport machen, weil das in der Breite gut ist, egal, welches Ergebnis dabei heraus kommt, und natürlich gehört dazu, dass die Mannschaft der F-Jugend sich feiert, sich feiern lässt, wenn sie gegen die F-Jugend eines anderen Vereins gewinnt.

Darin, in dieser Haltungsfrage, liegt für mich die Schwäche nicht des Textes, sondern der ihn verteidigenden Argumentation: Was veranlasst mich, "Künstlerin", über die Acrylmalerin, "MÖchtegern-Künstlerin" mich in einer Art zu erregen, die nicht liebevoll, freundlich-neckend oder satirisch-boshaft ist, sondern so bar jeder Bereitschaft, eine Zuwendung, ein Verständnis oder eine Art von Leben-und-Leben-Lassen (bzw. Malen-und-Malen-Lassen)-Humor mitzuführen? Warum bin ich, "KÜnstler" so erbost über Nichtkünstler, die sich für Künstler wähnen? Warum stehe ich da nicht - ganz ohne Herablassung drüber? Warum muss ich ein "Gedicht" darüber schreiben und mich darüber mokieren, dass nicht jeder sofort weiß, dass reines Cyan-Blau unter echten Künstlern ein "Don't" ist. (Im Übrigen finde ich solche Don'ts und In's und It-Girls oder It-Materialien oder Must-have-Techniken eher hinderlich, um den eigenen Ausdruck zu finden - egal, in welcher künstlerischen "Branche".) Das wäre alles lustig, wenn es lustig wär. Der Humor - fehlt so schmerzlich in diesem Text und der Debatte. Das Augenzwinkern. Es wird so bierernst über die Acrylmalerin gelästert und alles, was aus Sicht des Lästerer gegen sie einnehmen kann. Dieses Bierernste wird, glaub ich, viel zu oft mit Bedeutung verwechselt - mit KUNST ;)

Wisst ihr, was auch spannend ist? Das eigene Wahrnehmen des Eigenen.

Wer weiß, was in der Acrylmalerin vorgeht, oder wie schade es wäre, für sie, für ihre Umgebung, wenn sie nicht malte? Aus völlig unkünstlerischen Gründen schade?
Und nimmt sie denn mit ihrer Cyan-Begeisterung der "echten" Kunst etwas weg? Aufmerksamkeit, Geld, Anerkennung, Ruhm? Ich glaub nicht... Oder wenn doch... sollte die echte Kunst das nicht kratzen, sondern weitermachen. Möglichst ohne Dünkel, möglichst mit so viel Selbstkritik wie möglich. Kunst wird ja nicht dadurch Kunst, dass anderes Hergestellte keine Kunst ist. Sondern durch sich. Und da hört dann eben der Vergleich mit dem Sport und dem Wettbewerb auch auf: Kunst ist kein Wettbewerb, sondern gekonnter Ausdruck, Kommunikation in Form und Inhalt, von Form und Inhalt, Aufhebung der Grenze von Form und Inhalt etc. Ich will den Kunstbegriff hier gar nicht thematisieren, spüre aber, wie man geneigt wird, die arme so hässlich dargestellte Acrylmalerin zu verteidigen gegen diese unfairen (auch unnötigen) Angriffe aus einer ganz anderen Liga. Es fühlt sich sozusagen an wie ein böses Foul, oder eine Art Rache, die an falscher Stelle platziert wird.

Ansonsten stimme ich Flora in der Einschätzung des Textes und Nicole in der Einschätzung der Debatte zu.

Und sehe keine Veranlassung, Geburtstagsgedichten mit Herablassung zu begegnen, nur weil sie auf einer wie auch immer "künstlerisch" "literarischen" Messlatte nicht die 1,5 erreichen würden - dafür sind sie ja gar nicht geschrieben. Sondern aus tollpatischer Liebe, nehme ich an. Dazu gehört übrigens auch Mut: ungenügend sein in dem, was man tut, und es wissen, und es trotzdem tun, weil man eine Freude machen will: Ein Kind, sechs Jahre, malt der Oma ein Bild zum Geburtstag. Die Oma, hoffe ich, auch wenn sie Kunstmalerin ist, befindet sich meilenweit entfernt von kritischer Herablassung.

:)

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 15.09.2010, 09:23

Mut, nein. Unter Mut verstehe ich was anderes.

Aber ich gebe Dir schon recht: Wenn man weiß, welcher Liga man angehört, ist es okay. Es ist nur nicht immer so einfach wie im Sport, wo alles sauber aufgelistet ist. Kunst und Sport sind auch schon deshalb nicht vergleichbar, weil es im künstlerischen Bereich (wenn überhaupt, dann) eine andere Art der Wettkämpfe gibt. Oder werden in Jurys Tore gezählt? Die künstlerischen "Schiedsrichter" haben es doch ungleich schwerer, weil sie sich durch eine Menge an Kriterien schlagen müssen.

Die "Acrylmalerin" kann doch so viel malen wie sie möchte, es geht doch nicht darum, was und wieviel sie malt. Sondern um das Drumherum, um die Präsentation in der Öffentlichkeit.
Der Schluss ist zwar im Moment desolat, aber es könnte doch sein, dass die "Acrylmalerin" neue Aspekte in ihre Arbeit aufnimmt, dass sie beispielsweise ihren Lehrer wechselt. Kennt Ihr das nicht? Habt Ihr denn nie - zumindest hypothetisch - die "Brocken hingeschmissen", weil Euch ablehnend-kritische Worte (oder auch etwas anderes) verunsichert haben?

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Beitragvon Amanita » 15.09.2010, 09:39

P. S.: Ich sehe gerade, das die Westdeutsche Zeitung heute auf ihrer Sportseite titelt Schalke rutscht in Lyon aus.

Auch wegen solchen Neigungen zur Ruppigkeit vergleiche ich Kunst und Sport nicht so gern. Ausnahme: Training!

Trixie

Beitragvon Trixie » 15.09.2010, 09:52

Guten Morgen!

Ich finde die Diskussion hier äußerst erquickend und interessant!

Allerdings muss ich sagen, so oft ich mir den Text auch durchlese - ich kann einfach diese krassen Wertungen, die hier als Herablassung bezeichnet werden, nicht erkennen. Vielleicht bin ich zu blind, naiv, was auch immer - ja, das ist das einzige, was ich hier lese:

Eine (noch) unerfahrene (evtl) angehende Künstlerin, die ("naiv"=unbedarft) malt, nicht viel Ahnung hat, vielleicht einfach von dem Weg, den sie bisher mit der Kunst gegangen ist, noch nicht so viel weiß und kennt, jetzt gerade an einem Scheidepunkt steht, wo sie weg will von den Mama-findet's-toll-Meinungen, aber (noch) keine anderen Meinungen erhält.

Quasi ich vor fünf Jahren, als ich es satt hatte, immer nur von Mama und Oma gesagt zu bekommen, dass meine Gedicht so toll seien und mich entschlossen habe, mich hier im Forum anzumelden, voller Selbstbewusstsein, dass das, was ich schreibe, gut sein muss, weil es mir ja gesagt wurde, andererseits dann erstmal erfahren musste von den anderen Mitgliedern hier, dass es wohl grottenschlecht ist im Gegensatz zum bestehenden Niveau der erfahrenen Schriftsteller hier, die einfach ein Gespür entwickelt haben, sich vielleicht mehr auseinander gesetzt haben mit Techniken, Methoden, Stilen. Die sind geschliffen, ich nicht, aber ich dachte, ich wäre es schon. Was ich dann auch eingesehen habe, woraus ich gelernt habe, was mich reifen ließ, mich um Erfahrungen reicher gemacht hat, mir ein ganz anderes Selbstbewusstsein gegeben hat und eine ganz andere Einschätzung meiner Schaffens, meiner Liga.

Ich denke, die Acrylmalerin weiß gar nicht, momentan, in welcher Liga sie spielt, sie möchte gerne zu einer anderen Liga gehören und denkt, weil die Vergolder sagen, dass sie toll ist, dass es ja vielleicht viel besser ist, als einer aus der Liga, in die sie denkt, dass sie gehört, ihr bestätigen würde.

Das ist so ein Balanceakt, so ein (für mich, natürlich) immer gelungeneres Werk, ein ganz feines Gemälde, das eine Phase zeigt, einen Zustand, der gerade im Begriff ist, darüber zu entscheiden, ob die Malerin tatsächlich eine "ganz Große" werden wird oder "nur" eine "Schubladenkünstlerin" bleibt. Ich sehe ihren Willen, ihre Motivation, die vielleicht die falsche ist, weil sie sich vielleicht Ruhm erhofft, aber das steht hier alles gar nicht. Da steht nicht, was sie will, dass sie schlecht ist, keine Kunst beherrscht. Da wird nur eine Momentaufnahme, eine Fotografie beschrieben und das finde ich sehr gelungen, immernoch und je öfter ich es lese, auch desto mehr.

Liebe Grüße
Trixie

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 15.09.2010, 09:52

Amanita hat geschrieben:Die "Acrylmalerin" kann doch so viel malen wie sie möchte, es geht doch nicht darum, was und wieviel sie malt. Sondern um das Drumherum, um die Präsentation in der Öffentlichkeit.

Meiner Auffassung nach fokusiert das Gedicht nicht, wie beabsichtigt, das Drumherum, sondern die Acrylmalerin. Der große Unterschied zwischen Absicht und Leserresonanz ist damit vorprogrammiert.

Wie wär's, den Text von allem ich-du-er-sie-es zu befreien? Reduzieren auf Gegenstandswörter und Verben.

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Beitragvon Pjotr » 15.09.2010, 10:09

Trixie hat geschrieben:Allerdings muss ich sagen, so oft ich mir den Text auch durchlese - ich kann einfach diese krassen Wertungen, die hier als Herablassung bezeichnet werden, nicht erkennen.

Vielleicht sind wir folgendermaßen voreingenommen:
- Wir wissen, die Autorin ist Berufs-Künstlerin
- Unterbewusst sehen wir auf dem Avatar eine "wegschauende" Autorin: sie schaut nach links, die Gespräche sind rechts

Hypothesen.

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 15.09.2010, 10:20

Trixie, danke. Ich schrieb schon an anderer Stelle: So war es intendiert.

Pjotr, natürlich ist die "Acrylmalerin" fokussiert, sonst wäre das ja nicht der Titel. Aber Thema ist nicht ihr dilettantisches Malen, sondern dass sie es präsentiert und sich dabei überschätzt, und zwar beinahe gezwungenermaßen - da sie erst einmal vom "Drumherum" bestätigt wird*. Vielleicht ist sie eine von diesen nervigen Von-sich-Überzeugten, aber das lasse ich offen. Jedenfalls macht sie, machen andere, viel Getöse - und am Ende merkt sie, das (allein) war es doch nicht. Das ist schmerzhaft! Und ich entscheide nicht, ob sie wehleidig reagiert oder das Ganze konstruktiv auffasst.

*was natürlich auch erstmal angenehm ist - darüber sind wir uns doch einig?


Pjotr, der Blick von den Texten weg war mir auch aufgefallen, aber ich fand das Foto, das mein kleiner Sohn von mir im Zug gemacht hat, einfach schön. Ihr habt recht, man sollte viel mehr bedenken ... was auf die Acrylmalerin in mir hinweist. Ist aber auch schon irgendwo erwähnt.

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leonie
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Beitragvon leonie » 15.09.2010, 10:27

Ich finde diese Diskussion hier auch spannend. Und Amanita, Respekt, dass Du das hier so zulässt.
Auch wenn ich das Gedicht nicht herablassend finde:

Ich möchte einmal zu bedenken geben, dass, so meine ich, kaum jemand frei von Herablassung ist. Ich wette, dass es kaum jemanden gibt, der nicht bei Kunstwerken, die in die Öffentlichkeit gelangt sind (ich zähle jetzt einmal Bücher dazu) die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen hat und gedacht hat: Watt is datt denn? Das kann ich auch oder sogar besser. Ich habe schon bei manchem veröffentlichten Text gedacht: Den hätte ich nie im Leben so veröffentlicht. Weil ganz offensichtlich das Handwerk nicht stimmte. Die Reime holpern, es wird über das grüne Gras und den weißen Schnee berichtet, etc.
Wenn das auf einer privaten Silberhochzeit vorgetragen wird, okay? Aber muss es denn in die Zeitung? Das ist doch peinlich für den Autor. Und ich schäme mich dann gelegentlich fremd...

Bevor man sich in die Öffentlichkeit mit Kunstwerken begibt, ist eine Prüfung der Qualität selbiger durch Fachkräfte sicherlich nicht das Schlechteste.
Dass der Knoten im Garten steht, okay, aber würdest Du ihn denn ohne weiteres in eine Ausstellung geben, Nicole?
Warum sind wir hier? Damit andere unsere Texte lesen und wir selber anhand dessen ein wenig die Qualität prüfen können.
Wenn jemand das unterlässt oder sich da "nur" auf das Urteil seiner Freunde verlässt, läuft er Gefahr, dass genau das passiert. Und ist selbst nicht ganz unschuldig daran.

Ich glaube, darum ging es Amanita.

Und ehrlich gesagt: Ich habe schon beides erlebt: Sowohl, dass ich mich im Nachhinein etwas für einen veröffentlichten Text "geschämt" habe, weil er meinen jetzigen Maßstäben nicht mehr gerecht wird (was gar nicht heißt, das andere damit nichts anfangen können). Als auch, dass ich die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen habe, wie jemand mit so offensichtlich schlechter Qualität in die Öffentlichkeit gehen kann und scheinbar auch noch stolz darauf ist. Das ist peinlich. Im ersten Moment vielleicht vor allem für den Rezipienten. Aber vermutlich später auch für den Künstler.

Liebe Grüße

leonie

Im Übrigen: Ist nicht die Frage: Wie kannst Du so herablassend sein nicht auch herablassend? Um mal ein bisschen zu provozieren?

(Amanita und Pjotr, ich sehe, das hat sich überschnitten)


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