Am Herbstrand

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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leonie
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Beitragvon leonie » 18.09.2010, 11:50

Schlendern durch Farben
unter den Füßen das Laub
raschelt von langen Tagen im Licht,
vom Wiegen in Wipfeln
und sanften Schauern.

Unter dem fernen Blick
des Augustmonds fielen Sterne
vom Himmel, die fingen wir ein:

Wappen gegen die Stürme
über erblassenden Feldern.
Und hielten sie doch nicht auf.

Ich lese dem Sommer noch
einen Wunsch von den Lippen,
lausche dem Laub ein Knistern ab,
streiche über das Rund der Kastanien
und schlage den Mantelkragen hoch.


Erstfassung:

Schlendern durch Farben
unter den Füßen das Laub
raschelt von langen Tagen im Licht,
vom Wiegen in Wipfeln
und sanften Schauern.

Unter dem weisen Blick
des Augustmonds fielen Sterne
vom Himmel, die fingen wir ein:

wollten uns wappnen gegen die Stürme
über den erblassenden Feldern.
Und halten sie doch nicht auf.

Ich lese dem Sommer noch
ein Lächeln von den Lippen,
lausche dem Laub ein letztes Geheimnis ab,
streiche über das Rund der Kastanien
und schlage den Mantelkragen hoch.

Max

Beitragvon Max » 18.09.2010, 18:20

Liebe Leonie,

das finde ich einen schönen Text, der von der Stimmung her den Herbst gut einfängt. Du arbeitest mit vielen Alliterationen, die ein Gefühl der Harmonie überzeugen.
Beim "weisen Blick des Augustmonds" geht mir die Hrmonie allerdings ein wenig zu weit - vielleicht bin ich da allergisch, aber beim weisen Monden fühle ich mich an Bachblüten erinnert.
Das "Lächeln" in der letzten Strophe passt zwar gut in die Alliteration "Lese-Lächeln-Lippen-lausche-Laub", aber als Bild finde ich es nicht besonders aussagekräftig, vielleicht kann man noch etwas anderes lesen, als ein Lächeln?

Liebe Grüße
Max

Klara
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Beitragvon Klara » 18.09.2010, 19:52

Hallo Leonie,

da ich mich schon mehrfach als "Fan" deiner Gedichte "geoutet" habe, erlaube ich mir, Klartext zu sprechen auch auf die Gefahr hin, grob zu werden:

Dieses Gedicht ist hübsch.

Ja, hübsch geschrieben, hübsch gemalt. Aber mehr eigentlich auch nicht.

Die einzige Stelle, an der ein Gefühl mir übertragen wurde, andeutungsweise nur, ganz schüchtern, ist der letzte Vers - und auch dieses Bild, diese beschreibende zaghafte Metaphorik des hochgschlagenen Mantelkragens wäre ja alles andere als originell... Der Text steht ja nun in der Rubrik Liebeslyrik - und ich suche und suche und finde keine Liebe. Aber auch keine Wehmut, kein Bedauern, keinen Abschied - einfach kein Gefühl, außer das einer gepflegten Langeweile. Dabei sit der Herbst doch die melancholische, und für den Kenner die abründigste, die schönste der mitteleuropäischen Jahreszeiten! Der Herbst ist doch jedesmal, erwartet, gefürchtet und wiedererwartet - die Zeit des Unerwarteten!

Dein Gedicht jedoch, scheint mir, bedient die Erwartung, liefert Erwartbares und lässt mich deshalb unzufrieden zurück mit dem Gedanken: Das kannst du besser.

Nichts für ungut.
herzlich
klara

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leonie
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Beitragvon leonie » 18.09.2010, 23:28

Liebe Klara,

wenn Du Dich noch einmal dafür entschuldigst, dass Du einen Text von mir kritisierst, gibts was hinter die Löffel! :-) !
Wo ist denn das grob bitteschön? Also: ich möchte ehrliche Rückmeldungen und keinen Honig um den (nicht vorhandenen) Bart...Du bist also hier richtig!

Deine Kritik geht ja etwas in die Richtung, die Tom kürzlich anmahnte: Zu harmlos.
Und Du hast sicher Recht: Eigentlich ist da was Abgeklärtes drin, das nicht so richtig durch den Schmerz will. Eine Harmonie, wie Max schreibt, obwohl der Inhalt auch anderes vermuten lässt. Ich muss nochmal drüber nachdenken, inwieweit das auch eine Berechtigung hat, in ein Gedicht zu gelangen...

Lieber Max,

danke, ich freue mich, dass Dir der Text gefällt und werde Deine Anmerkungen in das Nachdenken einbeziehen.

Liebe Grüße

leonie

Klara
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Beitragvon Klara » 19.09.2010, 09:15

Hallo leonie,

nun entschuldigst du dich aber auch - und genauso unnötigerweise ;):

Ich muss nochmal drüber nachdenken, inwieweit das auch eine Berechtigung hat, in ein Gedicht zu gelangen...
(Hervorhebung von mir)

Das ist eine interessante Formulierung, die mir in diesem Fall nicht "harmlos" vorkommt, sondern eher arg defensiv. Unnötig defensiv. textqualitätsverhindernd defensiv.
Hat nicht "das" (also: Schmerz ist, nehme ich an gemeint) nicht nur jede Berechtigung - wie im Leben auch - "in ein Gedicht zu gelangen" - wenn man damit textlich angmessen umgeht, sondern - wie auch im Leben - noch dazu überhaupt keine Berechtigung nötig? Und mit "angemessen" meine ich hier nicht irgendwelchen Erwartungen angemessen oder wohltemperiert, sondern der Größe, Tiefe, Dauer, Verlegenheit, Verwegenheit etc. des Schmerzes oder welches Gefühls auch immer. Das hat dann nichts mit Voyeurismus oder Exhibitionismus zu tun - oder es ist eigentlich egal, ob es das hätte in wessen Augen auch immer -, sondern am Ende nur noch mit den Buchstaben: Drücken sie genau, präzise und stimmig aus, was es zu sagen gilt? Gerade das nicht (mehr) Stimmende ist ja schwierig zu packen, es ist so verdammt veränderbar und allerlei Zuckerguss unterworfen, hübsch bedeckt mit buntem Herbslaub und Postkartenmelancholie ...

Und wenn es das nicht zu sagen gilt, aus Gründen, die niemanden etwas angehen - dann sagt man es eben nicht. Dann wählt man ein anderes Thema ;)

Alles wie immer nur meine bescheiden SchreibMeinung -

herzlich
klara

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 19.09.2010, 10:32

Hallo leonie!

Ich laufe ein paar Meter mit Klara mit - mir gefällt auch das Hochschlagen des Mantelkragens am besten, als Metapher für die Härte des Herbstes.
Dein Text kommt bei mir merkwürdig-unentschieden an, er beginnt so schön, dabei gab es doch bereits im August Ahnungen, dass man sich wappnen muss gegen Sturm und Verfall. Die Ambivalenz des Herbstes, die man herauslesen könnte (und die dieses Jahreszeit ja auch immer wieder "anbietet"), wird m. E. aber auch nicht deutlich genug.

Mit dem Begriff Geheimnis kann ich in Deinen Zusammenhängen so gar nichts anfangen, nach meinem Dafürhalten unterstützt gerade diese Stelle den "harmlosen" Eindruck beim Leser.

Diese latente Unzufriedenheit, von der Klara spricht, packt mich auch - ich weiß zwar, dass es nicht so ist, aber man meint fast, Du hättest für jeden "sein" Stück Herbst drin.

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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 19.09.2010, 11:20

leonie hat geschrieben:... in die Richtung, die Tom kürzlich anmahnte: Zu harmlos.



:pfeifen:
Menschheit, Du hattest von Anfang an nicht das Zeug dazu... (Charles Bukowski)

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ZaunköniG
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Beitragvon ZaunköniG » 19.09.2010, 11:31

Hallo Leonie,

Mir geht es ähnlich wie meinen Vorrednern.

Die einzelnen Bilder sind nicht zu beanstanden aber der Gesammteindruck ist "harmlos".
Ich denke, daß es tatsächlich an dem weisen Mond liegt, oder nur am Wörtchen "weise".
Das drückt bereits eine Gelassenheit aus, die kein Herbststurm mehr anfechten kann.

Vielleicht willst du das gerade zum Ausdruck bringen, aber dann ist zumindest das Timing schlecht gewählt.
Ich würde das Bild dann als versöhnlichen Schluß setzen.
Hier in der Mitte entkräftet es alle Stürme schon vor der ersten Böe.

LG ZaunköniG
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck

scarlett

Beitragvon scarlett » 19.09.2010, 11:54

Hallo leonie,

mir gefällt dein Text sehr gut, ich empfinde ihn nicht als harmlos.

Für mich schafft er es auf wundersame Weise, die Balance zu halten, zwischen dem Zuviel und Zuwenig, den überbordenen Farben des Herbstes und der tiefen Melancholie, die sich üblicherweise in Herbstgedichten findet.
Nicht umsonst lautet ja der Titel auch "Am HerbstRAND", ich finde, genau da bewegt sich auch der Inhalt.

Ganz beosnders angetan hat es mir die letzte Strophe.
Mit dem Rund der Kastanien schaffst du es, etwas auszudrücken, wofür man sonst zig Zeilen benötigen würde, damit ist für mich einfach alles gesagt; die Zeit ist eben jetzt nicht mehr rund, sie liegt am Boden, die Hand streicht darüber, und dem Ich bleibt nur noch schützend den Mantelkragen hochzuschlagen, um der anbrechenden, so ganz anderen Zeit entgegenzutreten.

Eine Frage nur: müsste es hier nicht heißen - und hielten sie doch nicht auf?
Du hast doch alles andere in der Vergangenheitsform.


Sehr gelungen!

LG
scarlett
Zuletzt geändert von scarlett am 19.09.2010, 12:00, insgesamt 2-mal geändert.

Nifl
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Beitragvon Nifl » 19.09.2010, 11:55

Huhu Leo,

ich finde den Text vor allem sprachlich sehr arm. Man könnte meinen, du hättest einen Text deiner Anfänge aus der Schublade gezogen. Oder ist der ironisch gemeint?
Ein unorigineller Remix alter Standards, türlich der Mond, sanft wird gewogen, die Weisheit, ja, die muss auch rein, was hatten wir noch nicht? Ach das Lächeln und von Lippen lesen, klar, auch lauschen ... ach ach mir wird ganz flau, ne weich, aber das wehe Herz fehlt unbedingt noch!

Den Titel fand ich am Interessantesten, aber nur, weil ich mich verlas. Herbst-Strand ... dann bemerkte ich meinen Fehler, ach, da steht ja Herb-Strand ... spannend spannend, schnell den Text lesen ... plumps. Stimmt randläufig.

LG
Nifl
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

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leonie
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Beitragvon leonie » 19.09.2010, 12:00

Hallo, zusammen,

danke für die vielen Rückmeldungen...

Klara, das unnötige Entschuldigen gewöhnen wir uns noch ab, oder? :-)

Hm, das geht ja sehr in eine Richtung, was Ihr schreibt, ich habe jetzt auch erste Ideen, woran es liegt (Geheimnis, weise,...), dass der Text so indifferent ankommt. Aber im Moment habe ich gar keine Idee, wie ich es ändern könnte.

Vielleicht gehört dieser zu den Texten, die in Ablage P gehören, wo man sich aber einzelne Bilder aufhebt, um sie in einem Text, der Eure Anmerkungen zu berücksichtigen versucht, besser einzusetzen.

Ich muss das mal sacken lassen und sehen, ob mir an diesem Text noch was gelingt oder ob es die Ablage-P-Variante wird.

Auf jeden Fall vielen Dank, dass Ihr Euch damit auseinandergesetzt habt und für die für mich wichtigen Hinweise!

leonie


Arrrgh, ich sehe gerade Eure Rückmeldungen, scarlett und nifl. Jetzt bin ich komplett verwirrt...Ich dneke noch eine Weile weiter nach...

Derweil schon mal Danke!

leo

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leonie
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Beitragvon leonie » 19.09.2010, 15:18

Also: Ich habe jetzt ersteinmal nur einige Formulierungen geändert, ich denke noch darüber nach, ob ich den Grundduktus wirklich verändern will, ich finde mich selber bei scarletts Deutung gut wieder und mag es auch einmal "verhalten"...
Ich überlege aber noch daran.

Liebe Grüße

leonie

scarlett

Beitragvon scarlett » 19.09.2010, 17:03

Liebe leonie,

das Lächeln ablauschen gefiel mir besser als den Wunsch ablauschen, mir scheint ersteres auch besser zu passen, was für einen Wunsch kann der Sommer im Vergehen noch haben? Ein letztes Lächeln korresponidert MIR auch mit dem fernen, weisen Mond, es hat etwas Tröstliches und Hoffnungsvolles.

Aber na ja, just my two cents,

scarlett

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 19.09.2010, 17:18

Nifl hat geschrieben:ich finde den Text vor allem sprachlich sehr arm.



Darf ich mal zwischenfragen: Was gelten denn bei Euch für Standards? Wie daneben liege ich denn, wenn ich mir unter einem sprachlich sehr armen Text was völlig anderes vorstelle?


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