Am Herbstrand

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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leonie
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Beitragvon leonie » 18.09.2010, 11:50

Schlendern durch Farben
unter den Füßen das Laub
raschelt von langen Tagen im Licht,
vom Wiegen in Wipfeln
und sanften Schauern.

Unter dem fernen Blick
des Augustmonds fielen Sterne
vom Himmel, die fingen wir ein:

Wappen gegen die Stürme
über erblassenden Feldern.
Und hielten sie doch nicht auf.

Ich lese dem Sommer noch
einen Wunsch von den Lippen,
lausche dem Laub ein Knistern ab,
streiche über das Rund der Kastanien
und schlage den Mantelkragen hoch.


Erstfassung:

Schlendern durch Farben
unter den Füßen das Laub
raschelt von langen Tagen im Licht,
vom Wiegen in Wipfeln
und sanften Schauern.

Unter dem weisen Blick
des Augustmonds fielen Sterne
vom Himmel, die fingen wir ein:

wollten uns wappnen gegen die Stürme
über den erblassenden Feldern.
Und halten sie doch nicht auf.

Ich lese dem Sommer noch
ein Lächeln von den Lippen,
lausche dem Laub ein letztes Geheimnis ab,
streiche über das Rund der Kastanien
und schlage den Mantelkragen hoch.

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leonie
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Beitragvon leonie » 19.09.2010, 17:58

Liebe Amanita,

Ähm, ja, sagen wir mal so, Nifl ist bekannt für recht harte Urteile, an denen leider :-) meistens was dran ist.

Standards gibt es hier nach meinem Empfinden nicht, die Meinungen gehen oft (auch hier) ja ziemlich auseinander.

Insofern freut es mich natürlich, dass Du meinen Text offensichtlich nicht als sprachlich arm empfindest.

Ich verstehe Nifl in erster Linie so, dass ihm die Bilder zu bekannt sind und er sie als klischeehaft empfindet..


Liebe sca,

ich glaube, dies ist einer von den Texten, bei denn ich sehr lange brauchen werde, bis ich weiß, wie ich selber ihn wirklich haben will. Ablage P lasse ich erst einmal, aber vielleicht eine Weile in die Mottenkiste. Damit ich mit Abstand nochmal schauen kann, für welche der Optionen ich mich entscheide...

Danke Dir für die cents!

Liebe Grüße

leonie

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ferdi
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Beitragvon ferdi » 19.09.2010, 20:35

Hallo Leonie!

"Mottenkiste" ist bestimmt die richtige Idee - lass den Text erst mal etwas liegen. So, wie er in der ersten Fassung daherkam, kann er auch in meinen Augen nicht richtig wirken, und die neue Fassung ist eher ein Schritt zurück. Inhaltlich frage ich mich, welche Rolle der Mond hier spielt? Könnte er nicht genauso gut fehlen? Das "sanft" würde ich dringenst vor die Tür setzen! Und auch ganz allgemein scheint mir der Text ein wenig unter einem "zuviel" zu leiden, wodurch sich die Aufmerksamkeit zu sehr verteilt und alles ein wenig unscharf wird. Im ersten Abschnitt würden für mich die beiden Zeilen Unter den Füßen das Laub / raschelt von langen Tagen reichen in Verbindung mit der Überschrift... Aber schau du erst mal, was dann beim Öffnen der Mottenkiste passiert - vermutlich etwas gutes, die Textidee an sich gefällt mir jedenfalls :-)

Ferdigruß!
Zuletzt geändert von ferdi am 19.09.2010, 20:46, insgesamt 1-mal geändert.
Schäumend enthüpfte die Woge den schöngeglätteten Tannen. (Homer/Voß)

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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 19.09.2010, 20:44

Und ich würde versuchen, 'Laub' und 'rascheln' aus jeden Herbsttext rauszulassen. V2 finde ich auch nicht viel besser als V1.

M.E. ist Ursache für die Harmlosigkeit (die ich hier sogar Beliebigkeit oder Belanglosigkeit nennen würde, also etwas ohne Belang, ohne Anliegen - nicht abwertend gemeint) eben das Fehlen eines erkennbaren Anliegens. Was will der Text, was will der Autor, was ist die Aussage, der Antrieb? Was soll transportiert werden? Warum wurde das Gedicht geschrieben?

Irgendwas davon muss ich erkennen können. Tu ich im Moment noch nicht. Das bleibt alles so nah am Bild, und eine Transformation findet nicht statt. Das wäre auch die Antwort auf Amanita: Sprachlich "arm" finde ich es, wenn man über Laub läuft, und es raschelt, und man schreibt: "ich laufe über Laub, und es raschelt". Und das auch noch im Herbst, oh Wunder!
Gerade in freier Lyrik, wo nicht die Reim- und Versform das Künstlerische mitträgt oder bildet (huhu Ferdi :o), sollte man sprachlich/gedanklich eine höhere/andere Bildebene betreten, und lückenhaft/phantasieanregend erzählen, als sich nur auf das Beschreibende zu stützen. Meine Meinung.

Tom.

p.s.: Der Schlusssatz hingegen ist wirklich super.
p.p.s.: Ich habe übrigens auch Leseschwierigkeiten bei der Überschrift: Herbst-Rand, Herbststrand ... manche Worte im Deutschen sind einfach doof weil doppellesbar ... da muss man vielleicht was anderes nehmen, auch wenn man das Wort noch so gut findet ...
Menschheit, Du hattest von Anfang an nicht das Zeug dazu... (Charles Bukowski)

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leonie
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Beitragvon leonie » 19.09.2010, 21:31

Der Text wandert dann mal in die Mottenkiste und Eure Ideen und Anregungen wandern in meinem Hirn umher.

Liebe Grüße

leonie

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fenestra
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Beitragvon fenestra » 19.09.2010, 22:24

Liebe leonie,

ganz so hart, wie die meisten hier, würde ich den Text nicht beurteilen. Er hat einen schönen ruhigen Rhythmus durch den oft verwendeten Dactylus und er beschreibt eine Herbstatmosphäre, die man vor Auge und Ohr erstehen lassen kann und sich daran erfreuen, wie an einer Fotografie eines bunten Herbstwaldes (schau ich mir auch immer gern an). Es ist gut, dass 'weise' und 'Geheimnis' heraus sind, weil sie normale Naturvorgänge mystifizieren. Ich könnte mir vorstellen, dass der Text noch gewinnen würde, wenn du einzelne Zeilen wiederholst, wie in einem Pantum, und dazwischen Zeilen einflechtest, die das weitere Fortschreiten der Jahreszeit zeigen. Die von Tom angemahnte Aussage des Textes wäre dann einfach eine sprachliche Umsetzung der wahrgenommenen Vorgänge. Warum muss Naturlyrik immer einen doppelten Boden haben und irgendwelche seelischen Metaphern enthalten? Ich kann mich auch an einem kunstvoll komponierten Text erfreuen, der einfach eine Wahrnehmung spiegelt.

Viele Grüße
fenestra

Ach ja, noch was: Die von Tom als Problem bezeichnete Eigenschaft mancher deutscher Wörter, mehrere Lesarten zu haben, empfinde ich gerade für die Lyrik als schön Möglichkeit, die Bedeutung an solchen Stellen bewusst kippen zu lassen.

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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 20.09.2010, 01:21

fenestra hat geschrieben:Ach ja, noch was: Die von Tom als Problem bezeichnete Eigenschaft mancher deutscher Wörter, mehrere Lesarten zu haben, empfinde ich gerade für die Lyrik als schön Möglichkeit, die Bedeutung an solchen Stellen bewusst kippen zu lassen.



Auch, wenns verwirrt, wo doch speziell dieser Text von der Ruhe lebt?

Vielleicht könnte man die Schreibweise abwandeln (Herbst-Rand, Herbst Rand, an dem Herbst seinen Rand ...), irgendwie so?

Ich möchte auch ruhigen, beschreibenden Texten nicht die Berechtigung absprechen, um Himmels Willen. Wahrscheinlich bin ich nur zu geil auf Kopfkino.

Tom
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Klara
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Beitragvon Klara » 20.09.2010, 08:38

Nur mal kurz off topic zu deinem off topic, Amanita:

Was gelten denn bei Euch für Standards?


Euch gibt's hier nicht. Es gibt dich, mich, andere - und vor allem Texte.

Korrekterweise müsste die Frage also an Nifl gehen: Was für Standards gelten für dich, Nifl?

Das ist keine Korinthenkackerie, sondern ein gängiges Abgrenzungsverhalten - hier ICH - dort die (undurschaubare, zweifelhafte, jedenfalls fremde und von mir distanziert zu betrachtende) GRUPPE, von der ICH mich - und sei es durch Unwissen oder immer wieder betonte Nichtzugehörigkeit - immer wieder abhebe. Dieses Abgrenzungsverhalten ist gerade in der Auseinandernandersetzung um Texte, mit ihren empfindlichen empfindsamen Individuen, die dahinterstehen, kommunikationshemmend und schafft meistens eher Unfreundlichkeit und neue Hürden beim gegenseitigen Verstehen. Würdest du einen Kunstkritiker, der über ein Bild herzieht, mit "Euch" ansprechen, wenn dir seine Meinung unheimlich oder unbegründet ist? Es sei denn, er wäre ein König und du monarchistisch gesinnt? Nee, oder? (Interessante Randfrage übrigens, die sich hier ergibt: GIBT ES KUNSTKRITIKER, DIE ZUGLEICH MONARCHEN SIND??)

Dummerweise - oder schönerweise - oder anstrengenderweise - ist das hier im Blauen Salon wie anderswo: Wenn man dabei ist, ist man dabei. Da gibt es lauter Ichs, ganz viele Dus, und manchmal sogar ein echtes und wahres Wir, aber ein IHR gegen MICH eigentlich eher nicht.

Den Fehler macht jeder mal - glaub ich ;)
Und mancher immer wieder - glaub ich ;))
Ich sprech da durchaus aus Erfahrung - fürcht ich ;)))

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 20.09.2010, 09:09

Ja, *bibber*, es war nicht korrekt. Ich hätte DU und DICH schreiben müssen.

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 20.09.2010, 10:04

Erstens, das "Euch" schließt, meiner Ansicht nach, nicht komplett jeden Einzelnen aus, zumal "Standards" im Plural gesagt wurde. Jeder kann die "Euch"-Frage individuell beantworten, ohne die "Euch"-Grammatik paradox zu machen. Zweitens, wenn man neu ist, sind einem die Geschmäcker der anderen tatsächlich noch nicht bekannt und da gibt es eben ein gewisses Ich und Euch, und man kann eine Sammelfrage stellen, eine "Euch"-Frage, auf die dann Einzelne individuell antworten können, -- oder mit einer "Wir"-Frage, die klänge dann so komisch wie bei dem Arzt, der den Patienten fragt: "Wie fühlen wir uns?" -- oder mit einer sozial-korrekt formulierten Aufforderung: "Kann mir jeder Einzelne mal seinen Standard nennen?" -- egal wie man fragt, es bleibt eine Frage von Person A gerichtet an Gruppe X -- und damit in diesem Moment abgrenzend. Erst durch die Antwort und die Erkenntnis wird die Grenze flachgemacht.

P.

Klara
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Beitragvon Klara » 20.09.2010, 10:24

Ich hätt auch einfach schreiben können "scheiß auf irgendwelche Standards".

Wäre genauso freundlich gemeint gewesen - aber womöglich VON EUCH beiden, A& P, ähnlich militärisch miss-aufgenommen (oder extra falsch verstanden?) worden (ERSTENS ZWEITENS BIBBER)

Also habe ich wohl irgendwas Unfreundliches falsch gemacht, ziehe lieber meinen Kommentarversuch und mich aus diesem Herbstfaden zurück und übergebe an - EUCH :)

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 20.09.2010, 11:07

Deine Impulse, Klara, empfinde ich immer als freundlich und zärtlich -- nicht als militärisch, das ginge ja auch gar nicht.

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leonie
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Beitragvon leonie » 20.09.2010, 12:05

Liebe fenestra,

ich packe die Ideen mal zu den anderen, im Moment sehe ich einfach nicht klar genug, um an diesem Text weiterzumachen, der muss erst einmal auf Distanz...

Zum anderen: Ich schätze es so ein wie Pjotr...

Liebe Grüße

leonie

Nifl
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Beitragvon Nifl » 20.09.2010, 21:40

@Standard

Damit meinte ich die nimmer müde werdende Wiederholung einiger Vokabeln in der Hobbylyrik zB.(ungeordnet): "sanft, Herz, Mond, Samt, Seide, weich, zart, Rose, gebiert, Lippen, lesen, Meer, Welle, träumen usw. usf. ....

Man bediene sich aus dem Kästchen und im Handumdrehen ist das Säuselkuchengedichtchen fertig.

Gruß
Nifl
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

scarlett

Beitragvon scarlett » 20.09.2010, 21:53

Oh, dann hab ich noch ein Säuselkuchengedichtchen für dich, Nifl ...
Ja, NOCH eines :-)

Aus der Hobbylyrikecke,
scarlett


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