Am Herbstrand

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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leonie
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Beitragvon leonie » 18.09.2010, 11:50

Schlendern durch Farben
unter den Füßen das Laub
raschelt von langen Tagen im Licht,
vom Wiegen in Wipfeln
und sanften Schauern.

Unter dem fernen Blick
des Augustmonds fielen Sterne
vom Himmel, die fingen wir ein:

Wappen gegen die Stürme
über erblassenden Feldern.
Und hielten sie doch nicht auf.

Ich lese dem Sommer noch
einen Wunsch von den Lippen,
lausche dem Laub ein Knistern ab,
streiche über das Rund der Kastanien
und schlage den Mantelkragen hoch.


Erstfassung:

Schlendern durch Farben
unter den Füßen das Laub
raschelt von langen Tagen im Licht,
vom Wiegen in Wipfeln
und sanften Schauern.

Unter dem weisen Blick
des Augustmonds fielen Sterne
vom Himmel, die fingen wir ein:

wollten uns wappnen gegen die Stürme
über den erblassenden Feldern.
Und halten sie doch nicht auf.

Ich lese dem Sommer noch
ein Lächeln von den Lippen,
lausche dem Laub ein letztes Geheimnis ab,
streiche über das Rund der Kastanien
und schlage den Mantelkragen hoch.

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 21.09.2010, 10:21

Doch, der Mond hat Augen!

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 21.09.2010, 10:31

Ich behaupte mal, dass es beides ist: Das Haptische und die Metapher. Ich streiche beim Lesen über die runde Kastanie (und manche schweifen vielleicht auch weiter, Pjotr) und sehe sie gleichzeitig als Metapher für den Herbst - in herbstlicher Farbigkeit, (An-)Zeichen für den Herbst schon in der Kinderzeit (soweit ich weiß, sammeln alle Kinder Kastanien, sofern sie Gelegenheit dazu haben - warum eigentlich???), das hörbare Herunterfallen von den Bäumen - kann ganz schön krachen, im Ggs. zu den fallenden Blättern ...

Diese Art Gleichzeitigkeit halte ich für typisch und geboten in der Lyrik, weil es Bilder sind, die nur von diesem einen Text generiert werden, also - wie ich schon sagte - ganz bestimmte Zusammenhänge geschaffen werden.

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leonie
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Beitragvon leonie » 21.09.2010, 10:35

Ähm, Flora, ich muss auch widersprechen, mir fallen auf Anhieb eine Menge Zeilen ein, in denen große Dichter ähnlich verfahren, nehmen wir nur meine Lieblingsdichterin Hilde Domin in "Wie wenig nütze ich bin":

z.B.

Hinter meinen Schritten im Staub
wäscht Regen die Straße blank
wie eine Hausfrau

oder:

Die Ulmen am Weg winken mir zu


Daran allein kann es nicht liegen...Das ist gerade eine sehr spannende Diskussion hier!

Liebe Grüße

leonie

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 21.09.2010, 10:37

Das ist es, Amanita, was ich meinte mit der "richtigen Mischung aus Abstraktion und Konkretem".

scarlett

Beitragvon scarlett » 21.09.2010, 10:38

Als Metapher für den Herbst, jein, sie hat ja etwas angesammelt über den Sommer, in ihr steckt der gesamte Sommer, eine Zeit, die sie hat so werden lassen; wie anders würde ich konnotieren, stünde da nicht "rund" sondern "braun", fleckig, oä.
Und das erklärt mir auch diese Handbewegung, dieses Drüberstreichen, dieses fast zärtliche Wahrnehmen, einer Zeit, die vorbei ist. Und das lese ich eindeutig im übertragenen Sinne. DAs Gedicht steht ja auch in der Liebeslyrik, das ist doch kein "reines" Naturgedicht (gibt es das überhaupt?) und deshalb verstehe ich auch den "Vorwurf" der Belanglosigkeit oder so ähnlich wars doch, oder? bitte nagelt mich nicht fest, nicht.
So sehe zumindest ich das.

scarlett

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 21.09.2010, 11:06

Leonie hat geschrieben:Ähm, Flora, ich muss auch widersprechen, mir fallen auf Anhieb eine Menge Zeilen ein, in denen große Dichter ähnlich verfahren
Vielleicht würde ich da ähnlich kritisieren. .-) Wobei ich ja schrieb, dass ich hier einfach keine innere Notwendigkeit sehe. Es kann sicher auch Texte geben, in denen das aufgeht.

Zum Thema der gefühlten Belanglosigkeit, dem fehlenden Anliegen, das Tom erwähnte, oder auch Ferdi, wenn er nach der Mondstrophe fragt, fällt mir noch ein, dass das vielleicht mit dem zusammenhängt, was du im anderen Faden geschrieben hast, dass du es/dich nicht festlegen willst. Ich denke aber, dass diese (Be)deutungsoffenheit eher so aussehen sollte, etwas Eigenes zu sagen, ganz entschieden, .-) wirklich aus einem Anliegen heraus, und dann trotzdem andere Interpretationen, andere Leseweisen annehmen zu können. Dass man also den anderen nicht festlegen muss, aber trotzdem selbst etwas sagt.

scarlett hat geschrieben:DAs Gedicht steht ja auch in der Liebeslyrik, das ist doch kein "reines" Naturgedicht (gibt es das überhaupt?) und deshalb verstehe ich auch den "Vorwurf" der Belanglosigkeit oder so ähnlich wars doch, oder?
Das verstehe ich nicht scarlett, weder stellt die Kategorie Liebeslyrik schon per se eine Bedeutungstiefe her, noch wäre ein reines Naturgedicht zwingend belanglos?

Liebe Grüße
Flora
Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

Max

Beitragvon Max » 21.09.2010, 11:11

Sorry Nilf,

was Du hier öffentlich postest, werde ich auch öffentlich kommentieren dürfen - und wenn ich es für daneben halte, sage ich auch das.

Lockere Grüße
max

Nifl
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Beitragvon Nifl » 21.09.2010, 11:48

Aber hallo, ja sorry (kennst du diese gedehnt jugendliche Sorryaussprache? ) Max,

was Du hier öffentlich postest, werde ich auch öffentlich kommentieren dürfen - und wenn ich es für daneben halte, sage ich auch das.

wer hat dir das Recht denn abgesprochen?
Ich habe lediglich den Off-Topic Bezug klargestellt und deutlich machen wollen, dass auch das Tabuwort nur in diesem Zusammenhang gebraucht wurde und eben nicht Leo oder sonstwer gemeint war. War das missverständlich oder hast du den Thread gar nicht gelesen?

Fühle dich gegrüßt, lockerer Profidichter Max.

Nifl
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

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leonie
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Beitragvon leonie » 21.09.2010, 12:02

Also, nifl, was soll denn das mit dem "Profidichter"? Da schüttel ich nun doch den Kopf.

Gehauen wird sich in meinem Faden bitte nicht! Zurück zur Sache...

Liebe Grüße

leonie

Nifl
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Beitragvon Nifl » 21.09.2010, 12:04

Menno, Hobbydichter darf ich ja nicht!
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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 21.09.2010, 12:26

(OT war das doch nicht, Nifl. Du findest den Text vor allem sprachlich sehr arm. Auf die darauf folgende Frage, welchen Standard Du bevorzugst, hast Du jene Spracharmut zu erläutern versucht.)

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 21.09.2010, 12:40

... was aber nicht so ganz "hinhaut" hier. Wie gesagt, ich hatte es als Übereinkunft vorausgesetzt, dass hier niemand Herz-Schmerz produziert. Und leonie macht es ja wirklich nicht. "Harmlos" muss doch nicht sprachliche (Super-)Armut bedeuten (hier liegt nach wie vor mein Andockpunkt); das Aufplustern eigentlich harmloser Themen könnte währenddessen auch peinliche Ausmaße annehmen (was allen klar sein dürfte, aber mein Fragen zielt jetzt dahin, ob harmlose Themen dann nicht per se wegfallen ...).


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