Stilleben

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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Amanita
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Beitragvon Amanita » 22.09.2010, 21:50

II. Versuch:

Stilleben

Rosenworte
wünschte ich mir,
sie sollen über
Tische schweben,
in die unsere Jahre
als glückliche Partitur
eingekratzt sind.

Aus löchrigen Kisten
rieselt Erinnerung,
und füllige Blattkelche
legen sich saftend
auf meine Skizzen,
verlaufen in Spuren,
wasserblutrot.





[P. S. Stilleben erscheint noch in der alten Schreibweise - muss ich es ändern???]

alte Version:


Rosenworte
wünschte ich mir,
die samten über
Tische schweben,
in die unsere Jahre
als glückliche Partitur
eingekratzt sind.

Aus löchrigen Kisten
rieselt Erinnerung,
und füllige Blattkelche
legen sich saftend
auf meine Skizzen,
verlaufen in Spuren,
wasserblutrot.
Zuletzt geändert von Amanita am 23.09.2010, 09:54, insgesamt 1-mal geändert.

scarlett

Beitragvon scarlett » 23.09.2010, 08:29

Hallo Amanita,

ob alte oder neue RS, das ist mir persönlich schnuppe und ändern muss man sicherlich nicht.

Dein Stillleben gefällt mir, bis auf zwei Dinge, sehr gut, es zeigt genau das, was der Titel andeutet: stilles Leben, mit dem man sich umgibt, wenn das andere ausgeblutet ist.
Die Kombination Malerei/Musik find ich ungewöhnlich gut!

Das "samten" ist für meinen Geschmack hier zu viel, und ich bin doch sonst jemand, der keine Scheu vor Adjektiven/Adverbien hat. M M nach nimmt es hier mehr als es bringt. Außerdem steckt im "schweben" schon Leichtigkeit, Geschmeidigkeit drin.

Ferner:
DIE samten über Tische schweben
in DIE ... eingekratzt sind

Zwei Relativsätze nacheinander, jeweils mit die ... find ich etwas ungeschickt, es bringt außerdem Schwere in den Text.

Für die "glückliche" Partitur ließe sich bestimmt auch noch etwas anderes finden, aber das stört mich n icht wirklich.

Vielleicht ist ja die eine oder andere Idee für dich dabei.

Liebe Grüße,
scarlett

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 23.09.2010, 09:59

Ja, die eine Stelle war nicht so prickelnd, ich sehe das - plötzlich, DANKE - auch so (nein, sooo plötzlich doch nicht, Ahnungen, dass das keine Glanzleistung war, gab es natürlich schon :confused:, aber die "Diagnose" fehlte!!!).
Beim Rasenmähen im (Herbst-)Garten habe ich gerade an dieser einen Zeile rumgefeilt, ich denke, so gehts jetzt.

Die glückliche Partitur möchte ich gern stehen lassen!

Amanita

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leonie
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Beitragvon leonie » 23.09.2010, 10:10

Liebe Amanita,

für mich ist die erste Strophe jetzt sehr rund. Sie könnte für sich stehen. Lieber noch würde ich mir eine Vertiefung wünschen, die das Bild des Schwebens und das Bild der Partitur darunter aufnimmt. Ein musikalisches Bild, das mich sehr interessiert. Was ist da eingekratzt, so dass sich ein vielstimmiges komplexes Werk ergibt? Und wie ist der Klang dieses Werkes?

Für mich ist es so, dass ich die Bilder der zweiten Strophe lieber in einem andern Text sehen würde...Sie legen sich fast über die erste und entkräften sie. So empfinde ich es.

Liebe Grüße

leonie

scarlett

Beitragvon scarlett » 24.09.2010, 07:43

Die Änderungen haben dem Text gut getan.

Sehr schön!

scarlett

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 24.09.2010, 08:04

Hallo leonie, die zweite Strophe muss aber Bezug auf den Konjunktiv in der ersten nehmen!

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leonie
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Beitragvon leonie » 24.09.2010, 10:33

Liebe Amanita,

Mir geht es so, dass ich so schwer die Kurve von der Partitur zu den Kisten kriege (unabhängig vom Konjunktiv), da fliege ich durch das neue Bild raus. Aber das ist vielleicht wirklich nur mein Problem...
Die Änderungen finde ich auch gut!

Liebe Grüße

leonie

Max

Beitragvon Max » 24.09.2010, 13:48

Hallo Amanita,

mein Problem mit dem Text ist weniger das dritte L (bzw. dessen Fehlen) als die Vielzahl der Bilder, die erst am Ende des Textes zueinander finden.
Du beginnst mit "Rosenworten", lässt sie über "Tische fliegen", in die "Partituren" eingeritzt sind. Dann haben wir diie "löchrigen Kisten", die Leonie solche Schwierigkeiten bereiten, und aus denen "Erinnerungen rieseln", plötzlich tauchen "Blattkelche" auf, die schlussendlich "wasserblutrot verlaufen" ... Mir geht es da schon früher so wie Leonie, dass ich mich in diesen Bildern verliere und dabei ein Gesamtbild, eine Gesamtaussage aus den Augen verliere.

Liebe Grüße
Max

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fenestra
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Beitragvon fenestra » 24.09.2010, 15:21

Hallo, Amanita,

ein Liebesgedicht, dass mit Rosenworte beginnt, lässt mich schonmal zurückzucken - da ist bereits von Anfang an Klischee angelegt. Dann kommt noch der Wunsch nach Schweben, später füllige, saftende Blattkelche. Wenn ich Blattkelch höre, stelle ich mir so etwas wie einen Aronsstab vor. Wie der riecht, weißt du sicher ...

Wenn es sich um einen Text zu einem Partnerschaftsjubiläum handelt (z.B. Rosenhochzeit), würde ich mir weniger allgemeine Metaphern, dafür originellere Szenen 'auf dem Teppich' oder sogar (natürlich fiktiv) 'aus dem Nähkästchen' wünschen, um etwas mehr Lebendigkeit zu spüren. So bleibt für mich nur hängen, dass sich da jemand eine aus Romanen und Serien zusammengeträumte, völlig unrealistische Romantik wünscht, die aber im Text nicht kritisch gebrochen wird (es sei denn mit einem neuen Klischee - Wasserblut!).


Viele Grüße
fenestra

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 24.09.2010, 16:00

Da kann ich nicht folgen, fenestra. Ich sehe keine Klischees und keine durchgehend unrealistische Romantik, schon gar kein Jubiläum - bewahre. Sondern es geht um eine, warum auch immer, kaputtgegangene Liebe - durch Tod oder verschiedene Wege. Zum Schluss vermischen sich Wünsche und Illusionen zu einem unförmigen "Klumpatsch", die Skizze ist versaut durch die (so schönen) Rosen - also für mich ist das Bruch genug. Und von Aronstäben ist nun überhaupt nicht die Rede! Allerdings dürfte am Schluss ruhig auch "Gestank" mit reinwehen, das würde mich nicht stören.

Komisch ... aus "Romanen" (????) und Serien (uaaah) zusammen geträumt ... gibts da nicht ein Happy End?

scarlett

Beitragvon scarlett » 24.09.2010, 20:16

fenestra hat geschrieben:ein Liebesgedicht, dass mit Rosenworte beginnt, lässt mich schonmal zurückzucken - da ist bereits von Anfang an Klischee angelegt.


Ach, und warum denn das? Ist das auch eines der bad words, die tunlichst vermieden werden sollten?
Und wenn ja, wer entscheidet das?
Doch nur die persönlichen Präferenzen/Konnotationen des Lesers, oder?

Da ist Bruch genug, Amanita, siehst du m M nach völlig richtig.

scarlett

Max

Beitragvon Max » 24.09.2010, 20:47

Dann weiß vielleicht ja auch jemand meine Frage nach dem Gesamtbild zu beantworten?!

Liebe Grüße
Max

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fenestra
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Beitragvon fenestra » 25.09.2010, 13:14

Hallo, Amanita,

das Bild einer Jubiläumsfeier hatte ich sofort vor Augen, weil du von Tischen (im Plural) sprichst. Die Szene schien daher in einem Saal zu spielen, die Rosenworte sind dann die virtuelle Tischdekoration.

Dass die "fülligen Blattkelche" die Rosen aus der 1. Strophe sein sollen, darauf bin ich überhaupt nicht gekommen, weil Blattkelche für mich eher vegetabile Fantasiegebilde (wie gesagt, eher Richtung Aronsstab) sind. Blattkelche eben im Gegensatz zu Sektkelchen, die wieder auf die Tische passen würden ...

Aber ich hatte schon selbst den Verdacht, dass ich irgendwie auf der falschen Spur bin. Das liegt vielleicht daran, dass alles doch recht vage und allgemein gehalten wird in diesem Text, so dass es mich nicht berührt. Was ist "Wasserblut"? Blutrot finde ich ebenso klischeebehaftet wie Rosen.

Hallo, Scarlett,

Ist das auch eines der bad words, die tunlichst vermieden werden sollten?
Und wenn ja, wer entscheidet das?


ich weiß nicht genau, warum du das so fragst. Ich bin hier in einem Literaturforum und dachte, alle möchten gern an der Optimierung ihrer Texte arbeiten. Dazu gehört auch, auf abgenutzte Assoziationen hinzuweisen, die einfach ihre Kraft verloren haben. Rosen und Liebe werden vom Groschenheft bis zur Promi-Hochzeit derart überstrapaziert, dass nun wirklich niemand mehr behaupten kann, dass es sich um ein originäres und spannendes Bild handelt.

Viele Grüße
fenestra

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Beitragvon ZaunköniG » 25.09.2010, 13:41

Hallo Amanita,

"Rosenworte wünsche ich mir" ist ein ziemlich süßlicher Einstieg, aber das folgende Bild originell.
Ich habe da Kneipentische vor Augen in den Teenager ihre Liebesbekenntnisse eingeritzt haben und sich vielleicht Jahrzehnte später noch immer dort treffen. Ein melancholisches aber dennoch kraftvolles Bild.
Bei "eingekratzt" denke ich allerduingt immer die Tätigkeit mit, was mir sehr grob klingt. Eingezeichnet? Eingeschnitzt?
Schön fände ich auch eine "genarbte Tischplatte, aber ds erfordert wohl zu große Umstellungen.

Bei der zweiten Strophe geht es mir wie meinen Vorrednern. Die Bilderfülle lenkt mehr ab, als daß sie erklärt. Die erste Strophe würde auch gut allein funktionieren.

und was ist "wasserblutrot"? Wasser ist nicht blutrot. Auch Wundwasser, das sich aus gerinnendem Blut absetzt nicht.
bei "wässrig, blutrot" würde wässrig für die Konsistenz stehen, aber dennoch scheint mir die Kombination konstruiert, gewollt originell. Welche Funktion hat der Begriff für den Text?

Liebe Grüße
ZaunköniG
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck


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