Impression und Abzählreim

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leonie
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Beitragvon leonie » 04.10.2010, 20:30


Abzählreim


ABC,
da steht ein AKW,
die Türme spucken Wolken aus,
da werden später Schäfchen draus
die weiden dann den Himmel ab,
und stoßen ihn ins Wiesengrab.
Da liegt er nun und träumt so schön
von neuen Orten. Auf Wiedersehn!


Erstfassung:

Das AKW spuckt Wolken aus
die wabernd zu Schäfchen werden
die wiederum den Himmel abgrasen
der seinerseits an Farbe verliert
und sich grau auf die Wiesen legt
da schläft er ein nur manchmal
hört man ihn seufzen als träume er
sich an einen anderen Ort
Zuletzt geändert von leonie am 29.01.2016, 18:21, insgesamt 1-mal geändert.

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 04.10.2010, 21:40

Leonie ... ich finde, der Titel passt nicht, er wirkt wie ein Fremdwort!

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ferdi
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Beitragvon ferdi » 04.10.2010, 22:15

Hallo Leonie!

Über die Überschrift kann man bestimmt reden... Der Text an sich, hm. Vom ersten Leseeindruck her würde ich sagen, das es ein wenig zu breit angelegt ist; Ob das wiederum, das seinerseits, das nur manchmal unbedingt sein müssen?!

Ferdigruß!
Schäumend enthüpfte die Woge den schöngeglätteten Tannen. (Homer/Voß)

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leonie
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Beitragvon leonie » 04.10.2010, 23:03

Liebe Amanita,

das ist er ja auch.... :-) . Hm, eigentlich war das Absicht - wegen des Kontrastes...

Lieber ferdi,

ich denke darüber nach.

Danke Euch beiden und gute Nacht!

leonie

Xanthippe
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Beitragvon Xanthippe » 05.10.2010, 08:57

Das AKW spuckt Wolken aus
Schäfchen
die den Himmel abgrasen
bis er die Farbe verliert
sich grau auf die Wiesen legt
schläft
nur manchmal
hört man ihn seufzen
als träume er
sich an einen anderen Ort

guck mal, ich hab ein bisschen mit deinem gedicht gespielt.

MarleneGeselle

Beitragvon MarleneGeselle » 05.10.2010, 09:29

Guten Morgen,

ich würde AKW durch Kühlturm ersetzen. Schließlich ist es nicht der Meiler selbst, der die Wolken ausspuckt, sondern nur der angeschlossene Kühlturm. Dem Himmel und allen höheren Wesen sei Dank!!

Den Titel würde ich lassen. Impression steht für Eindruck. Und einen solchen Eindruck kann man durchaus bekommen, wenn man die Dampfwolken beobachtet, wenn sie aus dem Kühlturm aufsteigen.

Liebe Grüße
Marlene

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 05.10.2010, 09:49

Klar, ein Eindruck ist es, aber ich finde, "Impression" passt einfach nicht zu der betont-schlichten Sprache des Textes.

Wenn man "AKW" durch Kühlturm ersetzt, dann geht die Spannung bzw. der bittere "radioaktive Beigeschmack" verloren ... ich würds nicht so machen.

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leonie
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Beitragvon leonie » 05.10.2010, 10:31

Liebe Xanthi, liebe Marlene, liebe Amanita,

danke nochmal für Eure Rückmeldungen. Über den Titel muss ich noch nachdenken. Eigentlich wollte ich ihn, um den Kontrast zu erzeugen zwischen einem idyllischen Anblick und der Gefahr.
AKW würde ich gerne behalten wegen der "technisch" wirkenden Abkürzung, ich denken, man redet umgangssprachlich auch von AKW oder Atomkraftwerk, auch wenn eben vorwiegend die Kühltürme in Erscheinung treten.
Ich habe die manierten Ausdrücke rausgenommen, wollte aber gerne, dass das AKW nicht gleich Schäfchen ausspuckt, weil das so nicht stimmt, es sind ja eher Schwaden...

Liebe Grüße

leonie

Trixie

Beitragvon Trixie » 05.10.2010, 11:01

hi leo,
ich mag die 1. version, sie klingt wie ein art abzählreim für kinder oder so. das passt wie die faust aufs auge, klingt so unverschämt banal und irgendwie... naiv. da passt der titel für mich, der inhalt, alles.
das einzige, wo ich ein wenig geholpert bin, war "da schläft er ein nur manchmal" - ich will immer lesen "da schläft er einmal" - ich krieg das "ein" und das "manchmal" nicht zusammen, auch wenn ich ja weiß, dass das ein zu schlafen gehört *kopfkratz*
ansonsten find ich's klasse (also die 1. version)!
grüße
trix

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 05.10.2010, 12:30

Genau, wie ein Kinderbuchtext ... daher gefällt mir die 1. Version auch besser. Aber AKW ist für mich "Störwort" oder Bruch oder Kontrast genug - mit dem Titel kann und kann ich mich nicht anfreunden!

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fenestra
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Beitragvon fenestra » 05.10.2010, 19:22

Liebe leonie,

auch mir gefällt diese Naivität der Betrachtung! Man blickt einfach auf die Wolken, freut sich an ihren Formen, ungeachtet der Quelle, aus der sie stammen.

Dass der Himmel sich grau auf die Wiesen legt, stimmt meiner Meinung nach nicht so, denn es ist kein Grau zu sehen, es ist ja nur Wasserdampf, was aus dem Kühlturm kommt. Oder meinst du den Schattenwurf? Das wäre noch ein interessanter Aspekt, denn die Kühlwasserfahnen sind manchmal tatsächlich die einzigen Wolken am Himmel und können besonders gegen Nachmittag schon mal vor der Sonne sein.

Dass der Himmel dort auf der Wiese seufzt, ist mir als angedeutete Bedrohung etwas zu unscharf. Vielleicht könnte man noch irgendwelche siebenbeinigen Käfer dort unten krabbeln lassen ...

Viele Grüße
fenestra

MarleneGeselle

Beitragvon MarleneGeselle » 06.10.2010, 09:14

Guten Morgen,

in der Neufassung kommt die zweite Strophe hervorragend. Die "abgefressenen" Himmelsfarben machen klar, dass das Paradies verloren ist - und der Himmel woanders sein möchte.

Liebe Grüße
Marlene

Quoth
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Beitragvon Quoth » 06.10.2010, 10:14

Das ist schön, Leonie. Die Auflehnung des Willens zur, der Sehnsucht nach Poesie gegen die Zerstörung/Kontamination/Entweihung ihrer Objekte.
Barbarus hic ego sum, quia non intellegor ulli.

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leonie
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Beitragvon leonie » 06.10.2010, 10:36

Hallo, Ihr Lieben,

ich freue mich über die vielen Rückmeldungen. Ich selber bin im Moment mit der zweiten Fassung zufriedener, ich glaube, das möchte ich auch den Titel so lassen. Durch Eure Ideen, kam mir der Gedanke, die erste Fassung vielleicht noch konsequenter zu einem Abzählreim oder Kinderlied zu machen, ich muss mal sehen, ob ich das hinkriege.
Fenestra, eigentlich würde ich das gerne offen halten, ich hatte zunächst an Nebelbildung gedacht...Aber das ist es vielleicht eher so, dass das relativ warme Flusswasser auf die kühle Umgebungsluft trifft und sich so Nebel bildet...Andererseits soll die Strophe auch etwas leicht Surreales haben, also quasi mit einem Bild beginnen, das "real" ist und dann etwas abdriften, denn natürlich können die Wolken dem Himmel nicht die Farbe abgrasen, aber solche Wolken tun es eben doch in einem übertragenen Sinn, da findet das in den Lesern statt oder in den Menschen, in denen Zukunftsängste ausgelöst werden, in der Resignation und dem Gefühl, dagegen ohnmächtig zu sein, im schlechten Gewissen gegenüber den Kindern, die mit den Resten fertig werden müssen, etc...

Liebe Grüße

leonie


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