Eine Frau

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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Amanita
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Beitragvon Amanita » 20.10.2010, 22:31

Eine Frau


Als ich ein Kind war,
gab mir meine Mutter
an manchen Tagen
ein Kopftuch
gegen den starken Wind.

Trüge ich es bis heute,
würde mir wohl von überall
eiskalter Wind
ins Gesicht geweht.

Gerda

Beitragvon Gerda » 21.10.2010, 11:40

Liebe Amanita,

die hinter diesen Sätzen stehende Idee finde ich interessant, zeigt sie doch den Wandel der Betrachtung einer Kopfbekleidung, die auch hierzulande - wenngleich aus anderen Gründen als bei Musliminnen - gebräuchlich war.

Allerdings lese ich keine Lyrik sondern zwei Sätze, die eine Feststellung ausdrücken.
Mir fehlt also das lyrisches Element.
Die Formulierung in der zweiten Strophe, im Konjunktiv II/Passiv halte ich außerdem für umständlich und nicht elegant Ich würde ;-) bevorzugen: ... wehte mir wohl von überall kalter Wind ins Gesicht.
Den Titel halte nicht für aussagekräftig, verstehe ihn gar nicht recht.

Nun, kannst du entgegnen, dann passt es vllt. unter Lyrik und Kultur. Da würde ich wohl auch eher sehen, trotz der Kürze, aber auch dort würde ich Lyrisches vermissen.
Mir sind diese Feststellungenfür ein Gedicht schlicht zu dünn, nicht der Inhalt den sie transportieren, ich hoffe, du verstehst, wie ich das meine.


Liebe Grüße
Gerda

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 21.10.2010, 16:02

Ja, verstehe ich, ich hatte das auch unter "Winzling" verbucht, allerdings gefiel mir einfach der Gedanke, wie eine zunächst bloß alltagspraktische Kopfbedeckung durch die Jahre zum Zeichen für etwas wurde.
Der Titel schließt den Kreis, denn mit dem "eiskalten Wind" ist natürlich nicht nur die mitteleuropäische Kritik gemeint, sondern auch die Unterdrückung als Frau.

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leonie
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Beitragvon leonie » 21.10.2010, 16:38

Liebe Amanita,

mit diesem Text tue ich mich schwer. Irgendwie ist mir darin zuvieles vermischt. Und ich glaube, so stimmt er auch nicht.
Ich weiß, dass meine Oma früher auch ein Kopftuch trug, wenn es kalt war. Aber es unterschied sich einfach deutlich von den Kopftüchern, die viele muslimische Frauen heute tragen. Trüge man solch ein Kopftuch heute , so wäre schon an der Art des Kopftuches erkennbar, dass es ein anderes ist und aus anderen Gründen getragen wird. Insofern glaube ich nicht, dass dem lyrIch ein eiskalter Wind entgegen wehen würde.
Ich glaube auch nicht, dass jeder muslimischen Frau, die ein Kopftuch trägt, ein eiskalter Wind entgegen weht. Manchen vielleicht sogar eher, wenn sie keines tragen. Und so stehen sie in besonderer Weise zwischen zwei Kulturkreisen, die aufeinanderprallen...
Für mich trägt insofern der Text inhaltlich nicht.

Ich denke, es ist auch entwicklungsgeschichtlich nicht so, dass ein alltagspraktisches Ding zum Zeichen wurde.
Sondern, dass ein anderes Ding, das eine gewisse Ähnlichkeit hat, in einen neuen Kulturkreis importiert wurde und so zum Zeichen unterschiedlicher Überzeugungen und zum Bekenntnisgegenstand wurde.
Ich denke, das muslimische Kopftuch war nie ein alltagspraktisches Ding, sondern ein religiös motiviertes. (das es übrigens im Christentum auch gegeben hat und immer noch gibt, wenn man zum Beispiel daran denkt, dass Frauen, die dem Papst die Hand schütteln, bzw. den Ring küssen, ihr Haupt auch bedecken müssen (was für mich schonmal zwei Gründe sind, darauf keinen Wert zu legen).
Das Kopftuch gegen den Wind hingegen war immer alltagspraktisch und wird durch die Ähnlichkeit trotzdem nicht zum religiös motivierten...
Beide stehen immer noch nebeneinander stehen und sind unterscheidbar...

Ich denke, es ist sowieso schwierig, in einem so kurzen Text der Komplexität dieses Themas gerecht zu werden.

Liebe Grüße

leonie

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 21.10.2010, 16:49

Hier, in unserem Umfeld, bekam das Kopftuch sehr wohl eine andere Bedeutung. Allein schon das Wort!
Niemand hätte in meiner Kindheit, als ich mein schwarz-rosa-geblümtes Ding umgebunden kriegte, damit irgendwas Religiöses assoziiert!

Die Frage, ob Kopftücher (an manchen Orten) verboten werden (sollen), empfinde ich selbst schon deutlich als eiskalten Wind, als Problem, das nicht lösbar ist für die einzelnen Frauen, irgendjemand hat immer was zu meckern! Allein das kann Unterdrückung sein.

Auf die Unterscheidbarkeit, ob das nun so oder so gebunden ist, kommt es mir jedenfalls nicht an.

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 21.10.2010, 16:57

P. S. Selbstverständlich war mit diesem kurzen Text nie die Absicht verbunden, dass er dem komplexen Thema gerecht wird.

Witzig, wie man mit Hilfe so weniger schlichter Worte, die nicht einen einzigen religiösen Begriff drin haben, auf so viel "Komplexität" lenken kann!

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leonie
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Beitragvon leonie » 21.10.2010, 19:14

Ich sehe hier gelegentlich immer noch Frauen mit dem Damals-Kopftuch... :-).

Amanita hat geschrieben:Allein das kann Unterdrückung sein.


Da stimme ich Dir vollkommen zu!!!

Liebe Grüße

leonie


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