ausstattung nach CITES

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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fenestra
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Beitragvon fenestra » 02.11.2010, 21:47

ausstattung nach CITES


3 ganze schalen der riesenmuschel
3 gehäuse der fechterschnecke
3 regenstäbe
und 4 seepferdchen

darf jeder reisende mit sich führen
zum persönlichen gebrauch

denn welcher zollbeamte
wollte sich solchem gespann
in den weg stellen

Quoth
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Beitragvon Quoth » 03.11.2010, 11:02

Zur Erleichterung und Beschleunigung ein paar Links:
cites
Riesenmuschel
Fechterschnecke
Regenstab
Seepferdchen kennt ja nun wirklich jeder!
Aber in fenestras Mondspaziergang waren es "Seepferde", die mit der Spaziergängerin durchgingen.
Quoth
Barbarus hic ego sum, quia non intellegor ulli.

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ferdi
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Beitragvon ferdi » 03.11.2010, 11:26

Hallo Fenestra!

Für mich wirft Quoths Linksammlung die Frage auf, welches Ausmaß von Wirklichkeit denn ein Gedicht haben kann für einen Leser, der zur Versicherung und zum Verstehen erst einmal Wissen sich verschaffen muss?! Kann es wirklich "an ihn rankommen"? Solche Fragen sind ein Teil meines Unbehagens an Gedichten, die, wie zunehmend üblich, quasi "von (Autorname) und Wikipedia" unter sich stehen haben. Hm. Hm.

Ferdigruß!
Schäumend enthüpfte die Woge den schöngeglätteten Tannen. (Homer/Voß)

Quoth
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Beitragvon Quoth » 03.11.2010, 11:37

Hallo Ferdi,
Deine Vorbehalte kann ich verstehen, aber ich habe mich gerade bei fenestras Gedichten daran gewöhnt, aus ihnen auch immer etwas hinzuzugewinnen, was ja auch Vorstellungs- und Wirklichkeitserweiterung bedeutet. Ich empfinde es als Gewinn und habe mit Genuss das Plätschern des Regenstabes auf der Wikipedia-Seite gehört.
Gruß
Quoth
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fenestra
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Beitragvon fenestra » 03.11.2010, 18:27

Lieber ferdi,

dieser Text hat nun gar nichts mit Wikipedia zu tun und Wikipedia ist mitnichten die Quelle. Da ich beruflich im Artenschutz tätig bin, hatte ich mit den Bestimmungen des Washingtoner Artenschutzabkommen zu tun, und zwar dort:

http://www.artenschutz-online.de/artens ... number=4#4

Nur weil nicht jeder Leser das Gleiche weiß, wie der jeweilige Autor, muss noch nicht "Wiki" unter einem Text stehen. Ich verstehe auch viele Anspielungen aus der Geschichte, Mythologie oder Literatur nicht, wenn ich Texte bestimmter Autoren lese. Bei Texten von Durs Grünbein oder Raoul Schrott müsste jedesmal ein dickes Glossar beiliegen, um sie auf allen Ebenen zu verstehen.

Natürlich hätte ich auch titeln können: "Erlaubte Einfuhr nach dem Washingtoner Artenschutzabkommen" oder eine entsprechende Fußnote zur Erläuterung anbringen. Wäre das hier angemessen? In jedem Fall bin ich nicht bereit, mich mit meinem Vokabular und meinen Anspielungen auf den kleinsten gemeinsamen Nenner aller Leser zu begeben. Das wäre auch das Aus für die Literatur.

Ich fand es einfach höchst kurios, dass die Gesetze einem vier (!) Seepferdchen (und die übrigen genannten Objekte) "zum persönlichen Gebrauch" zugestehen. Wozu sollte man die wirklich brauchen? Das ist doch schon eine poetische Anwandlung des Gesetzgebers, dass er uns ein solches Souvenir gönnt und dem Bedürfnis der Menschen nach derartigen tierischen Mitbringseln Rechnung trägt. Und an diesem bemerkenswerten Umstand wollte ich meine Leser einfach auf lyrische Weise teilhaben lassen.

Lieber Quoth,

trotzdem danke für die Wiki-Links - es ist halt immer das erste, was Google anbietet. Und den Regenstab: Kanntest du den vorher wirklich nicht? Gibts in jedem Eine-Welt-Laden.

Viele Grüße
fenestra

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ferdi
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Beitragvon ferdi » 03.11.2010, 19:20

Hallo Fenestra!

Natürlich kann es nicht darum gehen, dass du auf einen "kleinsten gemeinsamen Nenner" zurückfällst. Schon darum nicht, weil wahrscheinlich niemand weiß, wie der denn aussieht. Aber auch wenn wir die Sache damit nicht bis zum Äußersten treiben - meine Bedenken bleiben ja. Schon bei CITES setzt du deinen Leser unter einen "Lernzwang". Viele andere Schreiber verfahren ähnlich. Der kleinste gemeinsame Nenner ist das Aus der Literatur, schreibst du. Was aber wird am Ende der Entwicklung stehen, für die dein Text ein Beispiel ist? Wird Lyrik dann einfach nur noch eine Anwendung des Internets sein? Eines von vielen Mustern der Informationssuche? Und wäre das dann noch Literatur? Oder hat die nicht doch etwas zu tun mit der Verständigung über eine Welt, die auf die eine oder andere Weise als allen zugehörig empfunden wird / empfunden werden muss.

Fußnoten wären vielleicht nicht die schlechteste Idee. Klingt zwar komisch, aber erstens gabs das früher durchaus, und zweitens würde es zu dieser Art Gedicht passen.

Es gibt ja auch die Möglichkeit, ein Gedicht in einen Prosarahmen zu stellen, der dann unauffällig das für das Gedichtverständnis nötige Tatsachenwissen zur verfügung stellt.

Ferdigruß!
Schäumend enthüpfte die Woge den schöngeglätteten Tannen. (Homer/Voß)

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Beitragvon Quoth » 03.11.2010, 19:34

Liebe fenestra,
ich kannte diese Stöcke, die da immer herumstehen, hatte aber noch nie daran gelauscht und wusste vor allem nicht, dass sie aus einem bestimmten Kaktus gefertigt werden. Ich hatte sie immer für so eine Art Didgeridoo gehalten.
Was Wikipedia betrifft - gut, dass es die gibt, dadurch bekommt fast jede Suche eine erste Struktur.
Was Fachbegriffe in der Lyrik anbetrifft: Ich glaube, dass die Fachsprachen ein unglaublich ergiebiges Reservoir an unverbrauchter Lyriksprache anbieten, und es ist gut, dass Du Dich nicht scheust, davon was einzubringen und nicht nur meinen diesbezüglichen Horizont zu erweitern!
Gibt es bei CITES tatsächlich diese Liste?
Gruß
Quoth
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Beitragvon Pjotr » 03.11.2010, 19:51

Hallo Fenestra,

ich finde, ...

"nach CITES"

... klingt nicht poetischer als beispielsweise ...

"nach washingtoner artenschutz"

...

Zu dem Problem des gemeinsamen Nenners: Ich meine, das ist nicht Internet-spezifisch, es gibt ja auch Papierlexika. Das Nachschlagen ist nicht das Problem, sondern die Abwesenheit eines minimalen Hinweises, beispielsweise als kleingedruckte Fußnote. Die Fußnote kann man ja auch poetisch oder sonstwie originell formulieren, muss also nicht notwendig die erlesene Gedichtatmosphäre zerstören. Sie kann, warum nicht, Teil des Werkes sein, besonders in einem ironischen wie diesem.


Ahoi

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Beitragvon Zefira » 03.11.2010, 21:39

Hm, helft mal einer alten Frau. Ich sehe das Problem nicht recht. Dass nicht jedes beliebige (tote) Tier aus dem Ausland eingeführt werden darf, ist wohl den allermeisten Lesern bekannt. Welche Tiere das im einzelnen sind, die hier aufgezählt werden, spielt ja keine Rolle; man kann nachschlagen, aber für das Verständnis des Gedichts bedarf es dessen nicht - ich verstehe es jedenfalls, ohne die einzelnen Tiere zu kennen. Das Kürzel CITES war mir nicht bekannt, aber auch das muss ich nicht kennen, um das Gedicht zu verstehen. Bei dem Wort "gespann" sehe ich vor dem inneren Auge eine Art Neptunkutsche, eine Riesenmuschel, von Seepferdchen gezogen, mit der der Reisende zum Zoll gerauscht kommt ... klasse. Ich vermute, das Problem Artenschutz selbst ist eher nicht das Anliegen des Gedichts, oder?

Gruß von Zefira
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Beitragvon Pjotr » 03.11.2010, 22:15

Zefira hat geschrieben:Ich vermute, das Problem Artenschutz selbst ist eher nicht das Anliegen des Gedichts, oder?

Wenn ich die Kommentare richtig verstanden habe, ist das eine Satire auf Artenschutz-Bürokratie. "Ich fand es einfach höchst kurios, dass die Gesetze einem vier (!) Seepferdchen ..." (Fenestra). Andernfalls müsste der Begriff CITES gar nicht rein, oder?


Pjotr

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Beitragvon Zefira » 03.11.2010, 23:01

Ja natürlich, so verstehe ich es auch. Aber das Anliegen ist nicht der Artenschutz selbst, das heißt, auf der Zielscheibe des Gedichts sind wohl weniger die Leute, die Schlangenlederschuhe und ausgestopfte Kaimane anschleppen, weil ihnen sonst zu Hause keiner glaubt, dass sie in den Tropen waren. Oder?
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Beitragvon Pjotr » 03.11.2010, 23:28

Ja, meine ich auch, die Zielschiebe ist eher das CITES.

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 04.11.2010, 07:47

Ehrlich gesagt sehe ich gar keine "Zielscheibe". Eine solche - bürokratisches Zeugs - war m. E. Auslöser dafür, dass das Gedicht entstand, aber der Text selbst nimmt doch eigentlich nichts aufs Korn? Für mich zoomt er ein paar exotische, vielleicht noch unbekannte oder schon vergessene Schönheiten heran. "Für den persönlichen Gebrauch" ist auch im Amtsdeutsch zu lesen, das ist nachvollziehbar, aber Seepferdchen für den persönlichen Gebrauch hat wirklich was Poetisches, zumal in Kombination mit dem Wort Gespann! Oder die Fechterschnecke ... das klingt so, als könne man die - im persönlichen Gebrauch - notfalls zur Verteidigung einsetzen.
Nur die Regenstäbe kapier' ich nicht. Ich kenne sie (ich habe sogar einen), sind da denn auch irgendwelche "fraglichen" Materialien verarbeitet? Das Bild ist zwar schön, aber was haben Regenstäbe mit Cites zu tun (ich frag einfach mal doof, denn ich weiß das nicht).

Quoth
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Beitragvon Quoth » 04.11.2010, 08:18

Hallo, Amanita,
dafür ist eben eine online-Enzyklopädie gut! Einfach anklicken und man weiß, dass der Artenschutz sich auf "Flora und Fauna" erstreckt. Regenstäbe aber werden aus einer bestimmten Kaktusart hergestellt, und Kakteen sind Bestandteil der Flora.
Gruß
Quoth
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