Zubereitung

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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Amanita
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Beitragvon Amanita » 18.11.2010, 17:00

Zubereitung


es erhaschen
und anfüttern
(gut kalkuliert)

ihm die Flügel brechen
es rupfen

abgebrüht und
falsch gewürzt
servieren

das Vertrauen

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 19.11.2010, 17:28

Es kann ein Ehebruch sein, muss aber nicht: Wesentlich ist der Vorsatz, der Vertrauen bricht.

Nein, Quoth, "verzehren" würde nun gar nicht passen, das geschnetzelte Vertrauen muss doch serviert werden! Wenn ich genau den Zeitpunkt (im Leben) erfahre, an der das Vertrauen - mein Vertrauen - zerstört wurde. Ich kriege es zerhackt auf dem Tablett präsentiert. Mag sein, dass das treulose Gegenüber sich selbst verrät, mag sein, dass mir jemand anders steckt, was Sache ist.
Mein Gegenüber musste erstmal mein Vertrauen anzüchten, um es dann schreddern zu können.

Klara
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Beitragvon Klara » 19.11.2010, 20:50

Hallo amanita,
irgendwas scheint mir nicht zu stimmen.
Mit der Logik.
Das Vertrauen wird doch nicht serviert - sondern das Nichtmehrvertrauenkönnen?
Insofern stimmt für mich das Bild nicht.
Wer ist Subjekt - der Vertrauensfänger, oder?
Objekt? Das Vertrauen oder der Vertrauende?

Was ist kalkuliert? Das Vertrauen - oder der Vertrauensbrecher?
Und wenn es falsch gewürzt wird - ist es doch ken Vertrauen mehr?

Und das Vertrauen GIBT (serviert) doch der Vertrauende - nicht derjenige, der es bricht?

Oder soll gar das Vertrauen als solches der Köder sein? Dann funktioniert es aber doch erst recht nicht! Vertrauen kann doch nicht falsch sein, sondern entweder da oder nicht da. Berechtigt oder nicht.

Also: Die Idee ist hübsch, aber so, wie es da steht, klingt da zu vieles in meinen Ohren unlogisch, so dass für mich die Pointe nicht stimmt.

Grüße
klara

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 19.11.2010, 22:16

Subjekt: der berechnende Typ

Objekt: das Vertrauen dessen, der verar... wurde und es am Ende zerschnetzelt präsentiert kriegt. (Bis zu diesem Zeitpunkt - des Servierens - war er ja noch gutgläubig, hatte also noch das volle Vertrauen dem Subjekt gegenüber.)

Kalkuliert ist jeder Schritt, das Futter muss sich rechnen, der Einsatz darf nicht zu groß sein (sagt das Subjekt).


Wie gesagt, ein Versuch. Wenn er baden gegangen ist - ja nu'.

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Eule
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Beitragvon Eule » 20.11.2010, 01:00

Hm, liest sich ja schon gut komponiert, nur Titel- und Schlusszeile holpern. Hier fehlt eine wirklich gute Idee, wie der Spannungsbogen im Text besser erhalten bleiben könnte.
Ein Klang zum Sprachspiel.

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 20.11.2010, 01:48

Verstehe die Kritik nicht. Das Vorhandensein von Vertrauen basiert doch nicht auf einer einzelnen Person. Es bedarf mindestens zweier Personen. Das Vertrauen ist eine Konstellation für sich, es abstrahiert sich als eigenes Phänomen aus zwei wechselwirkenden Individuen, für sich, unabhängig davon, wer wem das Vertrauen schenkt oder dessen ersucht -- egal, wer der Kellner oder der Gast ist -- es gibt ja auch noch den Koch, die Welt der Gefühle an sich. Das Vertrauen ist geradezu eine eigene Gestalt. Sie kommt irgendwo her. Aus der Küche oder sonst woher. Das macht den Text ja gerade so bizarr und spannend und, beim ersten Lesen, überraschend.


P.

Klara
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Beitragvon Klara » 20.11.2010, 11:00

Ein Teil von dem, was du abstrakt über Vertrauen schreibst, Pjotr, bewirkt gerade, dass der Text für mich nicht stimmt: Das Vertrauen ist ja eben keine Gestalt im Text, sondern ein Objekt, das falsch zugerichtet (zubereitet) wird. Das kann ich mit "Vertrauen" weder abstrakt noch konkret in Einklang bringen - sondern eher mit "Beschiss".

Aber ist doch schön, wenn's die Zeilen trotzdem für dich funktionieren - wollte einfach nur meine Rückmeldung dazugeben.

Im Übrigen wüsste ich selbst gar nicht genau zu sagen, was Vertrauen überhaupt ist. (Ich könnte höchstens versuchen zu sagen, wie es sich anfühlt.) Du hingegen schreibst darüber, als wüsstest du es sehr genau - eigentlich ein Grund zur Freude (für dich) ;)

Xanthippe
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Beitragvon Xanthippe » 20.11.2010, 12:03

ich finde die diskussion sehr spannend. auch den ansatz, den versuch einen vertrauens- bruch so darzustellen. ein sehr ambitioniertes ziel. aber stimmt, klara, die frage was vertrauen eigentlich ist, finde ich auch extrem schwer zu beantworten. aber vielleicht geht es darum gar nicht, nur um den berechnenden umgang mit fremden vertrauen, das aber meiner meinung nach geschenkt wird, nicht kalkuliert angezüchtet. hm ja, und die idee mit dem essen, der zubereitung usw. das ist schon gut, aber ich würde mir das auch noch zugespitzter noch absurder wünschen. da schließe ich mich gabriella an.
ich glaube die schwierigkeit liegt darin, dass vertrauen tatsächlich ein sehr weiter, wenig fassbarer begriff ist, manche sehen es abstrakt, "als eigenes Phänomen aus zwei wechselwirkenden Individuen, für sich, unabhängig davon, wer wem das Vertrauen schenkt ..." - das verstehe ich übrigens nicht, Pjotr. Kannst du das erklären?

Gerda

Beitragvon Gerda » 20.11.2010, 13:03

Hallo Amanita,

die Idee ist interessant, aber ... ;-)

bis zu dem großen Absatz im Textzitat kann ich deiner Idee folgen.
(Habe die kommentare überflogen, aber deine Erläuterung gelesen und glaube deine Intention auch zu verstehen).
Nach dem "abgebrüht" jedoch, wirkt es auf mich, als wäre die Perspektive gewechselt worden, was du aber nicht gewollt hast, wenn ich dich richtig verstanden habe.
Ich meine, genau da liegt die fehlende Textkonsistenz (Textlogik) begraben, die Unstimmigkeit, die auch schon bemängelt wurde.
Das Bild,welches du verwendest, ist zwar nicht neu, aber in diesem Kontext habe ich es noch nicht gelesen. Für mich geht es allerdings so, wie der Text oben steht, nicht auf.


Amanita hat geschrieben:Zubereitung


es erhaschen
und anfüttern
(gut kalkuliert)

ihm die Flügel brechen
es rupfen

abgebrüht


Nicht das Vertrauen, welches Objekt ist, wird ja falsch serviert, sondern die Lüge, desjeningen der das Vertrauen ausgenutzt hat, serviert die Lüge dem Vertrauenden.
Hier wird für mich der Vorsatz, nenne ihn Lüge oder Vertrauensamissbrauch, mit dem Vertrauen gleichgesetzt, das geht nicht, so viel "Verdichtung" verträgt dieser Text m. A. n. nicht.

Amanita hat geschrieben:und
falsch gewürzt
servieren

das Vertrauen


Meiner Ansicht nach ist die "Sache" viel komplexer, als dass man sie in wenigen schlaglichtartigen Worten erfassen könnte.
Es geht auch um die Verletzung nach dem Vertrauensbruch, den jemand bewusst provoziert. Es wäre meiner Ansicht nach notwendig diesen Bruch als zweites Objekt im Text zu benennen.

Liebe Grüße
Gerda

Nachtrag:
Ich glaube nicht, dass der Text konkret werden sollte, möchte ich noch anmerken, falls das aus meinem Kommentar nicht hervorgehen sollte.
Zuletzt geändert von Gerda am 20.11.2010, 13:24, insgesamt 1-mal geändert.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 20.11.2010, 13:10

Xanthippe hat geschrieben:ich glaube die schwierigkeit liegt darin, dass vertrauen tatsächlich ein sehr weiter, wenig fassbarer begriff ist

Vertrauen ist ein großes Wort, das so Vieles bedeuten kann. Und das ist hier, meiner Meinung nach, das Problem. Es geht hier nicht um Vertrauen, sondern um Vertrauensbruch, wie Amanita ja schon schrieb. Und es gibt viele Arten von Vertrauensbruch. Es kann Ehebruch sein, es kann ein Missbrauch des Vertrauens seins, es kann sich hier auch um das Thema Missbrauch selbst handeln. Und darauf kommt es hier m.E. an. Um welchen Vertrauensbruch handelt es sich hier?
Und diesen müsste man dann m.E. deutlicher herausarbeiten, um ihn dann entweder drastischer/zugespitzter zu formulieren oder distanzierter. Formuliert man ihn bösartiger/heftiger, so läuft man leicht Gefahr, dass der Text zu einer Anklage wird oder zu larmoyant.

Saludos
Gabriella

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 20.11.2010, 15:49

Vor dem Mittagessen, kurz zu Klara und Xanthippe (später mehr):
Mir ging gerade das durch den Kopf: Vertrauen ist skalierbar und steht umgekehrt proportional zum Zweifel. Je größer das Vertrauen, desto kleiner der Zweifel. -- Dann Descartes' "Ich denke, also bin ich". Das heißt ursprünglich eigentlich "Ich zweifle, also bin ich". Zweifeln bedeutet eigentlich denken. Auch ein scheinbar einfaches "Ich denke an Piroschka" ist somit eigentlich eine Form des Zweifelns ("Wird sie kommen?" ist ein Zweifel, ein Denken; "Ihr Hut ist blau" ist kein Denken, eher ein Beobachten). -- Jedenfalls, nach Descartes (ich vertraue ihm nicht ganz), im Umkehrschluss, bedeutete totales Vertrauen die Nichtexistenz des Ichs: "Ich vertraue, also bin ich nicht."

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Beitragvon Xanthippe » 20.11.2010, 17:10

bestechend logisch. allerdings fühle ich persönlich mich viel lebendiger, seiender, wenn ich vertraue. aber vielleicht ist das gar kein gegensatz zu dem, was du da schreibst, weil ich dieses vertrauen ja nur spüre und nicht denke.

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 20.11.2010, 18:04

Xanthippe hat geschrieben:ich glaube die schwierigkeit liegt darin, dass vertrauen tatsächlich ein sehr weiter, wenig fassbarer begriff ist, manche sehen es abstrakt, "als eigenes Phänomen aus zwei wechselwirkenden Individuen, für sich, unabhängig davon, wer wem das Vertrauen schenkt ..." - das verstehe ich übrigens nicht, Pjotr. Kannst du das erklären?

Wenn ich es von vorne erkläre, müsste ich jetzt mehrere Stunden schreiben. Ich nehme die kürzeste Version: Gestalte ein ungreifbares Phänomen um zu einem greifbaren, indem du es mit einer bekannten greifbaren Gestalt symbolisierst: Zum Beispiel die Angst als Katze (siehe Sam), oder den Tod als Sensemann, oder das Vertrauen als ...


P.


Edit: ... als Huhn. Haha!

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 20.11.2010, 21:21

Ein Problem ist wohl, dass Vertrauen etwas Gegenseitiges ist, hier aber - gewollt - einseitig angelegt ist.

Ansonsten: Vertrauensbruch war meine Thematik. Aber eben aus der Perspektive des Vertrauen "Brechenden" (komische Wortkonstruktion). Und es gibt da immer einen Moment, wo der Vertrauensbruch dem anderen präsentiert wird - sei es durch Unvorsichtigkeit, "dumm gelaufen", einen Informanten usw. Ich glaube, darüber stolpert Ihr: Dass genau dieser Zeitpunkt mit einbezogen ist. Der ja vom Subjekt überhaupt nicht intendiert ist. Ich habe ihn aber dennoch mit reingenommen. Erstens, um den um sein Vetrauen Betrogenen nicht außen vor zu lassen, zweitens, um wenigstens einen kleinen Hinweis auf Moral zu geben - das so'n Mist eben nicht aufgehen kann.

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Eule
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Beitragvon Eule » 21.11.2010, 23:18

Hallo Amanita, die Textaussage und deren Bedeutung ist (mindestens) ein Aspekt, das formelle ein (weiterer) anderer. Und dahin zielte meine Kritik ... Viele Grüße !
Ein Klang zum Sprachspiel.


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