Glück

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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Amanita
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Beitragvon Amanita » 05.12.2010, 15:55

Glück


Zaubern wollte ich immer!

Worte erfinden,
Gedanken in Gold verwandeln.
Tage zum Klingen bringen,
an sonnigen Orten Staub aufsammeln.

Blendwerk entfernen.
Mit bunten Zahlen lauthals lachen.
Und ein Dankgebet daraus schreiben.

RäuberKneißl

Beitragvon RäuberKneißl » 05.12.2010, 20:12

Liebe Amanita,

Ein kleines, freundliches Zwischenresümee, lautmalerisch, verspielt, versprüht den Charme einer kleinen lyrischen Notiz.
Nach dem vieles versprechenden ersten Vers gibt die zweite Strophe ein vokalreiches Bild für die Alchemie des Dichtens und den Reichtum der eingesetzten Sinne.
Der dramatische Bogen der zweiten Strophe setzt für mein Gefühl richtig an: das Herausmeißeln der 'richtigen' Form aus dem blendenen Schein - aber damit endet er auch schon. Die letzten beiden Verse packen den Ansatz der ersten Strophe wieder auf, in einer Form, die ins sehr schlichte abdriftet. Mir scheint, da ist eine gewaltige Abkürzung genommen werden, nach den zwei Wörtern 'Blendwerk entfernen.' geht's gleich ans lachen und beten. So billig gibt sich die Kunst und das Glück, befürchte ich, nicht her - zumindest mir nicht.
Grüße
Franz

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 05.12.2010, 21:58

Und? Was müsste man ändern?

So ganz richtig habe ich das nämlich nicht verstanden.



Ach ja, dies noch: Von beten steht da nix.

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 06.12.2010, 07:52

Es ist das "billig", das ich nicht verstehe; "schlicht" stimmt (und soll auch).

RäuberKneißl

Beitragvon RäuberKneißl » 06.12.2010, 20:52

Die Dichterin, wenn sie quasi professionell, dh. schriftlich betet, schreibt ein Gebet, dadurch hatte ich das Dankgebet als Form des betens aufgenommen.
'Billig' bezog sich darauf, dass hier das ganze Gepuzzele, das meist nötig aus, bis sich die Formulierungen zusammenschließen, in die zwei Worte 'Blendwerk entfernen' kondensiert ist.
Die Anregung des ersten Postings geht in die Richtung eines Drei-Schritts: eine Art Reflexion in der ersten Strophe - die Knoten und Wirren, das Blendwerk in der zweiten - und schließlich mit guter Laune und etwas Distanz kommen die netten Einfälle schon als drittes Element. Ich sehe eine Lücke zwischen dem einen Ufer 'Zaubern wollen' und dem andern Ufer 'Dankgebet'.
Bildlich war also gemeint: für die Überfahrt muss man den Fährmann bezahlen, und er ist meiner Erfahrung nach nicht billig.
Grüße
Franz

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 07.12.2010, 07:51

Ich kann nach wie vor nur ahnen ... hätte auch gern mal irgendwelche konkreten Vorschläge, vielleicht auch von anderen?!

Aber ach, das Glück ist ohnehin fern für mich, in dieser Nacht ist meine liebe Ma gestorben, da werde ich mir in den nächsten Monaten das Glück schwer zusammenpflücken müssen. Und ob ich des Räubers Sätze nun verstehe oder nicht, is' eh nicht so wichtig im Moment, ich muss mich mit einerseits sehr weltfernen Dingen befassen und dann auch wieder mit schnöden Formularen in schnöden Ämtern. Ich weiß, gehört ins Café. Aber es gibt auch Ausnahmezustände. Darin befinde ich mich gerade.

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leonie
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Beitragvon leonie » 07.12.2010, 10:33

Liebe Amanita,

alles, alles Gute und ganz viel Kraft wünsche ich Dir!

Liebe Grüße

leonie

jondoy
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Beitragvon jondoy » 14.12.2010, 15:02

Hallo Amanita,

das Temperament in diesem - wie bunte Murmeln in den Sand geworfenen - Gedicht gefällt mir.
Das drückt sich wirklich aus in diesem vorangestellten "Zaubern wollte ich immer!"
Die Worte, die dem Eingangs-Tusch folgen, passen sprachmelodisch für mich dazu, beschreiben - ebenso dahingeworfen - Facetten dieses Gefühls.
Das Ende, die letzte Zeile, die den Text beruhigt, ihn ausfließen lässt, rundet das Ganze ab.

An diesem Text an Worten zu kritteln, belustigt mich (ist natürlich nicht bös gemeint!). Wem das einfällt, hat in meinen Augen den Text eben anders verstanden.
´Mit bunten Zahlen lauthals lachen´. Die Zahlen, die in den Medien stehen, beispielsweise, mit denen diese und jene Seite argumental so gern gehirnoperiert, sind ja auch meistens zum Lachen. Wisst ihr, welches Wort ich zum Unwort des Jahres wählen würde. "Alternativlos". ....summ summ....´Blendwerk entfernen`.
Die Zeilen sprechen vom Träumen und Wachsein und Lachen können über ernste Sachen. So les ich den Text.

Namaste, Stefan

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 14.12.2010, 22:51

jondoy oder Stefan - tut wirklich gut zwischendurch: Mein Text wollte genau das, was Du beschreibst. Keinesfalls mehr. Ich meine nämlich, dass das Glück völlig unintellektuell ist.

jondoy
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Beitragvon jondoy » 22.12.2010, 16:49

...lieber Stefan.

Hallo Amanita,

habs erst heut gelesen.

Amanita hat geschrieben:Ich meine nämlich, dass das Glück völlig unintellektuell ist

(...hab zum ersten Mal nach Monaten wieder dieses "Zitieren" angefasst)

Da bin ich mir ganz sicher :smile:.
Und es ist so schön klein. Und bunt. Und kostbar. Wie mein Leben. :smile:

Namaste und alles Gute,
Stefan

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noel
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Beitragvon noel » 22.12.2010, 18:15

auszer der letzten zeile
hätte ich jedes wort
auch so setzen können
zumindest füllen sich mir die lücken mit tönen & gerüchen des
gestrigen morgens
NOEL = Eine Dosis knapp unterhalb der Toxizität, ohne erkennbare Nebenwirkung (NOEL - no observable effect level).

Wir sind alle Meister/innen der Selektion und der konstruktiven Hoffnung, die man allgemein die WAHRHEIT nennt ©noel

Max

Beitragvon Max » 27.12.2010, 22:16

Liebe Amanita,

mir gefällt dieser kleine Text, der für mich ganz leicht wirkt - und so ist er ja vermutlich auch gemeint (denke ich herauszulesen).

Ich würde allerdings Gedanken nicht "in Gold" verwandeln, nicht nur weil das Bild abgegriffen ist, sondern, wei das geedicht wenig späte selbst "Blendwerk" entfernen mag und irgendwo blendet ja auch Gold .. ich fände es schöner (aber das ist natürlich geschmackkssache) Gedanken in Ton zu verwandeln - weil der materiell ist, aber formbar und Ton auch noch einen schönen Doppelbezug hat.

Liebe Grüße
max

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 27.12.2010, 23:05

Danke, Max, und ja, es scheint ein Widerspruch mit dem Gold. Aber Gold muss ja nicht Blendwerk bedeuten; es ist ein vielseitiges Metall. Kostbar zwar, aber auch schön und haltbar.
Unter diesem Aspekt habe ich es benutzt, nicht zuletzt zusammen mit dem Klang der Goldfarbe, die ja oft einfach ein angenehmes, kraftvolles Goldgelb bezeichnet. Siehe auch Goldblond, das nicht auf materiellen Reichtum hinweisen will, sondern auf ein schönes Kind, eine schöne Haarfarbe. Auch Goldmohn ist etwas Schlichtes, macht eine Wiese zur goldenen Schönheit, wenn er blüht.
Ich denke aber auch an einfachen Goldschmuck, der nicht "angeben" will, sondern seine Trägerin vielleicht das ganze Leben begleitet.
Blendwerk wäre irgendwas Aufgeblähtes, Aufgeschäumtes mit bestenfalls Goldauflage. VERgolden würde vielleicht eher den Widerspruch treffen, den Du meinst.

Ton passt hier nicht, finde ich; die Doppelbedeutung des Klangs und des irdenen Materials lässt mich zu sehr schwanken. Wäre vielleicht mal einen ganz anderen Textversuch wert, wenn es mir wieder besser geht.


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