Versager

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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Eule
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Beitragvon Eule » 05.04.2011, 16:38

Versager


Wir gingen zusammen
durch die Flure

Sanft lächelnde Wände
lustig glucksend

Strahlte der Frühling hinein
Mit Druckerschwärze

Jahrtausende im Abklang
ganz einsam
Ein Klang zum Sprachspiel.

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 05.04.2011, 20:36

Hallo Arne,

ich kann es (noch) nicht festmachen, oder erklären, .-) aber ich finde dieses Gedicht sehr eindrücklich. Es gelingt dir die Jahrtausende und das "sanftlächeln" und "lustigglucksen" und "einsam" so einzuweben und miteinander sprechen zu lassen, ihnen einen eigenen Kontext zu geben, dass sie mir nicht "zuviel" sind.

Einzig beim "hinein" frage ich mich, ob es nicht "herein" heißen müsste, da hier ein leichter Perspektivenwechsel für mich stattfindet?

Beim Titel will ich immer "Vers-sager" mitlesen.

Liebe Grüße
Flora
Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

Max

Beitragvon Max » 05.04.2011, 21:26

Hallo Arne,

vom Gesamteindruck geht es mir wie Flora. Ich mag die leisen Tönde des Gedichts, die pastellenen Farben, in denen dieses Gedicht gemalt ist. Dazu kommen originelle Bilder wie due glucksenden Wände.

Mit dem Titel, bei dem ich nicht "Vers-sager" lese, habe ich aber meine Schwierigkeiten, weil ich ihn nicht am Text vertäuen kann.

Liebe grüße
Max

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Eule
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Beitragvon Eule » 05.04.2011, 22:23

Hallo Flora, hallo Max, danke für die Kommentare. Die von Flora "entdeckten" Versionen finde ich sehr humorvoll, aber tatsächlich, sie würden auch die Gesamtaussage verändern. Und was den Titel angeht, er wird in den letzten Zeilen aufgenommen und ausgeführt. Viele liebe Grüße !
Zuletzt geändert von Eule am 06.04.2011, 10:11, insgesamt 2-mal geändert.
Ein Klang zum Sprachspiel.

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 06.04.2011, 10:00

Hallo Arne,

Flora hat geschrieben:Einzig beim "hinein" frage ich mich, ob es nicht "herein" heißen müsste, da hier ein leichter Perspektivenwechsel für mich stattfindet?
Magst du dazu noch etwas sagen? Beim "hinein" bin ich außen beim Frühling, beim "herein" wäre ich weiter auf dem Flur?

Den Titel finde ich schon am Ende angesprochen, wobei auch der mitgelesene "Vers-sager" für mich daran nichts ändern würde, nur eben die Druckerschwärze auf andere Weise nochmal aufgreift. Wobei es sich zumindest für mich nicht auflöst, (auch nicht muss) was das Versagen ausmacht.

Liebe Grüße
Flora
Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

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Eule
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Beitragvon Eule » 06.04.2011, 10:16

Hallo Flora, der Unterschied liegt für mich in der genaueren Bestimmung des "Strahlens". Hereinstrahlen klingt aktiver, intensiver, jemand platzt z.B. herein, platzt er dagegen hinein, würde für meine Wahrnehung der Vorgang mehr von den dort Versammelten bestimmt. :-)
Ein Klang zum Sprachspiel.

Gerda

Beitragvon Gerda » 06.04.2011, 11:04

Oh, Arne, das gefällt mir sehr gut. Stilististich sehr behutsam, fast sparsam auf den Punkt gebracht.
Sehr weitgefächert zu deuten und dennoch nicht beliebig.
Ich könnte es mit dem Titel "Frühling 2011" als ein sozialakritisch/politisches Gedicht lesen. Aber "Versager" als Titel ist entlarvend, spannt es den Deutungsbogen noch weiter ...
Dieses Gedicht verstehe ich von Anfang bis Ende ;-)

LGG

Edit ... die üblichen Schreibfehler, die ich immer zu spät sehe ;-)
Zuletzt geändert von Gerda am 06.04.2011, 12:26, insgesamt 1-mal geändert.

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Beitragvon Eule » 06.04.2011, 12:11

Freut mich, dass es gefällt und vielen Danke für Dein Lob ! Herzliche Grüße.
Ein Klang zum Sprachspiel.

Gerda

Beitragvon Gerda » 06.04.2011, 12:27

@ Flora und Max,versucht doch mal als "Titeladressat" und Schlussfolgerung, die Menschheit als Ganzes zu sehen ...

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 06.04.2011, 13:49

Hallo Gerda,

@ Flora und Max,versucht doch mal als "Titeladressat" und Schlussfolgerung, die Menschheit als Ganzes zu sehen ...
Vielleicht habe ich mich unglücklich ausgedrückt, ich mag es samt Titel so deutungsoffen, wie es ist. Deine Leseweise liegt mir weniger, da werden mir die Flure zu voll .-), verliert sich die Bildhaftigkeit der Szene für mich ebenso, wie das Gefühl für das "Einsame".

Hallo Arne,

der Unterschied liegt für mich in der genaueren Bestimmung des "Strahlens". Hereinstrahlen klingt aktiver, intensiver, jemand platzt z.B. herein, platzt er dagegen hinein, würde für meine Wahrnehung der Vorgang mehr von den dort Versammelten bestimmt.
Danke, fürs erläutern. :)

Liebe Grüße
Flora
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Zakkinen
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Beitragvon Zakkinen » 06.04.2011, 13:56

Zu herein und hinein. Für mich stellt das die Frage, wo ich mich befinde. Bin kein Sprachkenner, aber impliziert herein nicht, dass ich mich da auch befinde, während hinein in einen Raum geht, wo ich gerade nicht bin, den ich von außen betrachte? Einfach vom her und hin?
Scheint mir wichtig, da ich mich zunächst in Fluren las. Nicht alleine, aber doch nicht in großer Menge.

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Zakkinen
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Beitragvon Zakkinen » 06.04.2011, 13:59

Ich find, es klingt gut. Dass ich verstehe, kann ich nicht sagen. Schade. Vielleicht erklärt mir es jemand per pn? Noch schließen sich die Bilder gegenseitig aus. Sacken lassen.

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 06.04.2011, 14:04

Ich kriege die Bilder auch nicht zusammen - z. B. sanft lächelnd und lustig glucksend bleiben (in der Kombination) bei mir zu sehr an der Oberfläche haften. Die größten Probleme habe ich allerdings mit dem so unterschiedlichen Abstraktionsgrad bzw. mit der ("fassbaren") Nähe und Ferne.

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Eule
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Beitragvon Eule » 06.04.2011, 14:26

Hallo Zakkinen, hallo Amanita. Es geht bei diesem "strahlen" ja nicht um Personen, sondern um Licht. Das kann, wie Zakkinen richtig schreibt, hereinfallen oder hineinstrahlen. Letzteres schließt aber nicht aus, dass das lI nicht auch drinnen sein könnte, nur die empfunde Distanz wäre vielleicht größer.

Gerda hat aber Recht, ihre Lesart war ausdrücklich mitimpliziert. Vielleicht eine Geschichte mit Geschichte ... ;-)
Ein Klang zum Sprachspiel.


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