M. aloh. nn. hatz!

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Louisa

Beitragvon Louisa » 30.04.2011, 14:36

Ich lese eine Zeitung und denke mir dabei:

Die Liebenden auf Rädern nehmen sich viel Zeit.
Ihre Sprache ist so langsam wie der Pollenflug,
die Körper ganz kaputt doch wunderschön -

Der Mann, wie er wohl vorher war?

Groß, stark und charmant - wie Richard Gere
und hier bewegt er sich nun wie ein Astronaut
am Rollator schwebt er über den Flur -

zu einer Frau im Rollstuhl und sie ruft ihm zu:

"M. aloh. nn. hatz!" und in Zeitlupe greift er
nach ihrer gelähmten Hand, sie geben sich
einen Kuss und er antwortet: "Hallo mein Schatz!" zu ihr

während ich mir eine neue Zeitung nehme.






Änderungen:

1. Vorher hieß es:

"Der Mann, ich überlege wie er vorher war?"

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Zakkinen
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Beitragvon Zakkinen » 30.04.2011, 14:51

Rollator?

Xanthippe
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Beitragvon Xanthippe » 30.04.2011, 16:10

Louisa hat geschrieben:Ihre Sprache ist so langsam wie der Pollenflug,
die Körper ganz kaputt doch wunderschön -


Was für ein wundervolles, zärtliches Gedicht.
Ich liebe es, Louisa.
Es macht mich glücklich.
Wirklich, so ein Blick auf das Alter, der ist verdammt noch mal wahr, nicht nur phantasievoll.
Ach, ich kann gar nicht viel mehr sagen, als dass ich es großartig finde!

Xanthi

Louisa

Beitragvon Louisa » 30.04.2011, 17:03

Huhu!

Danke Zakkinen! Doppel-L ist richtig!

Merci beaucoup auch an Xanthi! Es erfreut mich wenn es dir gefällt.

Die beiden sind übrigens noch in den 50ern :eek: (...)

Ich hoffe, dass sich der Titel bzw. der Ausspruch auch so liest wie ich ihn gehört habe. Es ist sehr schwierig eine -wie soll ich sagen?- verzerrte Sprache richtig aufzuschreiben...

Na dann noch einen schönen Tanz in den Mai :smile: !
l

Xanthippe
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Beitragvon Xanthippe » 30.04.2011, 17:09

na jedenfalls sollte es heißen: hallo, mein schatz, das hört man doch trotzdem. Pah. und 50, oder 80, gesund oder beschädigt, das ist doch letztendlich egal, dieses Gedicht benennt doch das was darüber hinaus geht, was über alle Alter nicht gleich bleibt, aber nach wie vor, das Wichtigste bleibt. Darum, vor allem, mag ich es.

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allerleirauh
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Beitragvon allerleirauh » 30.04.2011, 17:52

hallo louisa,

ich mag den text auch, weil er eine feine beobachtung beschreibt, die, irgendwie, hoffnungsvoll stimmt.

was allerdings die sprachliche seite anbelangt, so finde ich verschiedene dinge nicht sehr glücklich gelöst.
das zeitungsthema zu beginn und zum schluss beispielsweise bräuchte ich nicht unbedingt.

und ob pollenflug langsam vonstatten geht, wage ich zu bezweifeln. hier war es heute windig und so schnell, wie millionen kleine pollenpartikel auf mein auto klatschten und es mit einer gelben staubschicht überzogen, konnte ich ehrlich gesagt gar nicht gucken.

die erfahrung, sich an einem rollator zu bewegen, fehlt mir glücklicherweise noch, aber wenn ich alte leute sehe, die gebückt ihre runde durch die stadt machen, kommt mir kein astronaut in den sinn. das bild funktioniert für mich nicht.

lg a

Louisa

Beitragvon Louisa » 30.04.2011, 19:00

Hallo!

Ich empfinde es so wie du Xanthi.

Allerleirauh, ich wollte mit all den drei Bildern ja die Langsamkeit beschreiben. Es soll das Verhältnis aufzeigen: In der Zeit, in der ich (oder die meisten) eine Zeitung durchlesen geben sich die beiden einen Begrüßungskuss. Ich habe in den letzten Tagen sehr langsame Pollen gesehen, aber vielleicht fällt uns (?) da ja noch ein stimmigeres, schönes Bild ein - momentan weiß ich keines.

Dieser Mann bewegt sich einfach unglaublich langsam - wie in Zeitlupe - oder als ob er auf dem Mond stehen würde. Für mich passt das "wie die Faust aufs Auge" :mrgreen: -

Danke für die Anmerkungen!!!

lg,
l
PS: Ach ja - und die verlangsamte Sprache der Frau will ich noch beschreiben durch die Bilder... ich hoffe wir können es noch verbessern!

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leonie
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Beitragvon leonie » 30.04.2011, 19:30

Liebe Louisa,

ich finde das Thema auch ganz wunderbar, aber in der sprachlichen Gestaltung ist es meiner Meinung nach noch nicht ausgereift. Du beschreibst an manchen Stellen anstatt Bilder zu erzeugen. "Wunderschön", was siehst Du denn da genau?

Auch "Ich denke mir", "ich überlege", warum nicht direkt als Frage: "Wie er wohl vorher war?" Dann lenkst Du die Aufmerksamkeit nicht zuerst wieder explizit auf das lyrIch...

Liebe Grüße

leonie

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Eule
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Beitragvon Eule » 01.05.2011, 12:54

Hallo Louisa, ein schönes Thema, dass Du da mit sympathischen Bildern präsentierst. Ein bisschen umständlich formuliert, z.B. wäre das "dabei" in der ersten Zeile nicht notwendig, die "kaputten Körper" klingen als umgangssprachliches Element ein bisschen abwertend. Viele Grüße !
Zuletzt geändert von Eule am 01.05.2011, 13:23, insgesamt 1-mal geändert.
Ein Klang zum Sprachspiel.

Louisa

Beitragvon Louisa » 01.05.2011, 13:14

Hallo Leonie und Arne!

Ok, ja - na gut, die Stelle mit den vielen Adjetktiven (kaputt und wunderschön) habe ich mir als eine kleine Provokation in beide Richtungen gedacht. Einerseits gegen diese ach so politisch korrekte Herangehensweise an Behinderungen (Denn man hätte ja auch schreiben können: in mancherlei Hinsicht stark beeinträchtigte Körper :smile: ...) und andererseits ein Contra-Programm gegen das aalglatte Schönheitsideal - denn ich denke es müsste doch schon einen Aha-Effekt hervorrufen, wenn man zum Beispiel auf der Straße zu einem sabbernden, gelähmten und scheinbar abwesenden behinderten Menschen sagt: "Mensch, der ist ja wunderschön!"

Insofern verfolge ich da schon einen Sinn bei diesen bildlosen Elementen. Ich habe gehofft, dass sie wenigstens teilweise diese Gefühle und Effekte hervorrufen könnten.

Das mit der direkten Frage ist eine gute Idee, Leonie - ich habe es gleich übernommen.

Freue mich auf weitere Reaktionen!

Einen schönen Tag!
l

PS: Und ganz im Allgemeinen: Ich glaube es gab noch nie ein Liebesgedicht auf der Welt bei dem es darum geht, dass sich eine Frau im Rollstuhl und ein Mann am Rollator einen Kuss geben - eigentlich will ich gar nicht viel mehr erzählen damit. ;-)

Andreas

Beitragvon Andreas » 02.05.2011, 13:54

Hallo louisa,

ein oder zwei Gedankensplitter von mir.

Ich sehe hier den Umgebungsflair einer Arztpraxis, wo es auch meist genügend Zeitungen gibt und man sich fragt, wer solche Zeitungen überhaupt abonniert - jedenfalls finde ich für mich niemals eine, die mich auch echt interessieren könnte. Ich frage mich, ob deine Zeilen durch ein Erleben in solchen Räumlichkeiten entstanden sind?

Mir kommt es vor, auch nach mehrmaligem Lesen, dass dir die Protagonisten nahestehen. Fast wirkte es auf mich so nah, wie du mit den beiden verbunden scheinst, dass es die eigenen Eltern sein könnten. Damit würde es sich wie ein Blick in die Zukunft lesen, vielleicht verbunden mit der Hoffnung, dass die Liebe der Eltern (die jetzt noch in den 50ern sind) auch im hohen Alter noch intensiv sein möge.

Zugegeben, so richtig nährreich sind meine Splitter nicht, aber es schien mir ok, sie hier kurz anzufügen.

Grüße
Andreas

Louisa

Beitragvon Louisa » 03.05.2011, 20:15

Huhu Andreas!

Ganz so ist es für mich nicht... Ich mache eine Ausbildung zur "Heilerziehungspflege" und im Rahmen dessen mache ich gerade ein Praktikum in einem Wohnheim für "geistig und körperlich behinderte" Erwachsene - die zwei sind mir dort sehr ans Herz gewachsen :smile: -

Das ist alles :smile: ... Aber deine Interpretationen finde ich auch sehr schön! Das könnte alles so sein, ja!

Liebe Grüße,
l

carl
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Beitragvon carl » 05.05.2011, 12:59

Liebe Louisa,

ich finde den Text im Kern sehr anrührend!
Die "Rahmenhandlung" ist aber irreführend.
Aus den Kommentaren entnehme ich, dass du ein Berufspraktikum in einer Behinderten-Einrichtung machst: das wird nicht ersichtlich. Muss es auch nicht, aber so beziehe ich die Ereignisse zwischen 1. und letztem Satz auf den Inhalt der Zeitschrift! Wenn du ein Zeitmaß für deine Beobachtung brauchst (Durchblättern der Zeitschrift) müsstest du das deutlicher machen (mal abgesehen: was ist das denn für ein Praktikum, wo du müßg Zeitschrift um Zeitschrift durchblättern kannst ;-))

LG, Carl

Louisa

Beitragvon Louisa » 06.05.2011, 13:36

Hallo Carl!

Es ist vielleicht ein wenig übertrieben mit der Zeitschrift :smile: ... Aber es ist ja so, dass ich sowohl in der Schule als auch im Heim den pädagogischen Auftrag erhalten habe, dass die Leute doch möglichst selbstständig werden müssen - Naja - und seitdem lautet mein Arbeitsmotto: "Mach doch selbst!" *lach*

Ich habe vor einigen Tagen lange Stunden mit einem Bewohner damit verbracht einen Kaffee zu trinken. Er ist halbseitig gelähmt und zittert dauernd mit der Hand, die er noch bewegen kann... Aber ich habe nicht eingesehen, dass ich ihm den Kaffee einflößen soll :smile: - Zumal er obgleich seines auf 3 Worte verminderten Wortschatzes auch immer ganz schön frech zu mir ist :smile: ... Also haben wir uns stumm angesehen und ich habe eine Zeitschrift durchgeblättert. Schließlich habe ich gesagt: "Trink doch mal!" - und dann nahm er auch einen Schluck zu sich, wobei er leider einiges verschüttet hat, aber das ist ja egal :smile: -

Ich habe dann auch gefragt ob es ihm lieber ist selbstständig zu essen und zu trinken oder gefüttert zu werden und er gab mir zu verstehen, dass er lieber zwei Stunden lang alleine trinkt als durch die Hilfe fremder Menschen.

Deshalb habe ich die Rahmenhandlung dieses Gedichtes eine Zeitungslektüre sein lassen :smile:

Was könnte ich denn stattdessen nehmen um die lange Dauer der Geschehnisse zu umschreiben, carl???

Ich sage dir, was ich sonst noch so nebenbei mache:

- Zur Erheiterung der Menschen Tanzen und Grimassen schneiden (aber das zeigt keine lange Dauer an oder?)
- kochen
- Blumen pflücken
- Bilder von Lebensmitteln ausschneiden und an den Kühlschrank kleben zwecks besserem Verständniss der Grundversorgung
- Sitzen und Kaffee trinken
- Mit den Menschen sprechen
- Freizeit- und Amüsiergelegenheiten planen
- Kunststücke mit meinen verbiegbaren Fingern zeigen
- Männliche Hände von meinen Beinen wegklatschen :smile:
- Singen
- Lästern (über die Nicht-Behinderten Menschen :smile: ...)
- Beim Einräumen einer Spülmaschine meine Hilfe anbieten, die meistens abgelehnt wird. Deshalb sitzen und meditativ eine Stunde dabei zusehen :smile:
- Pflegerisches Tamtam

Das war es :smile:

Was davon könnte man statt der Zeitung nehmen? Vielleicht die durchlaufende Kaffeemaschine? Der Kaffee, den man am Anfang des Gedichtes aufsetzt und der am Ende durchgelaufen ist? Aber das kam bestimmt schon oft vor in heutigen Gedichten. Das Geräusch der grugelnden/brummenden/röchelnden/sich räuspernden Kaffeemaschine kommt mir sehr bekannt vor :sad: Mmm....

Was dann?

Wäre sehr erfreut über Hilfe!

Liebe Grüße,
l

PS: Heute ist wieder Blauer Salon in Natura hier in Berlin ... www.blauersalon-unplugged.net


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